Wie hält es der neue Subunternehmer mit dem Arbeitsschutz? Wie der neue Lieferant? Die folgenden Zertifikate helfen Dienstleistern bei der Akquise und entlasten den Auftraggeber in Haftungsfragen.
Optimaler Schutz für die Mitarbeiter während der Arbeitszeit – was für verantwortungsvolle Unternehmer selbstverständlich ist, wurde vom Gesetzgeber sogar verbindlich festgeschrieben: Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ verpflichten den Arbeitgeber zu einer regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung im Betrieb – und zwar unabhängig von der Belegschaftsgröße. Während beispielsweise § 5 ArbSchG die Pflicht des Arbeitgebers zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen regelt und mögliche Gefahrenursachen und -gegenstände konkretisiert, umfasst § 6 eine Dokumentationspflicht von der Gefährdungsbeurteilung, den festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen sowie dem Ergebnis der Überprüfung. Zu Sicherheitsvorkehrungen gehören – je nach Branche und Betrieb – etwa die persönliche Schutzausrüstung für Mitarbeiter ebenso wie Schulungen oder Sicherheitsunterweisungen. „Schließlich nutzt es wenig, wenn der Arbeitgeber Ausrüstung zur Verfügung stellt, der Mitarbeiter diese aber mangels Sicherheitsbewusstsein nicht einsetzt oder nicht weiß, wann und wo er sie tragen muss“, sagt Christoph Zimmermann vom TÜV Rheinland. „Der Arbeitgeber kann die initiale Gefährdungsbeurteilung selbst durchführen oder andere fachkundige Personen beauftragen – wobei die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung der Ergebnisse stets bei ihm liegen“, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Im Zweifelsfall sollten Unternehmer mit wenig Zeit ihre Firma von ausgebildeten Fachkräften auf etwaige Risikofaktoren hin überprüfen lassen und mittelfristig ein Arbeitsschutzmanagementsystem aufbauen, das sämtliche Prozesse zur Prävention von Unfällen und zum Umgang mit Verletzungen und Erkrankungen abbildet. Branchenübergreifende Standards und Regelwerke wie OHSAS 18001 oder die künftige ISO-Norm 45001, die spätestens im nächsten Jahr greifen soll, können dabei helfen.
Darüber hinaus haben sich in Deutschland aber noch andere Regelwerke für den Arbeits- und Gesundheitsschutz etabliert – und zwar solche, die den Arbeitsschutzstandard von Dienstleistern nachweisen sollen, bevor diese beim Kunden tätig werden. „Viele Auftraggeber gehen heute auf Nummer sicher, wenn sie Fremdfirmen und Fremdpersonal für bestimmte Aufgaben heranziehen – und fordern ein entsprechendes Zertifikat“, erzählt Zimmermann aus seiner Auditorenpraxis. Dieses soll nachweisen, dass die beauftragte Firma und ihre Mitarbeiter wichtige Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzrichtlinien beherzigen. Andernfalls drohen auch dem Kunden Imageschäden und sogar Haftungsrisiken.
Arbeitsunfälle reduzieren
Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines Dienstleisters oder Lieferanten ist für viele Abnehmer beispielsweise dessen Unfallstatistik. Die Regelwerke zur Erteilung eines Zertifikats umfassen daher klare Grenzwerte für die Unfallhäufigkeit, die der beauftragte Anbieter einhalten muss – jeweils bezogen auf die vergangenen drei Jahre. Auch das eingangs erwähnte Thema „Mitarbeiterschulung“ ist ein zentraler Aspekt bei den Zertifizierungsverfahren: Sowohl operative Mitarbeiter als auch operative Führungskräfte müssen die erfolgreiche Teilnahme an entsprechenden Prüfungen vorweisen. „Das Einhalten dieser Kriterien trägt wesentlich zu dem Ziel bei, das sämtliche Regelwerke gemein haben: nämlich Arbeitsunfälle systematisch zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden“, so Zimmermann.
Auf welche Zertifikate in welchen Branchen geachtet wird, zeigt die Tabelle. Technische Dienstleister beispielsweise, die ihre Arbeit vor Ort bei Industriekunden erbringen, sollten im Idealfall ein SCC-Zertifikat vorweisen, kurz für „Safety Certificate Contractors“. Ein Regelwerk, mit dem sich arbeits- und sicherheitsrelevante Abläufe sowie die zugehörigen Dokumente zielgerichtet organisieren und managen lassen. Die Dienstleister erhalten je nach Mitarbeiteranzahl entweder ein eingeschränktes SCC*-Zertifikat oder ein uneingeschränktes SCC**-Zertifikat. Hat etwa ein Installationsbetrieb, der mit Aufgaben im Sanitär- und Heizungsbau beauftragt wird, maximal 35 Mitarbeiter, so reicht dem Auftraggeber in der Regel das SCC*-Zertifikat. Damit dokumentiert der Installateur, dass seine Aktivitäten im Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltschutz-Management (SGU) erfolgreich geprüft wurden und er mindestens 27 Pflichtfragen zu 100 Prozent erfüllt hat. Der zugrunde liegende Fragenkatalog umfasst dabei zwölf Kapitel. Diese behandeln Aspekte wie die Gefährdungsbeurteilung, die Vorbereitung auf Notfallsituationen und inwiefern das Unternehmen betriebsärztlich und sicherheitstechnisch betreut wird.
