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Die ifm-Gruppe ist in mehrfacher Hinsicht ein doppeltes Familienunternehmen: Zwei Gründer, deren Söhne ihnen nahezu zeitgleich nachfolgten. Zwei rund 600 Kilometer voneinander entfernte Hauptstandorte. Zwei Mentalitäten, ein gemeinsames Ziel: Die besten Sensoren und Systeme für Automatisierung, Robotik und Industrie 4.0 zu entwickeln und zu verkaufen.

 

Wenn Martin Buck eine Präsentation vor Führungskräften oder Mitarbeitern beendet, dann endet er gerne mit einem Zitat aus der auf 64 Seiten niedergeschriebenen Unternehmensphilosophie der ifm-Gruppe.

Oft fällt dabei der Leitsatz „In Sicherheit erfolgreich groß werden“. Er klingt banal. Und doch sei darin gut zusammengefasst, was die Gründer der damaligen Ingenieurgemeinschaft für Messtechnik vor 51 Jahren angetrieben habe, sagt Buck.

Die Gründer, das waren 1969 mit 21.000 D-Mark Stammkapital sein Vater Robert Buck und dessen Partner Gerd Marhofer und Bernd Rüsing. Der Erste ein Elektroingenieur und Tüftler vom Bodensee, der Zweite ein Vertriebsprofi aus dem Ruhrgebiet mit guten Kontakten in die Industrie. Rüsing war der Finanzchef, schied allerdings 1971 schon wieder aus dem Unternehmen aus.

„Mein Vater, ganz Schwabe, war immer auf Sicherheit bedacht. Er wollte, dass das Unternehmen langsam wächst, und hat sehr großen Wert auf die Qualität gelegt. Gerd Marhofer als Vertriebler hingegen hat immer gleich groß gedacht, wollte schnelles Wachstum und neue Märkte erschließen“, sagt Martin Buck.

Der 50-Jährige führt die Unternehmensgruppe als Vorstandsvorsitzender seit 2001 gemeinsam mit Gerd Marhofers Sohn Michael. Buck verantwortet wie sein Vater die Produktion und Entwicklung am Standort in Tettnang am Bodensee, Michael Marhofer leitet am Hauptsitz in Essen den Vertrieb und alles, was damit zusammenhängt.

 

Schwäbische Tüftler und Ruhrpottcharme

Tettnang und Essen, schwäbische Tüftler und kontaktfreudige Menschen im Kohlenpott, Sicherheit und Wagnis – bis heute ist die ifm-Gruppe zwischen diesen Polen aufgebaut.

Dass dann auch noch die Söhne der Gründer, weder verwandt noch verschwägert, nahezu zeitgleich die Verantwortung übernehmen und ähnliche Rollen ausfüllen wie ihre Väter, macht ifm zu einem besonderen, sozusagen zu einem doppelten, Familienunternehmen.

Die rund 600 Kilometer Abstand und die verschiedenen Mentalitäten im Süden und im Westen Deutschlands empfinden Buck und Marhofer dabei nicht als Nachteil. „Im Gegenteil“, sagen sie. „Wir haben am Bodensee unser eigenes Ökosystem, die Kollegen in Essen genauso. Natürlich entstehen durch Unterschiede auch Spannungen, aber die sehen wir eher als Energielieferant und Antrieb.“

Der Erfolg gibt ihnen recht. Mit rund einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr 2019 und knapp 7.000 Mitarbeitern an Standorten in Deutschland, Polen, Rumänien, Singapur und den USA sowie weltweit verteilten Vertriebsbüros ist ifm ein Hidden Champion bei der Entwicklung und Produktion von elektronischen Sensoren aller Art.

Sie messen Positionen, Temperatur, Drehzahl, Strömungsgeschwindigkeiten, Füllstände oder Drücke in Produktionsanlagen und Werkzeugmaschinen, in der Lebensmittelindustrie, in Baggern, Kränen und Müllfahrzeugen oder in Windkraftanlagen und Schleusen.

