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Mit smarten Technologien ausgestattet, begegnen Verkäufer den zunehmend gut informierten Kunden auf Augenhöhe und haben bessere Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss.

Im Kampf gegen die großen Wettbewerber sucht der Frankfurter Einzelhändler Joachim Stoll immer wieder neue Möglichkeiten, den Service zu verbessern. In seinem Ladengeschäft Leder-Stoll in der Schäfergasse nutzen seine Mitarbeiter neuerdings ein iPad als Verkaufshilfe. Damit prüfen sie im Verkaufsgespräch nicht nur schnell die Warenverfügbarkeit und geben dem Kunden weitergehende Produktinformationen wie Stabilität und Rolleigenschaften der ausgewählten Koffer. Sie können auch direkt mit ihnen im ebenfalls von Stoll betriebenen Online-Shop Koffer24.de nach anderen Farben, Formen und Größen Ausschau halten und diese sofort über das iPad bestellen.

„Wir schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Stoll zufrieden, „wir erweitern unsere begrenzte Verkaufsfläche und verlieren keinen potenziellen Käufer, nur weil wir das Produkt in seiner Wunschfarbe nicht im Geschäft haben.“ Selbstverständlich könnten die Mitarbeiter alles auch im Warenwirtschaftssystem nachsehen: „Dann müssten sie sich allerdings hinter dem Ladencomputer verschanzen und den Kunden quasi alleinlassen“, erklärt Stoll den Nachteil und ergänzt: „Anschließend müssten sie die Bestellung im System händisch eingeben, ohne zu wissen, ob das Produkt tatsächlich noch erhältlich ist.“

Handwerkszeug der Zukunft

Tablets und Smartphones verbreiten sich rasant: Bereits jeder vierte Deutsche über 14 Jahre nutzt nach Angaben des Berliner Hightech-Verbands Bitkom ein Tablet, rund 30 Millionen Smartphones werden allein in diesem Jahr verkauft. Derart technisch hochgerüstet, kommt die kaufkräftige Zielgruppe immer besser informiert in die Läden und vergleicht vor Ort beispielsweise Produkte und Preise. Händler kommen deshalb nicht darum herum, nachzurüsten, wenn sie Kunden gewinnen und vor allem halten wollen. „Smartphone, Tablet und nachfolgende Geräte werden in Zukunft zum Handwerkszeug der Verkäufer gehören wie früher Kugelschreiber und Preisauszeichner“, ist Andreas Haderlein, Innovationsberater aus Frankfurt, überzeugt. „Ihre Aufgabe ist es, sich gleichberechtigt zu bewaffnen und auf dem gleichen Wissensstand wie der Kunde zu sein“, führt der Mitautor der Studie „Sales Trends“ des Zukunftsinstituts aus. Doch nicht nur zur Verkaufsförderung können die smarten Helfer eingesetzt werden. Mit ihnen ist es auch möglich, Warenwirtschaftsprozesse zu optimieren – vom Abrufen des Lagerbestand über die Annahme von Bestellungen und das Erteilen von Auskünften bis zum mobilen Kassieren. Tablets lassen sich zudem als mobile Kassenlösung nutzen: Mobile-Payment-Anbieter wie Payleven (www.payleven.de), Streetpay (www.streetpay.de) oder iZettle (www.izettle.de) verwandeln mit kleinen Kartenlesegeräten die Smartphones der Händler in Bezahlterminals, andere, wie Sum-Up (www.sumup.de) oder Orderbird (www. orderbird.de) haben iPads mit Apps und Extras wie Ständer und Geldschublade zu einfach zu bedienenden Kassensystemen umfunktioniert.