» Viele Auftraggeber fordern ein entsprechendes Arbeitsschutzzertifikat.«
Christoph Zimmermann, TÜV Rheinland
Technische Dienstleister wiederum, zusätzlich zur eigenen Belegschaft Subunternehmen mit Werkverträgen einsetzen oder die mehr als 35 Mitarbeiter haben, sollten sich nach SCC** auditieren lassen. Warum, zeigt das Beispiel des Anlagenbauers Münstermann: Das Unternehmen hat zum einen mit 240 Mitarbeitern weit mehr als die genannten 35 Angestellten und beschäftigt auf den Baustellen zudem Subunternehmer wie etwa Elektroinstallateure. Zum anderen müssen die Sonderanlagen, die Münstermann konzeptioniert und herstellt, direkt vor Ort in die Produktionsprozesse des Auftraggebers integriert werden – das Unternehmen entsendet also regelmäßig viele Fachleute zur Montage beim Kunden, der aus oben genannten Gründen streng auf das Arbeitsschutzniveau seiner Lieferanten achtet. Und drittens hat der Anlagenbauer viele ausländische Auftraggeber etwa aus den Benelux-Ländern, denen die Inhalte des SCC**-Regelwerks ebenfalls bekannt sind. „Wir konnten aber auch feststellen, dass Kunden anderer europäischer Länder wie England oder Länder aus Übersee das Zertifikat anerkennen“, sagt Andre Ewerlin, Qualitätsbeauftragter bei Münstermann. Die Inhalte der SCC**-Zertifizierung sind online zugänglich – und Auftraggeber erhalten so einen guten Überblick, welche Arbeitsschutz- und Umweltanforderungen das Siegel beinhaltet. Und auch vor Ort beim Kunden trägt das Regelwerk zu effizienteren Abläufen bei. „Auf Baustellen geht es auch mal hektisch zu, insbesondere, wenn mehrere Dienstleister eingesetzt sind. Ist der Bereich Arbeitsschutz dann gut organisiert und sind wichtige Dokumente griffbereit, erleichtert das enorm den Arbeitsfluss und mindert den Stress bei unseren Mitarbeitern“, so Ewerlin. So weiß es der Baustellenleiter zu schätzen, wenn er auf Anfrage des Auftraggebers zügig die Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisungen oder die Begehungsprotokolle vorlegen kann. Auf der anderen Seite hat der Auftraggeber mehr Gewissheit darüber, dass die Mitarbeiter seines Dienstleisters die Betriebsanweisungen kennen, die erforderliche persönliche Schutzausrüstung tragen und sicherheitstechnisch einwandfreie und zertifizierte Werkzeuge einsetzen. „Ein guter Rahmen, mit dem ein Unternehmen seine Arbeitsschutzziele effizient erreicht“, findet Andre Ewerlin.
Wichtiges Auditoren-Feedback
Die Wirksamkeit des Regelwerks lässt Münstermann vom TÜV Rheinland prüfen. Im Vergleich zum SCC*-Verfahren liegt der Zertifizierungsprozedur für ein SCC**-Zertifikat ein erweiterter Fragenkatalog zugrunde. Hinzu kommen neun Ergänzungsfragen. Diese befassen sich zum Beispiel mit den Themenfeldern Führungskräfte, Umweltschutz, Notfallsituationen oder Untersuchungsmethoden bei Unfällen. Im Unterschied zum SCC*-Verfahren werden auch die Subkontraktoren, also die Dienstleister der Dienstleister, durch ein Zusatzdokument indirekt in die SCC**-Zertifizierung einbezogen. Um das Zertifizierungsverfahren zu bestehen, wollen 40 gekennzeichnete Pflichtfragen zu 100 Prozent erfüllt und mindestens fünf der neun Ergänzungsfragen positiv beantwortet werden im Sinne von „Ja, haben wir. Machen wir“.
Innerhalb des Zertifizierungszyklus von drei Jahren ist der TÜV-Rheinland-Auditor einmal im Jahr im Rahmen eines Überwachungsaudits vor Ort bei Münstermann. Dabei wird stichprobenhaft geprüft, ob das Unternehmen die Anforderungen weiterhin erfüllt. Am Ende der drei Jahre ist nochmals ein Audit angesetzt, und bei erfolgreichem Prüfverfahren erfolgt die Rezertifizierung. „Der Blick von außen durch die Auditoren ist für uns hilfreich und fördert die Weiterentwicklung“, findet der Qualitätsbeauftragte Ewerlin: „Das Feedback des Auditors gibt uns Hinweise, wo noch Verbesserungsbedarf liegt, an dem wir arbeiten können.“