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Creditreform

Noch vor dem Jahreswechsel will der Bundestag ein Gesetz verabschieden, das die sogenannte CSR-Richtlinie der EU in nationales Recht umsetzt. Schon im Februar 2017 soll dann der Bundesrat die Neuregelungen durchwinken. Auf mittelständische Zulieferer können dann neue Anforderungen vonseiten ihrer Auftraggeber zukommen. Text: Stefan Bottler

Mit kritischen Fragen zum Thema Nachhaltigkeit kann man Thomas Schnell nicht in Verlegenheit bringen. „Mein Betrieb ist nach dem Umweltstandard DIN-ISO 14001 sowie dem europäischen Eco-Management-Label EMAS zertifiziert“, sagt der Inhaber der Dr. Schnell Chemie. Der Münchner Produzent von Reinigungsmitteln hat sich außerdem im Rahmen des UNO-Umweltzertifikats „Responsible Care“ zu jährlichen Verbesserungen in puncto Umwelt- und Gesundheitsschutz verpflichtet. Um den Anforderungen gerecht zu werden, hat der Unternehmer eine Photovoltaikanlage installiert, welche bis zu 75 Prozent des Strom- und Energieverbrauchs deckt. Außerdem rüstete er die 150 Pkws der Firmenflotte mit einer Assistenzlösung aus, welche die Mitarbeiter zu CO2-neutralem Fahren anhält. Und seit 2015 bestehen die Verpackungen für die rund 300 Produkte aus recycelbaren Materialien. Alle Vorgaben und Maßnahmen hat das Unternehmen, das jährlich mit Großkunden wie beispielsweise der Deutschen Bahn mehr als 50 Millionen Euro umsetzt, in einem „Code of Conduct“ zusammengefasst – die Liste füllt immerhin drei Seiten.

Neue Anforderungen an Lieferanten

Ab dem kommenden Frühjahr werden die Geschäftspartner der Dr. Schnell Chemie dieses Papier wohl noch genauer studieren. Grund ist die neue Richtlinie der Europäischen Union (EU) zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR) – also der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen in ökologischen und sozialen Fragen – die in deutsches Recht umgesetzt wird. Denn künftig müssen alle kapitalmarktorientierten Konzerne mit mehr als 500 Mitarbeitern, aber auch andere Hersteller und Dienstleister dieser Größenordnung, welche international tätig sind, in ihrer jährlichen Berichterstattung auch „nicht-finanzielle Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit“ öffentlich machen. Die CSR-Richtline fordert präzise Informationen darüber, wie die Betriebe Umwelt- und Arbeitnehmerbelange berücksichtigen, Menschenrechte einhalten und Korruption beziehungsweise Bestechungen unterbinden. So sollen die berichtspflichtigen Unternehmen schildern, mit welchen Konzepten sie sich gegen Nachhaltigkeitsrisiken absichern und mit welchen Indikatoren sie deren Erfolg überprüfen. Bei Nichtbeachtung sieht der Gesetzentwurf, den das Bundesjustizministerium erstmals im Frühjahr 2016 vorlegte, empfindliche Geldbußen vor.

© artpartner-images/  Photographer's Choice/ Getty images

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„Auch auf mittelständische Lieferanten und Logistikdienstleister, welche nicht unmittelbar betroffen sind, wird das neue Gesetz Auswirkungen haben“, warnt Nicolette Behncke, Senior Manager der Unternehmensberatung PwC. Ihre Prognose: Jedes Unternehmen, welches für berichtspflichtige Auftraggeber arbeitet, muss mit Nachfragen rund um CSR rechnen und gegebenenfalls selbst einen Code of Conduct vorlegen. Mit der Folge, dass Betriebe, die etwa den Umweltschutz eher lässig angehen, als Auftragnehmer für Firmenkunden, die zur Vorlage eines CSR-Berichts verpflichtet sind, kaum noch infrage kommen. Andernfalls müssten sich diese nämlich vorwerfen lassen, dass sie wenigstens indirekt Vorteile aus solchen Vorfällen ziehen. Beraterin Behncke rät kleinen und mittelgroßen Auftragnehmern deshalb zu einer kritischen Bestandsaufnahme der eigenen Tätigkeiten und – wenn nötig – zu Gegenmaßnahmen. Dann nämlich können ihre Auftraggeber diese bereits in ihrer ersten Berichterstattung 2017 berücksichtigen.

