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Creditreform

Besser verkaufen mit Neurowissenschaften: Die Erkenntnis, wie unser Gehirn wirklich funktioniert, entzaubert so manches etablierte Marketingmodell – macht Absatzmaßnahmen aber effektiver und effizienter.

Sie erinnern sich an den TV-Spot der Telekom mit Paul Potts bei seinem Auftritt bei „Britain’s Got Talent“? Hoch emotional – aber nicht zielführend. Laut Barbara Evans, Geschäftsführerin von Facit Media Efficiency, legten Messungen der Gehirnströme von Versuchspersonen offen: Der Applaus am Ende der Geschichte signalisierte dem Gehirn gleichzeitig das Ende des Spots – worauf es das Gesehene abspeichere. „In dem Moment, in dem der Betrachter etwas abspeichert, kann er keine neuen Informationen aufnehmen“, so Evans. Damit habe das nachgelagerte Soundlogo der Telekom, eigentlich die Key-Message, nur geringe Chancen, ins Langzeitgedächtnis zu gelangen.

Von der Erforschung solcher neuralen Prozesse erhoffen sich Forscher und Marketers ein besseres Verständnis von ökonomisch relevantem Verhalten. Die Ergebnisse, welche die Gehirnforschung bisher hervorgebracht hat, bleiben jedoch nicht ohne Auswirkungen auf traditionelle Marketingmodelle und -paradigmen.

Neue Erkenntnisse

So widerlegen etwa mehrere Studien das Hemisphärenmodell, dem zufolge die rechte Hirnhälfte für die Emotionen und die linke Hirnhälfte für die Ratio zuständig ist. Stattdessen zeigen neue Forschungen, dass jedes Signal vom Hirn emotional bewertet wird. Passé ist auch die seit 1998 bekannte AIDA-Formel (Attention, Interest, Desire, Action): Jüngsten Erkenntnissen zufolge existiert die unterstellte Wirkungshierarchie im Gehirn doch nicht.

Stattdessen ist nun das Zieldenken in den Fokus der Forscher gerückt. Der Ansatz geht davon aus, dass Konsumenten beim Kauf etwa von Waschpulver explizite Ziele wie „saubere Wäsche“ und implizite Ziele wie „Sicherheit“ verfolgen. Die Zielerreichung wirkt anschließend belohnend. „Explizite und implizite Ziele widersprechen sich nicht – so lassen sich Produkt und Marke viel besser zusammenbringen und managen“, sagt Christian Scheier von der Decode Marketingberatung.

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Im Idealfall werden die impliziten Ziele des Konsumenten über Codes angesprochen. Nicht zielführend sind dagegen die reine Nennung von Produktvorteilen oder die Umsetzung von Emotionen mit Bildern. Eine Bank etwa, die mit Offenheit wirbt, kann dies als verbale Botschaft in einen Flyer schreiben. Wirksamer wäre jedoch ein Flyer mit spezieller Falttechnik, die Offenheit verheißt. Neuropsychologe Scheier bezeichnet dies als die neue Konkretheit: „Wir haben einiges darüber gelernt, wie das Gehirn Codes entschlüsselt – insbesondere dass es keinen Bildspeicher im Gehirn gibt. Wenn wir etwas sehen, werden in kürzester Zeit Assoziationen aktiviert, die darüber entscheiden, ob eine Kommunikation wirksam wird oder nicht.“

Aus Studien mit rund 2.500 Teilnehmern konnte die Münchner Mediaagentur Mediaplus zahlreiche Handlungsempfehlungen zur Verbesserung von Kommunikationsmaßnahmen ableiten. Untersuchungen zeigten, dass sich Spots mit der richtigen Kreation verkürzen lassen und trotzdem eine ähnliche Wirkung wie 30-Sekunden-Spots erreichen – was sich natürlich positiv auf die Schaltkosten auswirkt. Und die Wirkung von Trailern oder TV-Spots lässt sich steigern, wenn es spezielle Momente oder Szenen gibt, die den Zuschauer direkt mit einbeziehen. Auch nicht zu unterschätzen: Chronologisches Erzählen erhöht die Werbeerinnerung.

© IP Deutschland GmbH/ Creditreform-Magazin 02/2015

© IP Deutschland GmbH/ Creditreform-Magazin 02/2015

Solche Erkenntnisse machen nach Ansicht von Scheier das Marketing effektiver und effizienter: „Sie bieten eine belastbare und eine einfache Plattform, mit der im Unternehmen eine kohärente und stringente gemeinsame Sprache zur Verfügung steht.“ Das Ergebnis: Man spricht über konkrete Ziele, es gibt weniger, aber bessere Briefings und die impliziten Daten lenken den Blick auf die Kauftreiber. Damit werden die Prozesse von der Produktentwicklung über die Kommunikation bis hin zu den Agenturen effizienter.

Einem Irrtum sollte man aber nicht verfallen – nämlich dass der Konsument mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen steuerbar ist. Deshalb geht es laut Scheier nicht darum, ein Produkt in den Markt zu drücken, sondern Kunden anzuziehen. Dazu bedarf es einer strategischen Stringenz – das Markenversprechen muss stimmen. „Ansonsten akzeptieren die Kunden das Versprechen nicht, halten es nicht für relevant und speichern es nicht ab“, so Barbara Evans. Menschliche Gehirne können gnadenlos sein.