Erleichtert lächelt Peter Becker in die große Journalistenrunde. Die Fragen der Presse zu beantworten, kommt dem Geschäftsführer der Husumer Messe gegenüber dem zähen, eineinhalbjährigen Ringen mit der Hamburger Messe und Congress GmbH wie ein Kinderspiel vor. Soeben haben er und sein Kollege aus der Hansestadt, Bernd Aufderheide, ein innovatives Messemodell vorgestellt: die Kombination der traditionsreichen „Husum Wind“ mit der neu stattfindenden Hamburger „Wind Energy“. Alle zwei Jahre wollen die beiden Gesellschaften von nun an die Leitmesse gemeinsam an der Elbe ausrichten, ergänzt um eine national orientierte Windmesse und die parallel laufende Fachausstellung „H2Expo“ in Husum.
Der Einigung vorangegangen war ein eineinhalb Jahre andauernder Streit zwischen den Messegesellschaften sowie zwischen den jeweiligen Landespolitikern. Der Grund: Im September 2014 sollte die „Wind Energy“ erstmals ausgerichtet werden – ausgerechnet zeitgleich zur „Husum Wind“. Während die Hamburger argumentierten, ihre Stadt böte die besseren Entwicklungsmöglichkeiten für eine Branche, die weltweit auf zweistelliges Wachstum eingestellt ist, verwiesen die Husumer auf die mehr als 20-jährige Geschichte ihrer Veranstaltung, die sich zur bislang weltgrößten Ausstellung der Windenergiebranche gemausert hat. Industrievertreter machten derweil deutlich, dass es nur eine Veranstaltung geben könne, allein schon aus Kostengründen.
Der Weg zum Kompromiss war für alle Beteiligten zwar mühsam, vom künftigen Erfolg ist man indes überzeugt: „Die internationale Leitmesse ‚ Wind Energy‘ gemeinsam mit der ‚ H2Expo‘ ermöglicht es Fachleuten der Windbranche, zusätzliche Kontakte in neue Geschäftsfelder zu knüpfen“, sagt zum Beispiel der Hamburger Messechef Aufderheide. Zudem könnten Aussteller nun zwei Veranstaltungen mit nur einem Stand und nur einer Anreise bestreiten. Auf die Aussteller und die Besucher warten attraktive Kombiangebote und, weil das Know-how beider Messeveranstalter gebündelt werde, würden ebenfalls alle Beteiligten profitierten – etwa durch besseren Service. Tatsächlich bestätigt Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE): „Das gemeinsame Konzept kombiniert die Tradition und Atmosphäre Husums, die für den deutschen Markt wichtig ist, mit den Vorteilen des Standorts Hamburg, die internationale Aussteller gewohnt sind.“
Wie Wolfram von Fritsch, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Messe AG in Hannover, anmerkt, ist das Husum-Hamburg-Modell nur eine von vielen Alternativen, mit denen sich Veranstaltungen kombinieren lassen. Eine andere bewährte Möglichkeit sei die Dachkonstellation, bei der sich unterschiedliche Messen unter einem gemeinsamen Namen zusammenschließen. Etwa die „Hannover Messe“, die sich in 13 Einzelmessen unterteilt. Sie alle finden parallel in den Messehallen der niedersächsischen Landeshauptstadt statt und bilden gemeinsam die bedeutendste Industrieschau der Welt. Und in Düsseldorf hat Messe-Geschäftsführer Werner M. Dornscheidt einen neuen, übergeordneten Veranstaltungsbegriff erschaffen: Seine „Bright World of Metals“ steht für vier zeitgleich stattfindende Messen, die „zusammengefasst das komplette Technologiespektrum der Branchen Gießerei und Gussprodukte, Metallurgie und Thermoprozesstechnik abbilden“.
Für diese Zusammenfassung unter einem thematischen Dach haben Branchenexperten längst neue Begriffe gefunden. So sprechen die Fachleute des Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA) von horizontalen, vertikalen oder multifunktionalen Kombinationen. Zum horizontalen Messeverbund gehört etwa die Zusammenlegung der „Domotex“, der führenden Ausstellung für die internationale Teppich- und Bodenbelagsbranche in Hannover, mit der Lifestyle-Messe „earlybird“, die einst in Hamburg beheimatet war. „Die Veranstaltungen weisen interessante Überschneidungen bei der Fachbesucherstruktur auf“, sagt Philipp Krupke. Als Vorstandsmitglied des „earlybird“-Veranstalters HWD war er maßgeblich daran beteiligt, dass die beiden Ausstellungen heute auf dem Messegelände Hannover parallel stattfinden. Stefan Köster, Leiter Neue Messen, Events & Gastveranstaltungen bei der Deutschen Messe, sieht wichtige Synergieeffekte auf der Handelsebene: „Ein großer Teil der ‚ Domotex‘-Besucher sind Facheinzelhändler, sie führen Einrichtungshäuser oder sind Innenarchitekten. Auf der ‚ earlybird‘ finden sie zusätzliche Anregungen und Produkte.“
Ein Beispiel für vertikale Kombinationen sind die erwähnten „Wind Energy“ und „H2Expo“ sowie das Messequartett der „Bright World of Metals“: Sie informieren jeweils über die gesamte Wertschöpfungskette einer Branche. Und für die dritte Kategorie, den multifunktionalen Messeverbund, stehen in Düsseldorf der „Caravan Salon“ sowie die „Tour Natur“. Diese Messen bündeln die Verkaufsinteressen ganz unterschiedlicher Branchen miteinander: Umfragen haben ergeben, dass sich Caravan-Fans auch stark für den Themenkomplex Wandern und Trekking interessieren. 45 Prozent der Interviewten gaben an, regelmäßig zu wandern, und 54 Prozent sind mit dem Rad oftmals querfeldein unterwegs. Da ist es nur logisch, dass „Caravan Salon“ und „Tour Natur“ zusammengewachsen sind.
