Deutschland und Österreich haben sich trotz des zuweilen schwierigen wirtschaftlichen Umfelds innerhalb der EU28 als ausgesprochen krisenfest und besonders wettbewerbsfähig erwiesen. Beide Wirtschaftsstandorte haben Strukturreformen in den vergangenen Jahren frühzeitig angestoßen.
Für deutsche Mittelständler, die Expansionen außerhalb des Heimatmarktes planen, spielen bei der Wahl des Auslandsstandortes häufig „harte“ Kostengesichtspunkte eine ausschlaggebende Rolle: Wie hoch ist die Arbeitsproduktivität vor Ort? Inwieweit ist eine funktionierende Infrastruktur gegeben? Weist der Standort Rechtssicherheit sowie politische und ökonomische Stabilität auf? Zudem, dies belegen verschiedene Marktstudien, sind den deutschen KMU Lieferantennähe, Technologiezugang sowie die Verfügbarkeit von Fachkräften zur Errichtung von Vertrieb- und Kundendienststrukturen besonders wichtig.
Neben diesen „klassischen“ Faktoren vermögen auch punktuelle Unsicherheitsfaktoren und Herausforderungen im Heimatmarkt direkte Konsequenzen auf Motive bei Auslandsengagements zu haben. So legen Forderungskataloge des BVMW und Ergebnisse einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Bank und des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) nahe, dass das Thema „Versorgungssicherheit“ (Sicherstellung der Strom-/Elektrizitätsversorgung) als neue Top-Priorität im deutschen Mittelstand gesehen wird. Befragt wurden Anfang des Jahres rund 400 Familienunternehmen in Deutschland. Zwei Drittel (67 Prozent) der Familienunternehmer bewerten die Energiekosten als größten Belastungsfaktor. 47 Prozent meinen, dass die Energiewende in Deutschland zum Nachteil im Standortwettbewerb wird.
„Globalisierte“ europäische Nachbarländer wichtigste Investitionsregion für deutsche KMU
Deutschland und Österreich verbindet traditionell eine enge Wirtschaftspartnerschaft, die sich durch intensive Handelsverflechtungen und grenzüberschreitende Investitionen auszeichnet. Deutschland ist mit 30,6% aller Warenexporte (entspricht 37,8 Milliarden Euro) und 37,5% aller Importe (49,5 Milliarden Euro) der wichtigste Außenhandelspartner Österreichs. Die Größenordnung und Bedeutung der Investitionsflüsse innerhalb des europäischen Binnenmarktes lässt sich am Beispiel Deutschland und Österreich gut nachzeichnen. So haben sich die Direktinvestitionen aus Deutschland in Österreich seit dem Jahr 1990 (3,2 Milliarden Euro) mehr als verzehnfacht (heute: 40,5 Milliarden Euro). Sie liegen damit in etwa gleich auf mit der kumulierten Summe deutscher Investitionen in den Märkten Russland (21 Milliarden), Brasilien (12,5 Milliarden) und Indien (8,2 Milliarden).
Ein Erfolgskriterium „kleiner“ europäischer Märkte, die bei der Gewinnung deutscher Direktinvestitionen eine starke Konkurrenz gegenüber den aufstrebenden (BRIC-)Länder und großen Wirtschaftsregionen (wie etwa USA) darstellen, ist der Grad ihrer Globalisierung. Unter Globalisierung verstehen wir dabei die Öffnung eines Standortes und die Dynamik beim Austausch von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Technologie. Die Technischen Hochschule (ETH) Zürich hat in ihrem Globalisierungsindex 2014 insgesamt 207 Nationen auf ihre ökonomische (u.a. Abwesenheit von Handels- und Kapitalverkehrsbeschränkungen), soziale (u.a. grenzüberschreitende Kontakte und Informationsströme) sowie politische (u.a. Angehörigkeit zu internationalen Organisationen) Dimension der Globalisierung hin ausgewertet. Interessant: Die „kleinen“ Länder Irland, Belgien, Holland und Österreich sind danach die am meisten globalisierten Länder der Welt. Durch ihre relative Geschlossenheit schaffen es die USA und China, um zwei Vergleichsbeispiele zu nennen, dagegen lediglich auf Platz 32 und 72.
Dies zeigt, dass es zahlreiche kleine Industrienationen geschafft haben, neben dem Heimatmarkt auch über größere Stückzahlen und über den Export im Ausland weiter zu wachsen. Es belegt auch, dass diese Länder besonders stark daran interessiert sind, den „Kontakt“ mit dem Rest der Welt zu suchen. Neben den kulturellen und politisch-diplomatischen Impulsen einer solchen Öffnung lässt sich eine „Dividende“ bezogen auf die ökonomische Sphäre konstatieren: Diejenigen Länder, die sich intensiv auf die Globalisierung eingelassen haben – wie etwa die EU-Staaten in Skandinavien, in den Benelux-Ländern oder auch Österreich – zählen beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und beim jährlichen Wirtschaftswachstum zur europäischen Spitze. Vom weiteren Zusammenwachsen der Wirtschaftsräume erhoffen wir uns, dass Ertragschancen statt Zöllen und Zugangsbeschränkungen den Rahmen für die Möglichkeiten unternehmerischer Aktivität setzen.
Dr. René Siegl ist Geschäftsführer der österreichischen Betriebsansiedlungsagentur ABA-Invest in Austria.