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Creditreform

Viele Unternehmer wünschen sich einen familieninternen Nachfolger für ihr Lebenswerk, doch wie überzeugen sie den Nachwuchs frühzeitig von diesen Plänen? Wie lassen sich Konflikte innerhalb der Familie minimieren? Und welche Eigenschaften sollte der Nachfolger eigentlich mitbringen? 

Winzerin werden wie ihre Eltern – das war für Sandra Sauer schon immer das berufliche Ideal. Wenig verwunderlich angesichts des offensichtlichen Erfolgs der Eltern, könnte man meinen. Immerhin bewirtschaftet Familie Sauer auf dem gemeinsamen Weingut in Escherndorf bei Würzburg 24 Hektar Rebfläche, füllt jährlich 220.000 Flaschen ab und kann zahllose Auszeichnungen im In- und Ausland für ihre Weine vorweisen.

Doch die unternehmerische Nachfolge der Eltern anzutreten, ist längst nicht der Wunsch jedes Sprösslings. Im Gegenteil: „Dem heutigen Nachwuchs stehen viel mehr berufliche Entfaltungsmöglichkeiten als noch vor zehn oder 20 Jahren offen“, weiß Michael Grote von der Deutschen Unternehmerbörse, der deswegen „eine Abkehr von der traditionellen Nachfolgeregelung im Familienunternehmen“ beobachtet. Bei einer Umfrage durch TNS Emnid gaben 63 Prozent der Eigentümer an, ihre Kinder verfolgten „andere berufliche Interessen“. Noch weiter entfernt von den Wunschvorstellungen der Patriarchen ist die Situation in kleineren mittelständischen Firmen mit bis zu 49 Mitarbeitern: Hier waren 86 Prozent der Meinung, ihr Nachwuchs komme „aus mangelndem Interesse“ nicht infrage.

Bedauerlich, denn laut einer Studie von Mirablau Equity & Services ist die familieninterne Übergabe immer noch der begehrteste Lösungsweg für die Nachfolge – weit vor einer Trennung von Management und Kapital durch einen familienfremden Geschäftsführer oder gar dem Verkauf an die eigenen Mitarbeiter oder fremde Manager (siehe „Nachfolge im Mittelstand“). Das bestätigen auch die Erfahrungen von Kerstin Ott, Nachfolgeberaterin bei Seneca Corporate Finance.

Der Wunsch, den Betrieb innerhalb der Familie weitergeben zu können, ist im Mittelstand „sehr groß“ – findet jedoch laut Statistiken nur in 45 Prozent aller Fälle tatsächlich statt. Hinzu kommt: „Gut 80 Prozent der Unternehmensübergaben erfolgen an Männer – ein verschenktes Potenzial“, so Ott. Natürlich nur, sofern der Nachwuchs überhaupt befähigt wäre – denn bei der TNS-Emnid-Umfrage hielten immerhin 13 Prozent der Unternehmer ihre Kinder jeweils für „persönlich oder fachlich nicht geeignet“. Auf welche Kriterien Sie bei Ihrem Nachfolger, familienintern oder extern, achten sollten, verrät daher unsere Checkliste auf Seite 18.

Unternehmergeist nicht erzwingen

Auf Sandra Sauer treffen all diese Hindernisse nicht zu, im Gegenteil: Nach ihrer Lehre in einem anderen Winzerbetrieb, einem Studium und Auslandsaufenthalt kam sie 2004 auf dem elterlichen Weingut an. Der Generationenwechsel scheint in Escherndorf auf beeindruckende Weise zu gelingen – ohne Rangordnung, dafür mit einer Betriebsübergabe, die Schritt für Schritt vollzogen wird. Inzwischen gilt in den Weinbergen eine spannende Arbeitsteilung: Der Winzer kümmert sich um die edelsüßen Weine, die Tochter um Rotweine und Weißburgunder. Die Hauptproduktion – nämlich die trockenen Weißweine – verantworten sie derzeit noch gemeinsam. „Zwei Zungen schmecken besser als eine. Optimal ist es daher, die Erfahrungen des Vaters mit den eigenen Kenntnissen und dem notwendigen Blick über den Tellerrand zu verbinden“, so Sandra Sauer. In etwa drei Jahren könnte dann die komplette Betriebsübernahme erfolgen. „Den richtigen Zeitpunkt werden wir erspüren“, sagen Vater und Tochter.

