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Creditreform

© PhotoAlto/Milena Boniek/Getty Images

Obwohl sie ein schnelles und preiswertes Konfliktende versprechen, sind Mediationen in Deutschland weitaus seltener als Gerichtsprozesse. Das moderierte Gespräch ist zu unbekannt.

 

Auf hoher See und vor Gericht sind alle in Gottes Hand, heißt es. Das Ende eines Gerichtsverfahrens ist stets offen und mindestens eine der Parteien wird sich voraussichtlich über das Urteil ärgern. Hinzu kommt: Die Zivilgerichte haben mehr als genug zu tun.

Das gilt für alle Konflikte, ob die Parteien nun als Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder als Lieferant und Käufer auftreten. Kurzum: Langwierige Verfahren mit Richtern und Anwälten, Zeugen und Gutachtern kosten Zeit und Geld.

Winfried Grieger, Rechtsanwalt für Baurecht und Honorarprofessor im Fachbereich Energie, Gebäude und Umwelt der Fachhochschule Münster, favorisiert die außergerichtliche Streitschlichtung – obwohl er als Anwalt mit Prozessen gutes Geld verdienen könnte. „Wir sind schlechter als die alten Germanen, die auf ihren Thingstätten das Recht mit Argumenten aushandelten“, sagt der Mediator und nennt die Ursache: „In Deutschland sucht man die Entscheidung.“

Daran hat auch das Mediationsgesetz nichts geändert, das seit dem Jahr 2012 sowohl die Qualifikation eines Mediators bestimmt als auch das Verfahren an sich definiert: als freiwillig und eigenverantwortlich, mit dem Ziel, den Konflikt einvernehmlich zu lösen, die Kosten zu teilen und die Verschwiegenheitspflicht zu wahren.

Mediation wird in der Regel nach Stundensätzen ab 150 Euro aufwärts oder entsprechenden Tagessätzen vergütet. Rechtsanwalt  Grieger geht davon aus, dass Unternehmen gegenüber einem Gerichtsverfahren mit Urteil oder einem Vergleich deutlich geringere Kosten einkalkulieren können.

Der Musterrechnung liegt ein fiktiver Fall mit einem Streitwert von 100.000 Euro zugrunde. Nicht berücksichtigt sind Gutachterkosten, vorgerichtliche Kosten beider Anwälte und die Dauer der Verfahren.

  • Mediation: 3.742,55 Euro
  • erste Instanz mit Urteil: 8.103,90 Euro
  • zweite Instanz mit Vergleich: 12.182,42 Euro

Mediation sucht Kompromisse

Wichtig ist: Die Entscheidung bleibt bei den streitenden Parteien, Zwangsmittel sind ausgeschlossen. Das ist der wesentliche Unterschied zum Schiedsgericht, das zwar auch die staatlichen Gerichte außen vor lässt, in dem aber die Entscheidung beim einberufenen Schiedsrichter liegt. Das Ergebnis ist ein vollstreckbarer Titel. Diesen Status erlangt die Vereinbarung eines Mediationsverfahrens nur, wenn sie als vollstreckbarer Anwaltsvergleich abgeschlossen wird.

Doch das ist gar nicht vordringlichstes Ziel. Vermittlern wie Rainer Kirschbaum geht es darum, eine Kompromisslösung zu finden, hinter der beide Parteien mehr oder minder freiwillig stehen. Der zertifizierte Mediator in Voerde kam über seine Sachverständigentätigkeit über die IHK Duisburg für Parkett und Holzfußböden zur außergerichtlichen Streitschlichtung.

Sobald ihn jemand um ein Gutachten bittet, schildert er auch die Mediation als Alternative. „In neun von zehn Fällen war ich bisher mit Mediationsgesprächen erfolgreich“, sagt Kirschbaum, „sogar wenn Handwerker ihre Rechtsanwälte mitbrachten.“

So war es bei einem Trockenbauunternehmen in Norddeutschland, das gegen einen Großhändler vorgehen wollte, weil die gelieferte Qualität der Baustoffe nicht den Erwartungen entsprach. Vor und nach den gemeinsamen Gesprächsrunden, in denen die Juristen schwiegen, berieten sie ihre Mandanten. Nach ein paar Stunden kamen sich die Firmen entgegen und arbeiten jetzt weiter gut zusammen.

 

Intessen in der Balance halten

Nils Koerber, Nachfolgespezialist, Mitgründer der Unternehmensberatung K.E.R.N. und ebenfalls zertifizierter Mediator, formuliert seine Herangehensweise so: „Ich möchte die Kraft der Streithähne auf die Lösung ausrichten.“ Denn als Mediator schlägt er keine Wege vor, sondern erarbeitet sie mit den Kontrahenten.

