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Creditreform

In Zeiten explodierender Energiekosten lohnen sich Effizienzinvestitionen auch im Mittelstand immer mehr. In welchen unternehmerischen Feldern das größte Einsparpotenzial schlummert – und wie Betriebe mit Mehrausgaben ihre Finanzierungsstruktur von morgen schon heute entscheidend verbessern.

Anfang Dezember wird es ernst: Bis dahin müssen auch mittelständische Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz ihren Strom- und Wärmeverbrauch exakt gemessen und ausgewiesen haben. Das schreibt das neue „Energieaudit“ auf europäischer Ebene vor. Auch den deutschen Mittelstand sparen Brüssel und die nationalen Regierungen nicht aus, soll das Ziel von 20 Prozent verbesserter Energieeffizienz europaweit bis zum Jahr 2020 noch Wirklichkeit werden. Rund 50.000 Unternehmen hierzulande sind nach Schätzungen vom Energieaudit betroffen.

Auch Dienstleister in der Audit-Pflicht

Manchem Mittelständler, der bis dato eher einen Bogen um das Thema Energieeffizienz gemacht hat, könnte dann schlagartig Schwarz auf Weiß klar werden, wie hoch sein Verbrauch und damit seine Ausgaben für Strom und Wärme eigentlich sind. „Auch Dienstleistungsunternehmen müssen sich dann in Zukunft stärker mit Energiekosten und Energieeffizienz beschäftigen“, sagt Ingrid Spletter-Weiß voraus. Sie leitet das Kompetenzzentrum Energie der Commerzbank.

Wärmebedarf dominiert
Anteil des Endenergieverbrauchs der deutschen Industrie (2012)
laut DENEFF-„Branchenmonitor 2014“

Prozesswärme: 64 Prozent
mechanische Energie: 22 Prozent
Raumwärme: 9 Prozent
Beleuchtung: 2 Prozent
Sonstiges: 3 Prozent

Auch wenn aktuell der Ölpreis so niedrig ist wie seit Jahren nicht und zudem die EEG-Umlage im laufenden Jahr eine Verschnaufpause eingelegt hat – die Preispfeile für Strom und weitere unternehmenswichtige Energieträger zeigen mittel- bis langfristig klar nach oben. Oliver Bortz, Leiter Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank, sieht vor allem den Mittelstand gefordert: „Die Energiekosten spielen für den deutschen Mittelstand eine immer größere Rolle.“ Und anders als den großen Industriebetrieben fehlt es Mittelständlern oft an der Durchsetzungskraft, um im politischen Raum Gehör zu finden. Bortz: „Gerade mittelständische Betriebe kommen häufig nicht in den Genuss von Vergünstigungen, die an einen Mindestverbrauch gekoppelt sind.“

Unbeachtetes Sparpotenzial

Dabei haben es die Firmen primär selbst in der Hand, etwas gegen steigende Ausgaben für Strom und Energie zu tun. Mit der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) mit Sitz in Berlin trommelt schon ein eigener Interessenverein für das Thema. „Immer mehr Unternehmer erkennen, dass Energieeffizienzmaßnahmen der beste Schutz gegen steigende Kosten sind“, sagt Deneff-Industrieexpertin Charlotte Ruhbaum.

Da jedoch nur wenige Firmen so hohe Strom- und Energiekosten haben wie Galvanikbetriebe oder Aluminumhütten, machen die Energiekosten von Mittelständlern im Schnitt nach Deneff-Angaben weniger als fünf Prozent der Gesamtkosten aus. „Das ist auch der wichtigste Grund dafür, warum viel Einsparpotenzial noch unbeachtet bleibt“, meint Ruhbaum. Doch getrieben von der weltweiten Konkurrenz aus Fernost oder aus dem neuen Billigenergieland USA unterziehen mehr und mehr deutsche Firmen ihre Energiebilanz einer strengeren Kostenkontrolle.