Ein iPad-Kassensystem von Orderbird nutzt etwa die Berliner Jungunternehmerin Uli Marschner in ihrem Germknödelladen Häppies. „Mit meinem Geschäftskonzept will ich zeigen, dass das Essen nicht immer kompliziert und teuer sein muss – dasselbe erwarte ich von einem Kassensystem“, erläutert sie. Es besteht aus einem iPad, einer App, einer Kassenlade und einer Softwarelizenz für ein Jahr. Im iPad hat Marschner ihr gesamtes Sortiment gespeichert, per Touch-Funktion wird der richtige Preis angezeigt. Wie traditionelle Kassensysteme bietet es alle wichtigen Informationen wie die Umsatzstatistiken und die am meisten bestellten Produkte. Sogar eine Datev-Anbindung zu ihrem Steuerberater ist vorhanden. Mit ihrem iPad nimmt Marschner die Bestellungen im Laden oder im Sommer draußen auf und sendet sie über WLAN an das Kassensystem. „Meine Kunden finden es toll, dass ich technisch up to date bin“, erklärt sie.

Andere Unternehmer gehen da sogar noch einen Schritt weiter:

Die Restaurants La Baracca in der modernen Hamburger Hafencity sowie das Atelier F in der Kaufmannspassage lassen ihre Gäste erst gar nicht auf die Bedienungen warten. Jeder Gast bekommt direkt ein Tablet als multimediale Speisekarte in die Hand, auf dem er seine Bestellungen direkt in die Küche oder an die Bar schickt.

Vorreiter USA

Zum Alltag gehören die smarten Verkaufshelfer allerdings noch lange nicht. Bisher sind es erst weniger als zehn Prozent der Händler, die diese Technik in ihren Geschäften nutzen, so die Ergebnisse einer Studie der Münchner Multi-Channel-Kommunikationsagentur Interone. In den USA ist man da schon weiter: Laut Gartners Studie „Tablets on the Rise“ aus dem letzten Jahr planen 57 Prozent der Einzelhändler in den kommenden zwei Jahren eine Einführung von Tablets in ihren Arbeitsalltag.

Einige Schritte voraus ist da schon der Frankfurter Einzelhändler Joachim Stoll: Er nutzt für den eigenen Laden die Cross-Channel-Plattform von Storeplus (www.storeplus.de). Die Lösung besteht aus einem iPad mit Software und Produktcode-Scanfunktion. Nun bietet der gewiefte Kaufmann den Händlern aus seinem Einkaufsverbund an, sich ebenfalls die Soft- und Hardware bei Storeplus zu mieten und damit auf sein großes Online-Lager zuzugreifen – samt Lieferantenservice. Für beide Seiten ein lohnendes Geschäft: „Wir drehen unser großes Online-Lager schneller, und die kleineren Händler ohne eigenes Lager können damit ihre Kunden im Laden halten“, sagt Stoll, der schon an einer neuen Idee tüftelt: ein iPad als Selbstbedienungstool, an dem die Kunden das Sortiment durchstöbern können, bevor sie sich gezielt beraten lassen. „Gerade unsere jüngeren Kunden wollen das iPad am liebsten erst einmal selbst in die Hand nehmen“, beobachtet er.

 

Im Handel verrichten smarte Geräte als Informations- oder Beratungstools sowie als mobile Kassenlösung gute Dienste. Hier einige Anwendungsbeispiele:

  • Kasse: Mit kleinen Kartenlesegeräten werden Tablets und Smartphones zu Bezahlterminals; iPad-Kassensysteme mit Apps ersetzen komplette Kassensysteme.
  • Beratung: Im Geschäft führt der Verkäufer den Kunden auf dem „Wir-Gerät“-Tablet durch Anwendungsszenarien eines Produkts, erklärt die Funktionen oder gibt dem Kunden das Tablet in die Hand und steht beratend neben ihm.
  • Kundenservice: Das Tablet als Selbstbedienungstool für Kunden, die sich damit einen Überblick über das Sortiment verschaffen und Produkte vergleichen. <BR/>
    Vergrößerung des Geschäfts: Kleinere Läden erweitern ihr beschränktes Sortiment mit Produktpräsentationen in den virtuellen Raum und nutzen Aktionsflächen auf dem Terminal.
  • Abfrage des Lagerbestands: Steht ein Produkt nicht im Regal, kann der Verkäufer sofort mit dem Kunden prüfen, ob es auf Lager ist.
  • Verbindung zum Online-Shop: Ist die Ware nicht im Geschäft verfügbar, kann der Kunde es noch im Laden via Tablet direkt im Online-Shop oder in einem angebundenen Partnershop kaufen.