Durchregieren funktioniert nicht mehr: Vorgesetzte müssen ihre Mitarbeiter überzeugen, wenn sie mehr Leistung und Einsatz wollen. Besonders hohe Einsatzbereitschaft ist nur gegen Offenheit und Mitsprache zu erwarten.
Schneller, höher, weiter – was im Spitzensport Leistungsansporn ist, führt im Unternehmensalltag oft zu mehr Fehlern und abgekämpften, unwirschen Mitarbeitern: „Mehr“ ist hier nicht automatisch „besser“. Beschleunigung und hohe Arbeitsdichte werden schnell zur Falle.
Ob ein Angestellter den Aktenberg oder die Mailhaufen konzentriert wegarbeitet oder ein Blick darauf ihn dazu bringt, erst einmal die nächste Ferienreise zu planen, hängt davon ab, was nach dem Wegschaffen kommt: ein Chef, der ungefiltert Nachschub liefert oder der Raum für eigene Ideen und einen eigenen Arbeitsrhythmus schafft?
Es klingt banal, wird aber selten beachtet: Mitarbeiter wollen Sinn in ihrer Arbeit finden und anerkannt werden. Das entfacht ihre Energie und die Lust an Leistung. Für die Bedingungen sind die Führungskräfte verantwortlich. Sie schaffen das Drumherum.
Der Chef hat’s in der Hand
Heike Bruch, Personalprofessorin an der Uni St. Gallen, rät Firmen daher, Personalinstrumente nicht von der Stange zu kaufen oder pauschal umzusetzen. Seit 2005 entwickelt sie für den Arbeitgeberwettbewerb Top Job kontinuierlich Fragebögen für Geschäftsführer, Personaler und Mitarbeiter.
Wie begeistert oder frustriert, wie inspiriert oder ausgebrannt, wie stolz oder distanziert die Beschäftigten sind, können Chefs beeinflussen, wenn sie Mitarbeiter nach ihren Einstellungen und ihrer Einsatzbereitschaft fragen – und dann die Rahmenbedingungen für Engagement und Hochleistung schaffen. „Allerdings muss man ausreichend Zeit einkalkulieren“, so Bruch, „denn die Instrumente entfalten ihre Wirkung erst, wenn sie vom Mitarbeiter angenommen werden.“
Wie das praktisch funktioniert, zeigt die Pharmafirma Actelion Deutschland in Freiburg. Die Marketing- und Vertriebstochter des Schweizer Konzerns hat 2013 mit Top Job erstmals ihre Arbeitgeberqualitäten überprüft. Da war noch Luft nach oben – und das Management ging einen Schritt weiter: Die 80 Beschäftigten wurden gefragt, was sich konkret ändern soll.
Danach wurden der Bonus umgestaltet, Vertrauensarbeitszeit durch klare Vertretungsregelungen und verfeinerte Software ergänzt, Fitnessstudios bezuschusst und Zusatzversicherungen für Reisen, Unfälle, Alter und Heilpraktiker abgeschlossen.
Aber vor allem werden jetzt die administrativen Aufgaben in A- bis C-Kategorien gefasst, damit die Verwaltung nicht schleichend zu viel Zeit kostet, Zielvereinbarungen kontinuierlich diskutiert und Weiterbildungswünsche schnell realisiert. „Manager sollten Rahmenbedingungen für gutes Arbeiten schaffen“, findet Personalchef Sascha Kleine. „Dazu gehört das Vorleben im Umgang mit Handy und iPad ebenso wie die Mid-Year-Tagung in der Besenwirtschaft.“ Im europäischen Actelion- Wettbewerb steht die deutsche Tochter jetzt an der Spitze.
Offensichtlich kam mit der Investition in den Wandel bei Actelion der Geschäftserfolg. Stephan Penning, Geschäftsführer von Penning Consulting in Düsseldorf, beobachtet hingegen oft, dass Mitarbeiter in Routine verharren. „Belastung ist in der Arbeit wie beim Sport subjektiv“, sagt der Experte, der auch als Mittelstandsbotschafter des Creditreform-Magazins bloggt. „Trainiere ich den Muskel nicht, wird er unbeweglich.“ Aber genauso oft rühren sich auch die Chefs erst, wenn der Leidensdruck hoch ist: Marktanteile gehen verloren, gute Mitarbeiter verlassen die Firma.
„Trägt das Team Verantwortung, sind die Mitglieder stolz auf ihre Erfolge. Negative Stimmungsmacher aber gilt es einzufangen.“ Stephan Penning, Penning Consulting
Um den Umschwung zu schaffen, müssen Führungskräfte wie Mitarbeiter eine Forderungshaltung entwickeln. „Wenn ich das Ziel habe, eine Meile mehr zu machen, muss Veränderung zum Teil des Jobprofils werden“, fordert Psychologe Penning. „Trägt das Team Verantwortung, sind die Mitglieder stolz auf ihre Erfolge, haben Lust und Spaß an der Arbeit.“ Freiwillige Veränderungsträger ziehen die anderen mit. „Das weckt den Neid der Neutralen“, schildert er und warnt: „Negative Stimmungsmacher in der Kaffeeküche sind dagegen so gut es geht einzufangen.“
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