„Ich fungiere als Dolmetscher, damit jede Seite sich verstanden fühlt“, sagt Koerber. In Familien ist das mitunter nicht einfach, weil bei der Nachfolgefrage unerledigte Konflikte oder Interessengegensätze aufkommen: Die Eltern wollen ihren Lebensabend sichern, der junge Nachfolger will volle Handlungsfreiheit erreichen.

Axel Bergmann, ebenfalls Berater bei K.E.R.N., spricht davon, „die Interessen in der Balance zu halten“. Respekt und gegenseitige Anerkennung spielen nicht nur in Familien eine Rolle. Bergmann hat drei geschäftsführende Gesellschafter eines Unternehmens beraten, von denen zwei aussteigen wollten.

Ihre Telefonanlagenfirma Fenicom in Braunschweig musste bewertet werden, damit die zwei Mitgründer in Ruhestand gehen konnten – der eine mit 65, der andere schon mit 61 Jahren. „Wir haben Axel Bergmann in einer Broschüre der IHK Hannover entdeckt und ihn als Berater eingeschaltet“, sagt Eckhard Nünemann, der Dritte im Bunde.

„Konflikte senken die Rentabilität um 25 Prozent.“

Andrea Köhn, Neues Berlin

Das Wort Mediation fiel nicht, aber die Methode war identisch. Der Berater fragte und übersetzte, was die Gesellschafter nicht immer ganz freundlich sagten. „Vor allem die Frage, was das Schlimmste sei, was passieren könnte, wenn wir keine Lösung finden, hat uns vorangebracht“, sagt Nünemann. Ein Verkauf an einen Externen kam für keinen der Beteiligten infrage.

Nach mehreren Gesprächsrunden wurden Anteilsverkauf und Ausstieg besiegelt – und Nünemann ist froh, dass nun alles geklärt ist.

 

Positive Streitkultur fördern

Alexandra Bielecke, Vorstandsmitglied im Bundesverband Mediation, schaut ganz optimistisch in die Zukunft: „In den Schulen werden Konfliktlotsen ausgebildet. Die werden erwachsen, kommen jetzt in die Unis und in Jobs. Das wird die Streitkultur positiv beeinflussen.“ Auch in Unternehmen. Bahnen sich im Betrieb Konflikte an, könne ein Mediator die Explosion verhindern, berichtet Bielecke. „Das ist eine Investition in die Firmenkultur.“

Genau diesen Nutzen hat die Wohnungsbaugenossenschaft Neues Berlin erkannt und seit 2014 die Streitkultur runderneuert. Andrea Köhn, heute Vorstandsmitglied, machte damals eine Mediationsausbildung und mischte sich ein. Sie lud verkrachte Mieter ein und vermittelte zwischen den Nachbarn. Auch intern suchte sie gemeinsam mit streitenden Mitarbeitern erfolgreich nach Lösungen. „Der Umgang mit Konflikten ist eine Frage der Haltung“, sagt Köhn.

Was für Nachbarschaftskonflikte und Kollegenstreitigkeiten gilt, funktioniert auch bei professionellen Vertragspartnern. Ob Gärtner, Handwerker oder Webseitendesigner: Alle Auftragnehmer unterschreiben bei Neues Berlin Verträge, die eine Mediationsklausel enthalten. „Manchmal müssen wir noch erklären, was dahintersteckt“, sagt Köhn, „aber inzwischen sprechen sich die guten Erfahrungen herum.“

Von 90 Mitarbeitern haben neben der Chefin inzwischen 14 weitere eine Moderatorenausbildung. Das sei wichtig, damit immer ein Sachbearbeiter die Mediation übernehmen könne, der nicht vom Konflikt betroffen ist. Der Erfolg lässt sich nachrechnen: Zwischen 2015 und 2017 wurden die Kosten für Rechtsstreitigkeiten um 82 Prozent gesenkt. Auch Mahnungen bei Mietern, Nacharbeiten von Handwerkern und Fehlzeiten von Beschäftigten nahmen spürbar ab. „Konflikte senken die Rentabilität um 25 Prozent“, sagt Köhn. Da braucht das Modell Mediation keine zusätzliche Werbung.

Hier finden Unternehmen den passenden Mediator

Eine Datenbank zertifizierter Mediatoren pflegt der Bundesverband Mediation (BM). Der Verband ist mit 2.600 Mitgliedern der größte Zusammenschluss von Mediatoren. Sie vertreten vom Familienstreit bis zu Wirtschaftskonflikten alle Fachgebiete.

 

Das Deutsche Forum für Mediation (DFfM) ist die Dachorganisation von Fachverbänden, etwa der DGMW – Deutsche Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft und dem Verband der Bau- und Immobilienmediatoren.

 

Fündig werden Unternehmen auch bei den örtlichen Industrie- und Handelskammern (IHK). Einige Kammern wie die IHK Essen, Frankfurt und München haben eigene Mediationsstellen eingerichtet. Die IHK bilden Mediatoren aus und zertifizieren sie.