Aus Sicht von Nachfolge-Coach Uwe Kehlenbeck, Mitglied im KMU-Beraterverband, hat Winzer Horst Sauer damit einen Kardinalfehler vermieden, den viele andere Unternehmer begehen, wenn sie nur über die Belastung, die das Unternehmertum mit sich bringt, reden: „Wer so handelt, baut keinen Nachfolger auf“, mahnt der Geschäftsführer der Omega Business Service GmbH. Vielmehr sollte ein Firmenchef „Unternehmertum vorleben“, sprich: die Kinder über all die Jahre hinweg an den Geschehnissen mit Höhen und Tiefen teilnehmen lassen. „Viele Unternehmer brennen für ihr Unternehmen, sehen es als ihr Kind an. Diese Leidenschaft muss vermittelt werden“, raten auch Hubertus und Kai Jonas – ein Vater-Sohn-Gespann, das den Ratgeber „Konfliktfrei vererben“ im Hogrefe Verlag veröffentlicht hat. „Leidenschaft überträgt sich durch Imitation: wie der Vater, so die Tochter, oder wie die Mutter, so der Sohn.“ Imitation sei Nachahmungshandeln im weitesten Sinne und eine grundlegende Basis menschlichen Lernens.

Dass die Kinder auf diese Weise auch die schwierigen Phasen der Firma mitbekommen, härtet ab – weckt aber auch Interesse. Und es bereitet auf Herausforderungen vor. Wer die Firma seiner Eltern übernimmt, kann sich längst nicht immer ins gemachte Nest setzen. Viele Nachfolger müssen überholte Strukturen bereinigen und ein ganz neues Unternehmen entwickeln.

Oder, wie es der Übernehmer Björn Sikler, heute Chef der Helgerit GmbH, ausdrückt: „innerhalb des elterlichen Unternehmens selbstständig werden“. Seinen Vater und Vorgänger bezeichnet Sikler als „Chef alter Schule“, der seine Mitarbeiter eng geführt habe und seine Meinung durchzusetzen wusste. Um seine eigenen Projekte möglichst eigenständig umsetzen zu können, kümmerte sich Sikler bei seinem Eintritt zunächst um damals weitgehend brachliegende Geschäftsfelder des Importeurs und Großhändlers von Antriebstechnik und Fahrzeugteilen aus Altdorf. So erweiterte er den Bereich der Fahrzeugteile um den Nachbau von nicht mehr verfügbaren Oldtimerteilen, schuf in der Lagerhalle Platz für seine Produkte und baute ein Sortiment auf, mit dem er sich einen Namen als zuverlässiger Handelspartner machte. Doch auch das Kerngeschäft brachte er mit frischen Ideen voran und führte die Kostenrechnung ein, um einen besseren Überblick über einzelne Geschäftszweige zu erhalten. Andere Hürden wie etwa Ansprüche des Finanzamts aus einer in früheren Jahren durchgeführten Betriebsprüfung konnte er auf dem Verhandlungsweg ebenfalls klären – und sich so die Grundlage schaffen, die Firma ohne nicht kalkulierbare Altlasten zu übernehmen.

Doch gibt es mehrere Verwandte, die für die Nachfolger in Frage kämen, so sind Konflikte vorprogrammiert: „Die Entscheidung für den einen ist gleichzeitig die Ablehnung des anderen“, so Berater Kehlenbeck. Oft kämen „alte Geschichten“ oder Forderungen ins Spiel, die nicht an Sachkriterien, sondern an Familientradition oder -loyalität orientiert seien. „Rivalitäten zwischen den Beteiligten werden offenkundig und münden in Ablehnung, Missgunst und Neid – nicht selten kommt es zu einem offenen Bruch innerhalb der Familie oder zwischen Familienstämmen“, beobachtete der Coach. „Anscheinend ist der Faktor Übergabe sowohl für den bisherigen Unternehmer als auch für den Nachfolger eine Extremsituation“, sagt auch Prof. Diethard B. Simmert von der Privathochschule ISM in Dortmund. Immer wieder sei zu hören, dass sich Firmenchefs bei der Planung ihrer Nachfolge überschätzen: „Häufig wird erst nach Misserfolgen eingesehen, dass es auch auf weiche Faktoren ankommt und man selbst viel zu parteiisch ist.“ Nicht selten sind dann bereits große Vermögenswerte vernichtet.

