Im Wettbewerb mit Konzernen haben es kleinere Anbieter schwer. Als Gegenstrategie gelten Mittelstandskartelle, bei denen gleichartige oder verwandte Fachbetriebe kooperieren dürfen, ohne Wettbewerbsverstöße zu begehen.

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Kartell – das klingt zwielichtig. Und tatsächlich drohen empfindliche Strafen für jede Aktivität, die den fairen Wettbewerb verhindert, einschränkt oder verfälscht. Zum Glück trägt das deutsche Kartellrecht den Bedürfnissen der hiesigen mittelständisch geprägten Wirtschaft Rechnung:
„Sogenannte Mittelstandskartelle sind hierzulande weitgehend vom Verbot befreit, wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen verbessern“, sagt Ralf Mühlbauer, Inhaber der Managementberatung Innovapart. Gerade Allianzen unter direkten oder indirekten Konkurrenten hält er für aussichtsreich: „Es bieten sich Kooperationsmöglichkeiten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.“
Synergieeffekte nutzen
Doch Obacht: Ob eine Absprache zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen eine zulässige Kooperation darstellt, hängt laut Kathrin Westermann von der Kanzlei Noerr unter anderem davon ab, ob für die Rationalisierung, die mit der Kooperation angestrebt wird, eine Vereinbarung über die Preis- oder Absatzgestaltung zwingend erforderlich ist. Außerdem seien die Marktanteile der Beteiligten relevant – wenn auch kein allein entscheidendes Kriterium.
„Als Maßstab gilt die jeweilige Branchenstruktur“, so Berater Mühlbauer: Zähle etwa ein Anbieter mit 50 Millionen Euro Jahresumsatz in einer Branche von Umsatzmilliardären noch als mittlere Firma, gelte er in umsatzschwachen Branchen bereits als Großunternehmen. Ob eine Kooperation also kartellrechtlich zulässig sei oder nicht, hänge von der individuellen Wettbewerbssituation und der Marktauswirkung einer Allianz ab: „Es empfiehlt sich, frühzeitig eine erste Marktbetrachtung durchzuführen und einen Juristen für Wettbewerbsrecht hinzuzuziehen.“
Der Aufwand kann sich lohnen: Zusammenschlüsse des Mittelstands, bei denen gleichartige oder verwandte Fachbetriebe kooperieren, helfen den Betrieben dabei, rationeller zu arbeiten, ihre Leistungsangebote sinnvoll zu ergänzen, neue Marktchancen zu ergreifen und nicht zuletzt Kosten und Risiken auf mehrere Schultern zu verteilen.
Kernpunkte der Zusammenarbeit sind häufig solch kostentreibende Bereiche wie Produktion und Logistik. Im Idealfall profitieren auch die Kunden, da sich das Produktangebot und die Servicequalität verbessern.
Das Mittelstandskartell Logex etwa, ein Zusammenschluss von mehr als 40 familiengeführten Entsorgungsfirmen, akquiriert erfolgreich überregionale Kunden, die für die einzelnen Anbieter nur mit großem zusätzlichen Aufwand zu bedienen wären. „Dank gemeinsamer Systemzentrale, die Vertrieb, Service, Kundenberatung und Reklamationsmanagement koordiniert und unsere Abfall- und Rohstoffvermarktung sowie Einkauf und Marketing bündelt, verbinden wir die Flexibilität und Regionalität der Mittelständler vor Ort mit den Zentralisierungswünschen der Kunden“, so Logex-Chef Steffen Mayer.
Der Erfolg gibt ihm recht: Wurde das Mittelstandskartell 1993 von sieben Betrieben gegründet, kommt es inzwischen auf mehr als 5.000 Mitarbeiter und 2.500 Fahrzeuge an 120 Standorten sowie auf einen Gesamtumsatz der verbundenen Betriebe von mehr als 600 Millionen Euro. „Kartellmitglieder sollten möglichst nicht nur fachlich zueinanderpassen“, findet Berater Mühlbauer: „Stimmt die Chemie, fällt der Aufbau einer fairen Zusammenarbeit leichter.“
Diese Schritte sind zu gehen
Steht das Gründerteam, sollten die Partner den Kooperationsrahmen einschließlich Kosten- und Aufgabenverteilung ausarbeiten. Danach folgen eine detaillierte Marktanalyse sowie – mit juristischer Unterstützung – eine Marktbeschreibung, welche die Vorteile der Kooperation für den Gesamtmarkt hervorhebt. Anschließend fließen die Chancen und Risiken in eine Wirtschaftlichkeitsrechnung ein.
Umsatz- und Rationalisierungseffekte stehen dabei den Mehrbelastungen der Kooperationsfirmen gegenüber. Auf Grundlage dieser Zahlen sollten die Partner ein tragfähiges gemeinsames Geschäftsmodell entwickeln.
Der anschließende Kooperationsvertrag sollte laut Innovapart neben Punkten wie Kooperationszielen, Rechten und Pflichten der Partner sowie Vertragsbeginn, Dauer und Kündigung auch eventuelle streitanfällige Aspekte nicht ausklammern. Wichtig sind vor allem Regelungen zum Wettbewerbsverbot, zur Konfliktbewältigung und zum etwaigen Ausschluss von Kooperationspartnern.