Rund zwei Drittel des Energieverbrauchs in der Industrie entfallen auf Wärmeanwendungen, vor allem bei energieintensiven Prozessen zum Schmelzen oder Härten. Hier sind die Produktionsprozesse nach Auskunft von Jochen Oberlack, Fachmann der WGZ Bank beim Thema Investitionsförderung, oft schon ausgefeilt, das Sparpotenzial entsprechend begrenzt. „Beleuchtungs- und Beheizungstechnik bieten dagegen noch vielfältigen Spielraum für Verbesserungen“, sagt Oberlack. Eine „naheliegende Möglichkeit“ zum Stromsparen sieht auch Deutsche-Bank-Experte Bortz bei „Druckluft, Beleuchtung und drehzahlgeregelten Pumpen“. Die Kraft-Wärme-Koppelung, bei der zugleich mechanische Energie in Form von Strom sowie nutzbare Heiz- oder Prozesswärme gewonnen werden, bietet nach seinen Worten ebenfalls gute Chancen. „Optimierungsansätze“ hat Oberlack, zudem im IT-Bereich ausgemacht: „Manche Experten rechnen hier mit bis zu 75 Prozent Einsparpotenzial.“

Break-even verzögert sich

Investieren lässt sich viel – doch am Ende des Tages muss sich das Geld auch amortisieren. Commerzbank-Expertin Spletter-Weiß rechnet vor: „Viele Projekte erreichen bereits nach zwei Jahren ihren Break-even, andere erst nach fünf bis sechs Jahren. “ Das Kernproblem von Investitionen in Energieeffizienz ist indes, dass sie mit sonstigen Investitionen in die Produktionsanlagen konkurrieren – „und bei denen werden positive Rückflüsse oft schon nach drei Jahren erwartet“, meint Bortz.

„Wichtig ist, dass die Unternehmen nicht allein auf die Amortisationszeiten schauen, da sonst viele Investitionen mit attraktiven internen Verzinsungen nicht getätigt werden“, rät Ruhbaum. Investitionen in mehr Energieeffizienz bringen laut Ruhbaum „schon heute oft interne Verzinsungen von zehn Prozent und mehr“. Hinzu kommt, dass im besten Fall langfristig die Innenfinanzierungskraft steigt. „ Das eröffnet Möglichkeiten, zukünftig mehr Geld in das Kerngeschäft zu lenken“, sagt Spletter-Weiß.

Zugreifen bei Förderprogrammen

Staatliche Förderprogramme helfen bei der Finanzierung und verbessern die Finanzierungsstruktur abermals. „Selbst beim historisch niedrigen Zinsniveau dieser Tage bieten Förderkredite immer noch einen weitergehenden Vorteil im Vergleich zu marktüblichen Kreditfinanzierungen“, berichtet Oberlack. Er rät vor allem zum KfW-Programm „Erneuerbare Energien Premium“. Hier gebe es für energiearme Anlagen zur Dampf- und Wärmeproduktion nicht nur günstige Zinsen, sondern auch attraktive Tilgungszuschüsse.

„Auch bei der Finanzierung von Innovationen können staatliche Programme helfen“, erklärt Deutsche-Bank-Fachmann Bortz. „Neben den Zinsvergünstigungen spielen hier vor allem Garantien eine Rolle.“ Die Deutsche Bank bietet für innovative Unternehmen eine entsprechende Lösung des Europäischen Investitionsfonds an.

Im offiziellen Ratingverfahren der Banken spielt das Thema Energieeffizienz keine systematische Rolle – zumindest noch nicht. „Wir wissen aber, dass viele Finanzdienstleister derzeit intensive Überlegungen hierzu anstrengen“, meint Deneff-Expertin Ruhbaum. WGZ-Bank-Vertreter Oberlack bestätigt, dass „bei mehr und mehr Banken der Aspekt Energie beziehungsweise Energieversorgung ein hinreichend wertiger Bestand des Ratingdialogs“ wird.