Für Norbert Bromberger ist die Learntec, der Branchentreffpunkt für Akteure der professionellen Aus- und Weiterbildung vom 29. bis 31. Januar auf dem Karlsruher Messegelände, eine echte Herausforderung. Zum einen will der Geschäftsführer der E-Learning-Beratungsgesellschaft Qualitus auf dieser Kongressmesse so viele Vorträge wie möglich besuchen – immerhin stehen mehr als 180 Vortragsthemen zur Auswahl. Gleichzeitig ist Bromberger aber auch für den Ausstellungsstand seiner Firma zuständig. Und am Stand möchte er möglichst oft zugegen sein, denn die Besucher sind durchweg potenzielle Kunden – für ihn sind das die Entscheider in Sachen betriebliche Weiterbildung.
Auf der Qualitus-Kundenliste stehen unter anderem der Rechtschutzversicherer ARAG, HDI-Gerling, Medion, Roto Rank und Talanx. In Karlsruhe sollen weitere wichtige Kunden dazukommen, was laut Sünne Eichler, wissenschaftlicher Leiter des Learntec-Kongress-Komitees, bestimmt gelingen dürfte. Denn zum einen sei die Einführung von E-Learning und virtuellen Klassenräumen, neben Social Media Learning, Game Based Learning und Digitales Publizieren, ein „Schwerpunktthema mit Zukunft“. Zum anderen spreche für das Gelingen des Veranstaltungsformats die Kombination von Kongress mit einer Fachausstellung: Wer auf dem Kongress einen Vortrag hält, ist meist auch mit einem Messestand vertreten. Während des Vortrags angesprochene Themen können mit dem Referenten auf dem Stand vertieft werden. Das Konzept richtet sich vornehmlich an Entscheider. So sind 93 Prozent der Besucher der Kongressmessen „MEiM – Mehr Erfolg im Mittelstand“ (17. April in Bielefeld, 3. Juli in Münster, 25. September in Paderborn) nämlich Vorstände, Geschäftsführer, Inhaber, Bereichsleiter, Abteilungsleiter, Teamleiter, Projektmanager, Produktmanager und Berater. „Auf einer Kongressmesse trifft ein hochwertiges Informationsangebot auf ein hochwertiges Interesse“, urteilt denn auch Hans Joachim Wolff, Vorstand beim Deutschen Verband für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation (DVPT). Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der Fachverlag der Verlagsgruppe Handelsblatt mit seinen „Solution Foren“ in Düsseldorf, Frankfurt und München (mehr auf Seite 22).
Wolff gilt als geistiger Vater der Kongressmesse „Voice + IP“: im Jahr 2004 gegründet, heute in Frankfurt ein Pflichttermin für alle ITK-Verantwortlichen in Unternehmen. Stets findet sie Ende Oktober statt, verteilt auf zwei Tage. Auf der Veranstaltung im vergangenen Jahr sprachen Manager unter anderem von Alcatel-Lucent, Eckes-Granini, der Radeberger Gruppe, Microsoft, Avaya, Siemens Enterprise Communications, Cisco und Heraeus. Dass das Messeformat allgemein und die Voice + IP im Besonderen sich weiter sehr gut entwickeln werden, glaubt Heike Cantzler, Marketingleiterin bei snom technology: „Die enormen bisherigen Wachstumsraten sprechen für sich.“ „Wir können unseren Mitgliedern eine Plattform bieten, ihre Themen in einer breiten Öffentlichkeit darzustellen und zu diskutieren“, bewertet Bernd Klusmann, Bereichsleiter beim Bitkom.
Kongressmessen dauern maximal drei Tage. Die MEiM-Veranstaltungen finden jeweils an einem Tag, die Voice + IP an zwei Tagen statt. Kongress und Ausstellung laufen gleichberechtigt und zeitgleich von Anfang bis Ende nebeneinander. Zum Vergleich: Bei einer Fachmesse mit begleitender Vortragsveranstaltung steht die Ausstellung im Vordergrund. Der Kongress, zeitlich kürzer als die Messe, spielt eine untergeordnete Rolle. Kongressmessen haben selten über 5.000 Teilnehmer, die „Call Center World“ beispielweise, die größte Veranstaltung ihrer Art in Europa, bringt es auf rund 3.500 Besucher. Der obligatorische Teil einer jeden Veranstaltung ist ein Get Together am Abend.
Für Frank van Koten, Geschäftsführer bei Grothus & van Koten Mittelstandsmarketing und MEiM-Mitausrichter, sind die Kongressausstellungen auch wegen der geringen Teilnahmekosten erfolgreich. Die großen Branchenmessen wären oftmals zu teuer und würden obendrein zu wenig den Mittelstand ansprechen. Die Teilnahme an einer von ihm mitorganisierten Veranstaltung kostet für Besucher 99 Euro. Im Eintrittspreis sind der Besuch aller Fachvorträge, der Ausstellung, einer Podiumsdiskussion und die Verpflegung enthalten. Für Aussteller beginnt die Preisskala bei 690 Euro. Mit abgedeckt sind Vortrags- und Standpreis, Standmobiliar, Internet, Strom, Mittagessen und Teilnahme am Rahmenprogramm. Und ebenso eine unbegrenzte Anzahl an Besuchertickets für die Kunden und Kundenakquise der ausstellenden Firma. Auf den Eintrittskarten sind der Preis und der Name des Unternehmens, von dem die kostenlose Einladung kommt, eingedruckt.