Neue Leitmessen entstehen
Aus bewährten Kombinationen können so auch neue Leitmessen entstehen. Etwa wenn aus einer etablierten internationalen Messe ein Schwerpunkt oder Fachthema herausgeschnitten und als begleitende, eigenständige Ausstellung in Szene gesetzt wird. Kostengünstige Kombiangebote an Aussteller und Besucher der etablierten Großveranstaltung sorgen für einen Besuchersturm in Richtung Parallelmesse. So geschehen bei der „Fruit Logistica“: Sie wurde 1993 erstmals in Berlin parallel zur „Internationalen Grünen Woche“ als Marketingplattform für die Frischfruchtbranche initiiert. Das Konzept war vom Start weg erfolgreich: Die Ausstellung wuchs von Jahr zu Jahr zweistellig – und ist seit 2004 die internationale Leitmesse der Obst- und Gemüsebranche. Für die AUMA nur ein Beispiel dafür, dass Parallelmessen im Schatten von Großveranstaltungen besonders gut gedeihen. Sie profitieren von deren Akzeptanzwerten und vor allem von deren Internationalität. Denn der Messeplatz Deutschland ist weltweit führend bei der Ausrichtung internationaler Veranstaltungen, schließlich haben drei der fünf größten Messegelände und vier der zehn umsatzstärksten Messegesellschaften der Welt ihren Standort in der Bundesrepublik.
Wolfgang Marzin, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, verweist derweil auf ein Verbundangebot, das vor allem dem Wissensaustausch diene: Die Kombination Fachmesse plus Kongress ist eine Konstellation mit wachsendem Zuspruch. Sein Hamburger Kollege Aufderheide gibt ihm mit Blick auf die „SMM“, der Weltleitmesse der maritimen Industrie recht: Während der Ausstellung finden gleich zwei Konferenzen mit Weltgeltung statt, die „gmec“ und die „MS&D“. Sie beschäftigen sich mit den Themen Umweltschutz und maritime Sicherheit – beides sinnvolle und vielgenutzte Ergänzungen zur breiteren Leitmesse.
Gerd Zimmermann
Anke Heine von der GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung über die Vorteile von kombinierten Messen.
Erstmals finden in Leipzig mit der „AMI“, der „AMITEC“ und der „AMI-COM“ drei Fachmessen parallel statt. Erwarten Sie durch die Kombination mehr Besucher an Ihrem Stand?
Für uns als Kfz-Prüf- und Sachverständigenorganisation ist die „AMI“ in Leipzig alle zwei Jahre ein Pflichttermin. Wir begrüßen die Vielfältigkeit des Messeangebots mit den beiden Zusatzmessen und sehen darin einen höheren Nutzen für den Besucher, von dem auch die Aussteller profitieren: Es ist nun möglich, sich sehr vielseitig über die Themen Auto, Technik, Pflege sowie Instandsetzung zu informieren. Dadurch werden weitere Interessengruppen angesprochen, die zu erhöhten Besucherzahlen auf unserem Messestand führen können.
Wie steht es mit Kontakten unter Ausstellern – erwarten Sie auch hier eine Steigerung?
Es handelt sich zum Großteil um Automobilhersteller, mit denen wir bereits kooperieren. Doch durch die Erweiterung, mit der auch zusätzliche interessante Themen angesprochen werden, sind mehr Firmen vertreten. Hierdurch können sich weitere Kontaktmöglichkeiten ergeben.
Werden Sie sich in Sachen Marketing, Vertrieb, Präsentation besonders vorbereiten?
Bei uns hat die „AMI“ Priorität, doch wir werden uns im gesamten Messeverbund präsentieren. Dabei sind für uns ein ansprechender Stand mit einem interessanten Fahrzeugmodell als Eyecatcher und eine begleitende Aktion zur Besucheransprache besonders wichtig. Schließlich wollen wir die Gelegenheit nutzen, auf allen drei Messen zu vermitteln, dass wir als Kfz-Prüforganisation allen Autofahrern bundesweit die amtliche Fahrzeuguntersuchung anbieten.
Was sind die Vorteile, wenn mehrere Messen zusammengelegt oder zumindest zeitgleich an einem Ort ausgerichtet werden? Deutschlands Messechefs beziehen hierzu Stellung – unter creditreformmagazin.de/messekombinationen