Kompromisse notwendig 
Dass gerade in Betrieben, in denen Familien auf begrenztem Raum miteinander arbeiten und leben, zwischenmenschliche Reibereien nicht ausbleiben, hat selbst Winzerin Sandra Sauer erlebt: „In Stresssituationen reagiert man durchaus emotionaler als gegenüber einem Außenstehenden. Wir versuchen dann, schnell wieder einen Konsens zu finden und nicht nachtragend zu sein.“ Dieses Erfolgsrezept habe jeder inzwischen verinnerlicht – zum Wohle des Unternehmens und der Belegschaft.

 

Die folgenden Ergebnisse wurden von Mirablau Equity & Services unter 250 Firmen des bayerischen Mittelstands erhoben, vor allem aus Industrie und Verarbeitendem Gewerbe mit Umsätzen zwischen fünf und 100 Millionen Euro:

– Die familieninterne Übergabe stellt noch immer den begehrtesten Lösungsweg für die Nachfolge dar (mehr als 50 Prozent Zustimmung). Die Trennung von Management und Kapital (Einsatz eines externen Geschäftsführers), der Verkauf an die eigenen Mitarbeiter (MBO) oder fremde Manager (MBI) hat untergeordnete Bedeutung. Auch der Verkauf an strategische Erwerber erfolgt sehr selten, der Verkauf an Finanzinvestoren ebenso (in der Stichprobe gab es keinen einzigen Fall).

– Obwohl der Nachfolge hohe Wichtigkeit zugesprochen wird und die Regelung der Nachfolge als komplexes Unterfangen erkannt wird, behandeln die Betriebe das Thema nur nachrangig. Präventive Maßnahmen für Sondersituationen (etwa das plötzliche Ausscheiden des Firmenlenkers) werden ebenfalls als absolut notwendig erachtet, aber dennoch häufig nicht ergriffen. Lediglich 71 Prozent der Betriebe haben für den Fall der Fälle Stellvertretungen geregelt, nur 60 Prozent der Geschäftsführer Vollmachten erteilt.

– Nachfolgen werden erst mit jahrelangem, oft sogar jahrzehntelangem, Verzug umgesetzt. Im Schnitt verzögern sich die Nachfolgen um fünf Jahre gegenüber dem ursprünglich anvisierten Datum.

– Für beides, mangelnde Prävention und Verzug bei der Nachfolge, gilt: je kleiner die Firmen, desto größer die Handlungsbedarfe. Beispielsweise liegt das Austrittsalter bei kleinen Firmen bei 71 Jahren.

– Allgemein wird anerkannt, dass – egal ob familiäre Nachfolge oder Verkauf – eine gute Firmenübergabe aufwendig ist. Als wichtigste Erfolgsfaktoren werden Transparenz und langfristige Planung genannt.

– Externer Unterstützung wird im Rahmen der Nachfolge jedoch wenig Relevanz zugesprochen. Zwar gelten Rechtsanwalt sowie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater als wichtige Ansprechpartner und werden meist hinzugezogen. Aber anderes Expertenwissen – sei es von Verbänden, Strategie- und M&A-Beratern oder Coaches – steht nicht hoch im Kurs, auch wenn hier bereits ein Umdenken feststellbar ist.

 

Sieben Gebote für Ihre systematische Firmenübergabe finden Sie in der App-Version dieser Ausgabe oder unter www.creditreformmagazin.de/firmenuebergabe

 

Prof. Diethard B. Simmert von der International School of Management und Rainer Steinhaus von der GIA Gesellschaft für Industrieberatung haben ein Anforderungsprofil möglicher Nachfolger erarbeitet, das im Vorfeld kaufmännische, fachliche und soziale Kompetenz abfragt. Die Kriterien sind:

Unternehmerische Qualifikationen, darunter

– Verantwortungsbewusstsein

– Fähigkeit zur unternehmerischen Vision

– Zukunftsorientiertes Denken

– Ziel- und planmäßiges Denken

– Führungsqualität

Fachliche, für den Betrieb notwendige Qualifikationen, darunter

– Technisches Know-how

– Vertriebserfahrung

– Branchenkenntnisse

– Kaufmännische Kenntnisse

– Erfahrung in der Personalführung

– Grundkenntnisse in der Steuerlehre

Persönliche Qualifikationen, darunter

– Kommunikationsfähigkeit

– Belastbarkeit

– Realitätsbewusstsein

– Emotionale Intelligenz

– Toleranz

– Verhandlungsgeschick