Beim Software-Haus Agenda werben die eigenen Mitarbeiter um neue Kollegen. Auf der Karriere-Webseite des Rosenheimer Unternehmens liefern die Angestellten Argumente für potenzielle Bewerber: große Büros mit moderner Ausstattung, Hobby-Sportgruppen und ein regional attraktiver Firmenstandort in der Nähe der Alpen. „Agenda ist ein modernes IT-Unternehmen – und das soll man auch sehen“, sagt Marketingleiter Sebastian Theisen.
Die Webseite sei daher ein wichtiger Baustein beim Recruiting neuer Fachkräfte. „Ein Karriere-Bereich ist weit mehr als die reine Auflistung der offenen Stellen“, betont Theisen. „Als Arbeitgeber haben wir unseren Mitarbeitern viel zu bieten – warum sollten wir das nicht zeigen?“ Bei Agenda reizt unter anderem der Standort. Ein Video stellt die Region Rosenheim vor. „Multimedia-Inhalte ermöglichen eine sehr einfache Informationsvermittlung und laden die präsentierten Inhalte emotional sehr stark auf“, so Theisen. „Da ein Wechsel zu Agenda für manche Bewerber aus anderen Regionen zwangsläufig mit einem Umzug verbunden ist, wollten wir neben den Vorzügen der Firma auch die Vorzüge der Region darstellen. Schließlich geht es im Leben nicht nur ums Arbeiten, sondern auch um die Erholung in der Freizeit. “
Was Theisen zudem betont: „Viele unterschätzen die interne Wirkung eines solchen Karriere-Projekts. Hier haben wir bereits sehr viel Feedback bekommen.“ Die Mitarbeiter selbst haben das Video in sozialen Netzwerken verbreitet. Allein über Facebook erreichte das Karriere-Video in den ersten Tagen mehr als 1.300 Personen. „Auf diese Weise fungieren alle Agenda-Mitarbeiter als Markenbotschafter“, so Theisen. „Deshalb haben wir bei der Erstellung der neuen Seite unsere Mitarbeiter aktiv miteinbezogen – sei es in Form von Fotos oder im Bewegtbild.“
Fest steht: Der Stellenmarkt hat sich längst ins Internet verlagert. Drei Viertel der deutschen Unternehmen schalten laut Bitkom-Studie hier ihre Anzeigen. „Online-Recruiting ist mittlerweile für fast alle Arbeitgeber das absolute Key-Medium in ihrer Recruiting-Strategie“, sagt Dr. Sacha Knorr, Marketingleiter bei der Jobbörse StepStone. Vor allem lässt sich die Effizienz des Kanals gut kontrollieren, denn Unternehmen erhalten eine genaue Angabe, wie viele User sich die Stellenanzeige angesehen haben – ob nun auf der eigenen Karriere-Webseite oder in einer Online-Jobbörse. „Das Internet ist für Akademiker unter 40 Jahre wichtiger als die Zeitung, wenn es darum geht, sich zu informieren“, so Knorr. „Daher sollten sich Unternehmen dort als attraktive Arbeitgebermarke positionieren.“
Hier herrscht aber offenbar noch Nachholbedarf. Im Rahmen einer StepStone-Studie von 2012 mit 13.000 Teilnehmern kam heraus: Zwei Drittel der Kandidaten finden, dass sich gängige Stellenanzeigen zu wenig voneinander abheben. Als Konsequenz sollten Arbeitgeber individuelle Akzente für ihre Marke setzen, empfiehlt Knorr.
Eine eigene Karriere-Webseite bleibt daher Dreh- und Angelpunkt der Recruiting-Aktivitäten. „Egal, von welcher Quelle der Bewerber kommt, ob von einer Stellenanzeige, einer Facebook-Seite, einem Unternehmensprofil auf einer Karriere-Plattform oder über eine Mitarbeiter-Empfehlung: Er möchte mehr Infos über das Unternehmen“, sagt Henner Knabenreich, Inhaber und Geschäftsführer von knabenreich consult. „Ergo steuert er die Webseite an, die hoffentlich die gesuchten Infos bereithält“, so der Recruiting-Experte. Je mehr Infos der Bewerber findet, desto größer ist die Chance, einen Selbstabgleich vornehmen zu können. „Schließlich suchen Unternehmen nicht möglichst viele, sondern die passenden Bewerber“, sagt Knabenreich. Zahlreiche Firmen betreiben solche Seiten mittlerweile. Wichtig: Die Karriere-Webseite sollte ausführliche Informationen über das Unternehmen liefern (siehe Kasten).
Denn in immer enger werdenden Märkten muss sich der Arbeitgeber bei potenziellen Mitarbeitern bewerben. „Das gilt heute auch schon bei den 15- oder 16-jährigen Auszubildenden“, sagt Lutz Altmann, Geschäftsführer des Recruiting-Beratungshauses humancaps. „Das ist in vielen Unternehmen eine Kulturrevolution. Aber wer das nicht annimmt, bekommt in einigen Jahren definitiv Probleme.“ Die Unternehmen müssen sich für diesen Markt fit machen, rät Altmann. Vor allem müsse das Personalmarketing zielgruppenorientierter werden. Der Weg in soziale Netzwerke kann dann vielversprechend sein, das Allheilmittel ist er aber nicht. „Wir haben da sehr viel Aufgeregtheit in der Branche“, so Altmann. „Das erzeugt eine abschreckende Wirkung bei vielen Unternehmen.“ Und krampfhaft eine Facebook-Fanseite einzurichten, sei wenig sinnvoll.
Der Berater für Online-Personalmarketing empfiehlt Unternehmen, ihre Kommunikationskultur zu verändern: „Auf der Karriere-Webseite geht es auch ums interne Employer Branding“, sagt Altmann. Dieser Bereich sei eine Wertschätzung für die eigenen Mitarbeiter. „Oft sind wir an dem Punkt, an dem Unternehmen ihre Karriere-Webseite schließen möchten, wenn aktuell keine Stellen frei sind – das ist die falsche Einstellung.“ Die Online-Präsenz sei für alle Unternehmen Pflicht, so der Berater. Als Kür empfiehlt Altmann einen Blog und vergleicht es mit einem Haus. „Ich baue mir einen Wintergarten dran, um nach außen gut auszusehen.“ Aber: Es darf nicht nur eine schöne Fassade bleiben, und der Innenausbau wird katastrophal vernachlässigt. „Dann kommt nämlich der Bewerber herein und fühlt sich wie im falschen Film beziehungsweise wie im Rohbau.“
Wenn dieser Grundstein gelegt ist, sollte das Unternehmen überlegen, in welchen Kanälen man aktiv werden möchte. Das kann dann das Recruiting bei Business-Netzwerken wie Xing und LinkedIn sein oder auch die Fanseite in Facebook. „Man sollte dort unterwegs sein, wo auch die Bewerberzielgruppen aktiv sind“, sagt Altmann. Klar ist: Die Kommunikation dort ist anders, ein Unternehmen muss mehr von sich preisgeben. „Aber gerade KMU haben große Chancen, weil ihre Kommunikationsprozesse nicht so schwerfällig wie bei den ‚Großen‘ sind. Der ‚Kleine‘ ist daher besser ausgerichtet auf Social Media.“
Michael Schlösser ELA_2012.pdf 1 10.07.12 11:55
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