Von München in die ostdeutsche Provinz: Mit einer radikalen strategischen Kehrtwende haben zwei New-Economy-Pioniere in den letzten zwölf Jahren das Startup Mercateo auch über Durststrecken zum Erfolg geführt. Heute expandiert die Onlinebeschaffungsplattform für Unternehmen international.
Das Jahr 2002: Software für den Einkauf, dies war das wichtigste Angebot der Münchner Mercateo AG. „Ein typisches Projektgeschäft“, sagt Vorstand Peter Ledermann und fügt hinzu: „Man muss immer da sein, wo der Kunde am lautesten schreit.“ Den Leuten hinterherzulaufen, darauf hatte Ledermann aber keine Lust mehr. Seine Geschäftsidee für die Zukunft: ein Onlinemarktplatz für Geschäftskunden, ein digitaler B2B-Treff, auf dem sich Anbieter und Abnehmer sammeln.
„Es gab zu der Zeit zwei Unworte: Marktplatz und E-Commerce. Alle hatten sich gerade daran die Finger verbrannt.“ Peter Ledermann, Mercateo
Tatsächlich konnte Mercateo, das 1999 als Startup der New Economy losgelegt hatte, bereits auch dieses Standbein aufweisen. Das Problem: Während das Software-Projektgeschäft Geld abwarf, schrieb der Marktplatz Verluste. Die von den Internetpionieren aufgepumpte New-Economy-Blase war gerade geplatzt, Investoren waren verunsichert. „Es gab zu der Zeit zwei Unworte: Marktplatz und E-Commerce. Alle hatten sich gerade daran die Finger verbrannt“, sagt Ledermann. „Und wir sind zu ihnen rausgegangen mit einer Folie, auf der stand ausgerechnet: E-Commerce und Marktplatz.“
Gegen den Strom schwimmen
Doch Ledermanns Vision ist Wirklichkeit geworden – entgegen allen Widerständen. Mehr als 500 eingebundene Lieferanten versorgen heute rund 1,3 Millionen Geschäftskunden mit Nachschub – von Mineralwasser über die Bürotrennwand bis hin zum Drucker und Tresor: Rund 19 Millionen Artikel von über 10.000 Herstellern sind gelistet. Mit seinen 380 Mitarbeitern erwartet Mercateo 2015 mehr als 200 Millionen Euro Umsatz – das wäre ein Plus von gut 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit 2008 ist das Unternehmen profitabel. „Den Gewinn haben wir regelmäßig reinvestiert“, sagt Ledermann. Die Mercateo-Story ist also ein Lehrstück, wie ein Unternehmen auch gegen den Trend Kurs halten kann: mit unerschütterlichem Glauben an das eigene Konzept. Und Disziplin.
Dabei waren die Vorzeichen zunächst äußerst düster, der Laden drohte auseinanderzubrechen: Von den drei Gründern des Unternehmens, allesamt ehemalige McKinsey-Berater, hatten sich im Jahr 2002 zwei schon wieder verabschiedet. Nur einer, Sebastian Wieser, blieb an Bord. Ledermann selbst war im Jahr 2000 in den Vorstand gerückt als Vertreter von Eon Energie. Die Eon-Tochter hatte sich an der jungen Firma beteiligt und sie schließlich ganz übernommen.
2003 wurde dann die Kehrtwende eingeleitet: Eon Energie wollte aussteigen. Wieser und Ledermann wagten den Management-Buy-out und dampften das Unternehmen bis auf den Kern ein. Nur noch eine Handvoll Leute blieb übrig, um den B2B-Marktplatz zu errichten. „Wir haben auf den laut Bilanz schlechtesten Geschäftsbereich gesetzt und Geld bezahlt, um das profitable Geschäft abzustoßen“, sagt Ledermann. Immerhin: „Für den Abbau des Projektgeschäfts war genug Liquidität da.“ Schwierig jedoch: „Wir hatten kein Geld, um die Firma wieder neu aufzubauen.“
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