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Creditreform

Es könnte alles so einfach sein: Geflüchtete schließen die Lücke an Fach- und Hilfskräften, sodass von einem demografiebedingten Mangel in deutschen Unternehmen nichts mehr zu spüren ist. Doch viele Firmenchefs sind unsicher: Wann genau dürfen Ausländer, die aus Afrika oder dem Nahen Osten zu uns kommen, auch in Deutschland arbeiten? 

Motivierte und vor allem versierte Facharbeiter kann Christian Lübbe immer gut gebrauchen. Er ist Geschäftsführer von Coastworxx, einem Unternehmen, das Sonnensegel aus speziellen wasserabweisenden Garnen sowie Taschen und Rucksäcke aus Segeltuch fertigt. „Es nicht so einfach für mich, Arbeitskräfte zu finden, die mit Segeltuch umgehen können – es ist ein schwieriger Stoff und nicht ganz leicht zu nähen“, sagt er. Als Lübbe im Sommer 2015 eine Flüchtlingsunterkunft besuchte und er von allen Seiten hörte „Ich kann nähen! Ich würde gerne bei Ihnen arbeiten“, wollte es der 52-Jährige genau wissen: Per E-Mail forderte er von der Bundesagentur für Arbeit Informationen an, wann Flüchtlinge hierzulande überhaupt arbeiten dürfen. „Ich wusste nicht: Was darf ich und was darf ich nicht als Arbeitgeber?“, so der Kieler.

Mit dieser Frage steht Lübbe nicht allein da. Einerseits kann die deutsche Wirtschaft zusätzliche motivierte Arbeitskräfte, die noch lange dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, gut gebrauchen. Und in der Tat: Laut Statistischem Bundesamt ist Anfang 2017 jeder dritte Asylbewerber zwischen 25 und 45 Jahre alt, fast jeder Vierte zwischen 18 und 25 Jahre – beste Voraussetzungen also, um im deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Doch andererseits darf längst nicht jeder, der nach Deutschland kommt, auch tatsächlich hierzulande arbeiten.

Dies hängt nämlich davon ab, welchen Aufenthaltsstatus der Geflüchtete besitzt. Zu unterscheiden sind:

Personen mit Aufenthaltstitel

Dazu gehören anerkannte Flüchtlinge, die beispielsweise aufgrund ihrer Ethnie, ihrer Religion oder ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrer Heimat nicht mehr sicher leben können. Aber auch Asylberechtigte, die wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt wurden, erhalten ein Bleiberecht – vorausgesetzt, sie kommen nicht aus einem sicheren Herkunftsstaat. Ein weiterer Personenkreis, der gute Aussichten auf einen Aufenthaltstitel hat, sind die sogenannten subsidiären Schutzberechtigten: Sie werden nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt, weil ihnen bei ihrer Rückkehr besondere Gefahren drohen, beispielsweise Kriege, Folter oder sogar die Todesstrafe.

Wer erst einmal im Besitz eines Aufenthaltstitels ist, darf zunächst für ein Jahr (subsidiärer Schutzberechtigter) beziehungsweise drei Jahre in Deutschland bleiben. Eine Verlängerung im Anschluss ist möglich. Daneben gilt für sie: Sie haben uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Unternehmen, die sie beschäftigen wollen, müssen also keine besonderen Bestimmungen beachten.

Zudem ist der Aufenthaltstitel eine gute Ausgangsposition für die Zukunft. Einmal in seinem Besitz, können die Betreffenden nach frühestens fünf Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis beantragen. Voraussetzung hierfür sind jedoch ausreichende Sprachkenntnisse und dass der Geflüchtete seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst bestreiten kann.

Personen ohne Aufenthaltstitel

Hierzu gehören jene Flüchtlinge, die einen Asylantrag gestellt haben, der gerade von den Behörden bearbeitet wird. Bis zu einer Entscheidung erhalten sie eine sogenannte „Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens“. Ob diese Asylbewerber in Deutschland arbeiten dürfen, entscheidet in jedem Einzelfall die für sie zuständige Ausländerbehörde. Wurde der Asylantrag abgelehnt, kann es dennoch sein, dass jemand aus rechtlichen, persönlichen oder politischen Gründen derzeit nicht in sein Heimatland abgeschoben werden kann. In diesem Fall wird er in Deutschland geduldet.