„Egal ob Verbraucher ein Auto kaufen oder einen Becher Joghurt“, sagt Martin Buck, „irgendwo in der Wertschöpfungskette hatten die Produkte Kontakt mit unseren Sensoren.“

„Es geht nicht mehr nur darum, Maschinen zu steuern, sondern Daten zu sammeln, sie auszuwerten und daraus Schlüsse zu ziehen.“

Martin Buck

Vom berührungslosen Endschalter zur Industrie 4.0

Oder besser gesagt: beinahe Kontakt. Denn ifm ist groß geworden mit berührungsloser Sensorik. „Es ging immer darum, mechanische Sensoren und Schalter, die irgendwann verschleißen, durch verschleißfreie Technologie zu ersetzen“, erklärt der Technikchef.

Mit dieser Idee ersann Robert Buck 1969 in seiner 80-Quadratmeter-Wohnung in Tettnang den ersten induktiven Endschalter für 220 Volt Netzspannung.

Gerd Marhofer hatte er zuvor bei der Inbetriebnahme einer Anlage im Elsass kennengelernt. Kurze Zeit später kam der begeisterte Vertriebler Marhofer auf den Ingenieur Buck zu.

Er schlug ihm vor, einen Sensor zu entwickeln, der fehleranfällige mechanische Endschalter ersetzen könne, wie er an vielen Produktionsbändern zum Einsatz kam, um beispielsweise Transportschlitten rechtzeitig vor dem mechanischen Anschlag zu stoppen.

Der Rest ist Firmengeschichte. Heute bilden die Produkte von ifm die Basis für Automatisierung, vernetzte Produktion und die Industrie 4.0. „Es geht nicht mehr nur darum, Maschinen zu steuern“, sagt Martin Buck, „sondern Daten zu sammeln, sie auszuwerten und daraus Schlüsse auf den Zustand der Anlagen zu ziehen oder deren Produktivität zu steigern.“

Zusätzlich zur Sensorik hat ifm deshalb in den vergangenen Jahren das Portfolio erweitert und bietet komplette Systeme an. Unter anderem waren die Sensorexperten an der Entwicklung des Kommunikationsstandards IO-Link beteiligt, der als Grundlage für Industrie-4.0-Anwendungen gilt.

Mit sogenannten Mastern liefert ifm auch die passende Hardware. An sie werden Sensoren angeschlossen, um Daten an die IT-Umgebung oder in eine Cloud zu übertragen.

Martin Buck ist mehr Manager und weniger Tüftler als sein Vater. Doch nach Stationen als Ingenieur in der Halbleitersparte von Siemens sowie im Vertrieb beim Chiphersteller AMD brachte er wichtiges Know-how mit ins Unternehmen.

Von langer Hand geplant war die Nachfolge allerdings nicht. „Ich wollte nach dem Studium unabhängig sein“, sagt Buck. Ähnlich ging es Michael Marhofer, der sich mit einem Unternehmen für Druckdienstleistungen selbstständig gemacht hatte. Im Spaß habe er mal gesagt, er steige bei ifm erst ein, wenn er den Laden kaufen könne.

Dass es anders kam, ist dem Umstand geschuldet, dass die Gründer auch bei der Übergabe vieles richtig gemacht haben. „Sie haben uns sehr früh schon Unternehmensanteile übertragen“, sagt Martin Buck, der so schon lange Gesellschafter war, bevor er ins Unternehmen kam.

Zwar nur auf dem Papier und ohne Stimmrechte und Ausschüttungen, aber das habe gereicht, um stets doch einen gewissen Sog und ein Verantwortungsgefühl zu erzeugen.

Der Heimat verbunden

Hinzu kommt bei beiden Vorstandsvorsitzenden die Verbundenheit zu ihrer Heimat. Der leidenschaftliche Segler Martin Buck konnte der Bodenseeregion treu bleiben, in der ifm rund 3.500 Mitarbeiter in mehreren Entwicklungs- und Produktionswerken beschäftigt.

Gut 70 Prozent der Produkte fertigt ifm noch in Deutschland. Aus Überzeugung: „Wir haben Produktion und Entwicklung eng miteinander verzahnt“, erklärt Buck. „Wenn wir innovativ sein wollen, kann die Innovation nicht vor der Fertigung haltmachen.“

Erst mit zunehmendem Wachstum nach der Finanzkrise 2009 konnte ifm die Nachfrage nicht mehr komplett aus Deutschland bedienen und begann, Werke in Polen, Singapur, Rumänien, Indien und den USA aufzubauen.