Je nach Veranstaltung wird bei den Referaten nach Branchen-, Praxis- und Kundenforen sowie Keynotes unterschieden. Vortragsthemen im Branchenforum beziehen sich zum Beispiel auf neue Entwicklungen in der Branche. Im Praxisforum gehen die Referenten auf Produkte, Dienstleistungen und Anwendungen ein, was nicht selten in angeschlossenen Diskussionsrunden und Workshops vertieft wird. Beispielhafte Lösungen aus der Praxis für die Praxis werden von den Vortragenden im Kundenforum angesprochen. Ergänzend zu den Vortragsreihen halten Wissenschaftler, Marktforscher, Politiker oder Opinion Leader einer Branche Grundsatzreden, auch Keynotes genannt. Die Learntec 2013 eröffnet gleich mit zwei Keynotes. Barbara Ischinger von der OECD referiert zum Thema „Creating Quality Jobs by leveraging education, skills and migration“, Dieter Kempf, Bitkom-Präsident und Datev-Vorstand, spricht über Lernszenarien im Jahr 2020. Grundsatzreferate können eine Stunde dauern, ansonsten sind Vortragszeiten zwischen 20 und maximal 45 Minuten üblich.
Treffpunkt für Entscheider
Inzwischen sind auch führende Messegesellschaften auf den Zug Kongressmessen aufgesprungen. Allen voran die Messen Frankfurt, Hannover und Nürnberg sowie die Reed Exhibitions. „Die Kombination eines internationalen Kongresses mit Ausstellern werden wir künftig noch stärker verfolgen“, verspricht Johann Jungreithmeier, bei Reed Exhibitions für das Messegeschäft in Österreich zuständig. Die Messe Frankfurt hat die Voice + IP gekauft, als Ergänzung zur gleichformatigen „M-Days“, die sich am 5. und 6. Februar mit mobilem Internet und Applikationen befasst. Vom 20. bis 30. Oktober folgt dann die Voice + IP. „Letztes Jahr haben sich über 1.200 Besucher zu den Vorträgen und Diskussionen auf vier Bühnen gedrängt und die begleitende Fachausstellung besucht“, freut sich Klaus Reinke, Mitglied der Geschäftsleitung der Messe Frankfurt.
Offen gibt er zu, dass bei Kongressmessen anfangs zuerst einmal umgedacht werden musste. Denn diese Veranstaltungen verkauften sich anders. Nicht über die Ausstellungfläche und Dienstleistungen für Aussteller wie bei herkömmlichen Fachmessen, das ureigene Geschäft einer Messegesellschaft. Stattdessen laufe die Akquisition über das Erkunden von interessanten Vortragsthemen, das Ansprechen von möglichen Rednern und danach über das Platzieren eines Ausstellungsstands. Dieser reicht in seiner Aufmachung und Dimension meist nicht an die Stände, die auf Fachmessen üblicherweise zu sehen sind, heran – alles ist viel kleiner, spartanischer und zweckmäßiger.
Gerd Zimmermann
Vorbereitung: Informationen über Teilnahme sowie Titel des Vortrags auf eigener und auf der Website des Veranstalters sowie im Messekatalog platzieren. Bestehende und mögliche Kunden zum kostenlosen Besuch einladen. Erst bei Zusage das Freiticket zusenden. Eine Presseinformation mit Fotomotiv, das zum Vortragsthema passt, der Fachpresse übermitteln. Messekataloge und -plakate für eigene Werbezwecke, zum Beispiel für die Bestückung von Besucher-, Konferenz- oder Verkaufsräumen, beim Veranstalter bestellen.
Ausrichtung: Auf der Website des Veranstalters die Anmeldezahlen für den Vortrag, die Themen der anderen Fachvorträge und die Kontaktdaten der Besucher – wer vertritt welches Unternehmen? – auswerten. Danach telefonisch bei den Kunden nachfassen, die noch nicht reagiert haben. Und je nach Referaten, die sich mit dem eigenen Vortrag inhaltlich überlappen könnten, sowie Besucherstruktur ist der Vortragstext nochmals zu überarbeiten. Unternehmensspezifische Praxisbeispiele eignen sich als inhaltliche Abgrenzung und gruppenindividueller Bezug besonders gut.
Vortrag: Eigenes Unternehmen, wenn überhaupt, nur kurz vorstellen – keine Selbstdarstellung und Eigenwerbung. Am Anfang sollten der Name des Referenten und seine Funktion ersichtlich sein. Die Information und der Nutzen für die Zuhörer, ergänzt mit Tipps für die Praxis, bestimmen das Referat. Der Vortragende muss als Experte seines Fachs erkannt werden.
Ausstellung: Der Stand sollte nicht möglichst groß und repräsentativ sein, wie auf einer Fachmesse. An erster Stelle steht das Kontakt- und Fachgespräch, das sich zum Beispiel aus Fragen zum Vortragsthema ergibt. Die Veranstalter bieten zweckmäßige Standeinrichtungen zu günstigen Konditionen. Generell gilt: Jedes Gespräch ist zu dokumentieren, dies erleichtert die Nachbearbeitung.