Asylbewerber und Geduldete haben eines gemeinsam: In der Regel dürfen sie in den ersten drei Monaten, die sie in Deutschland verbringen, kein Geld verdienen. Ob sie danach einem Job nachgehen dürfen, hängt von den Eintragungen in ihren offiziellen Ausweispapieren ab. Dort hat die Verwaltung jeweils notiert, ob ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt verweigert wird („Erwerbstätigkeit nicht gestattet“), ob sie ohne weitere Auflagen beschäftigt werden dürfen („Erwerbstätigkeit gestattet“) oder ob eine „Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet“ ist. Ob eine solche Arbeitsgenehmigung ausgesprochen wird, hängt in der Regel auch von der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ab. Übrigens: Wer eine staatlich anerkannte oder vergleichbare Berufsausbildung nachweist, kann eine positive Entscheidung sogar vor Ablauf der Drei-Monats-Frist erhalten.

Bis zum August 2016 prüfte die BA zudem, ob für die zu besetzende Stelle ein deutscher beziehungsweise in der EU ansässiger Bewerber infrage kommt – dieser wird einem Bewerber, der Asyl beantragt beziehungsweise erhalten hat, vorgezogen. Diese sogenannte Vorrangprüfung, die eigentlich in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland vorgeschrieben ist, wurde jedoch in 133 von 156 BA-Bezirken für drei Jahre ausgesetzt. Derzeit wird sie nur noch in Mecklenburg-Vorpommern sowie in einigen Regionen in Bayern und Nordrhein-Westfalen durchgeführt.

Doch es geht auch ohne diese Vorrangprüfung. Es gilt nämlich: Asylbewerber und Geduldete, die eine anerkannte Berufsausbildung in einem Engpassberuf oder einen Hochschulabschluss in einem Mangelberuf wie IT-Experte, Ingenieur oder Arzt vorweisen können, erhalten unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Das gleiche gilt für Flüchtlinge, die hierzulande eine Berufsausbildung beginnen. Für sie gilt zusätzlich die Regelung „3 plus 2“: Wer eine dreijährige Lehrzeit erfolgreich hinter sich gebracht hat, darf im Anschluss zwei weitere Jahre in der Bundesrepublik bleiben, um seinen Beruf auszuüben. Das gibt nicht nur den Geflüchteten selbst, sondern auch ihren Arbeitgebern ein Stück Sicherheit.

Coastworxx-Geschäftsführer Lübbe, der sich inzwischen im Unternehmernetzwerk „wir zusammen“ engagiert, hat sich diese Informationen selbst zusammensuchen müssen. Sein Glück: Bei einem Business-Talk traf er den Geschäftsführer der Kieler BA und konnte ihn mit seinen Fragen löchern. Wenige Wochen nach seinem Besuch in der Flüchtlingsunterkunft stellte Lübbe dann Mohamed Alsalhani ein. Der Syrer kann nicht nur nähen. Er führte 30 Jahre lang in Damaskus eine eigene Polsterei, bevor er flüchtete – und ist in Deutschland als Flüchtling anerkannt. Seine praktische Erfahrung als Unternehmer zeichnete seine weitere Berufskarriere vor: Seit Juli 2017 ist Alsalhani neben Lübbe der zweite Geschäftsführer von Coastworxx.

Keine Regel ohne Ausnahme 

Keine Arbeitserlaubnis in Deutschland haben Asylbewerber und Geduldete, die ihren Asylantrag nach dem 15. August 2015 gestellt haben und aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat stammen. Zu den sicheren Herkunftsstaaten gehören derzeit die Westbalkanländer (Albanien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien), der Senegal und Ghana. Im Frühjahr 2017 lehnte es der Bundesrat ab, diese Liste um die Länder Marokko, Algerien und Tunesien zu erweitern.