Die starke Fokussierung auf Deutschland und die hohe Fertigungstiefe – ifm stellt einen Großteil der Komponenten für seine Produkte selbst her – haben dem Unternehmen geholfen, in den vergangenen Monaten lieferfähig zu bleiben.

„Natürlich waren wir auch vom Lockdown betroffen“, sagt Buck. Zwischenzeitlich haben 80 Prozent der Mitarbeiter, die im Büro arbeiten, im Homeoffice gearbeitet. Und natürlich habe es bei einigen wenigen zugekauften Teilen Beschaffungsschwierigkeiten gegeben.

„Aber mit großen Anstrengungen im Einkauf ist es uns durch die gesamte Corona-Zeit gelungen, weiter zu produzieren und zu liefern“, sagt Buck. Zumal ein Teil der ifm-Produkte für systemrelevante Bereiche vorgesehen war, etwa optische Sensoren für die Lebensmittelindustrie oder Durchflusssensoren für Beatmungsgeräte.

Diversität schafft Sicherheit

Spurlos geht die Corona-Krise aber auch an ifm nicht vorbei. „Auch wir haben Kurzarbeit angemeldet“, räumt Buck ein. „Nicht weil wir Werke zeitweise schließen mussten, sondern weil auch bei uns die Nachfrage spürbar eingebrochen ist, vor allem vonseiten der Automobilindustrie und des Werkzeugmaschinenbaus.“

Für das Geschäftsjahr 2020 geht er von einem Umsatzrückgang zwischen zwei und drei Prozent aus. Zum Vergleich: In einer Umfrage des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) gaben sechs von zehn Unternehmen an, dass sie für 2020 mit einem Umsatzrückgang von zehn bis 30 Prozent rechnen.

„Uns hilft, dass unsere gut 170.000 Kunden aus völlig verschiedenen Bereichen kommen. Wir achten schon bei der Entwicklung darauf, dass unsere Sensoren in möglichst vielen Branchen ihren Dienst tun und so universell wie möglich sind“, sagt Buck, der – ganz wie sein Vater – nicht von einzelnen Industrien abhängen möchte. Da ist sie wieder, die in der Firmenphilosophie verankerte Sicherheit.

Die Gründer sind in der Anfangszeit bewusst nicht an die großen Erstausrüster herangetreten, sondern haben direkt die Anwender angesprochen.

„Sie wussten, dass sie dort keine großen Stückzahlen verkaufen können, waren aber überzeugt davon, dass sie den Markt auf einer breiten Basis von unten aufrollen können“, erinnert sich Martin Buck – und beschreibt eine weitere Eigenschaft, die ifm bis heute auszeichnet: Optimismus.

1967 etwa kauften Robert Buck und Gerd Marhofer zu einem sehr guten Preis das Gelände und die Gebäude einer ehemaligen Textilfabrik in Tettnang. „Das alles war viel zu groß, aber sie waren der festen Überzeugung, dass sie all die leeren Hallen irgendwann schon füllen würden“, berichtet Martin Buck.

Und auch für die Zwischenzeit fand sich eine kreative Lösung: Ein Teil der Gebäude wurde kurzerhand zur Tennis- und zur Festhalle umfunktioniert.

 

51 Jahre ifm

1969  Gründung der ifm Electronic Geräte GmbH

1972  ifm erreicht einen Umsatz von 2,5 Millionen D-Mark und beschäftigt 36 Mitarbeiter

1976  Umzug der Fertigung von Wasserburg nach Tettnang auf rund 1.000 Quadratmeter Fläche

1978  Aufbau des internationalen Vertriebs mit den ersten fünf Auslandsbüros

1990  ifm veröffentlicht seine „Visionen, Philosophie, Leitsätze“ in gebundener Form

1996  ifm produziert erstmalig fünf Millionen Sensoren und Schaltungen pro Jahr

2001  Martin Buck und Michael Marhofer übernehmen als geschäftsführende Gesellschafter die Unternehmensleitung

2006  ifm beteiligt sich in einem Konsortium an der Entwicklung des Verbindungsstandards IO-Link

2013  Mit rund 600 Patenten, 5.000 Mitarbeitern und mehr als 600 Millionen Euro Umsatz gehört ifm zu den Weltmarktführern für elektronische Sensoren

2019  Der Gesamtumsatz der ifm-Gruppe erreicht erstmals knapp eine Milliarde Euro