Automobilkonzerne sind Vorreiter

Einige große Industriekonzerne signalisierten schon in den letzten Monaten deutlich, dass sie künftig an ihre Lieferanten erhöhte CSR-Anforderungen stellen werden. „Jeder Partner muss vor Abgabe eines Angebots bestätigen, dass er unsere Nachhaltigkeitsanforderungen kennt und über seine Standards Auskunft gibt (…) Außerdem soll er die Einhaltung unserer Nachhaltigkeitsanforderungen auch bei seinen Lieferanten und Dienstleistern sicherstellen“, teilt etwa Audi mit. Der Automobilkonzern setzt unter anderem auf die Initiative „UN Global Compact“ (www.globalcompact.de). Sie wurde 1999 von den Vereinten Nationen und großen, international tätigen Unternehmen ins Leben gerufen und hat sich der Einhaltung der Menschenrechte, dem Kampf gegen Korruption und Kinderarbeit, der Nutzung von Umwelttechnologien und anderen hehren Zielen verschrieben. Immerhin gewährt das neue Gesetz den Unternehmen einen gewissen Spielraum. Weder die EU-Richtlinie noch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung schreiben nämlich bestimmte Standards für die CSR-Berichterstattung fest.

Die Firmen können also wählen, ob sie einen eigenen Bericht verfassen oder auf Vorlagen wie etwa den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK, www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de) zurückgreifen. Der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklun“ hat hierfür 20 Kriterien zusammengefasst, welche den Vorgaben der neuen CSR-Richtlinie Rechnung tragen. Mehr als 130, zum Teil sehr namhafte Unternehmen haben den Kodex bis jetzt unterschrieben. So setzen neben nahezu allen Autoherstellern auch BASF, Bayer, Deutsche Bahn, Evonik, Interseroh, Linde, Otto und Siemens auf diesen Standard. „Auch kleine und mittlere Unternehmen können mit dem DNK den Berichtswünschen ihrer Auftraggeber nachkommen“, sagt Projektleiterin Yvonne Zwick und rät: Kann ein Betrieb einzelne Kriterien bei der Antragstellung nicht erfüllen, soll die Geschäftsführung offen sagen, ob sie diesen Aspekt nachholen wird oder aber ob dieses Kriterium für sie nicht relevant ist.

Doch trotz solcher Vorlagen gibt es für mittelständische Unternehmen, die den CSR-Berichtswünschen ihrer Auftraggeber nachkommen müssen, noch jede Menge zu tun. So müssen sie zahlreiche Daten erfassen – was Tage oder gar Wochen in Anspruch nehmen kann. Ein solch immenser Aufwand steht den rund 150 Zulieferern von Dr. Schnell Chemie in den kommenden Monaten nicht bevor. Der Reinigungsmittelhersteller hat diese nämlich bereits vor Jahren verpflichtet, die unternehmenseigenen Standards auch im eigenen Betrieb anzuwenden.

© PwC

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Drei Fragen an …
… Nicolette Behncke, CSR-Expertin bei der Unternehmensberatung
PwC, zur neuen Richtlinie:

Welche mittelständischen Unternehmen müssen mit Nachfragen zu ihrer CSR rechnen?
Im Grunde genommen jedes Unternehmen, das als Lieferant oder Dienstleister Teil der Lieferkette eines berichtspflichtigen Unternehmens ist. Wenn dieser Auftraggeber auch noch in einer Branche tätig ist, in der Nachhaltigkeit für das Geschäftsmodell eine große Rolle spielt, wird es besonders viele Informationen einfordern.

Wie bereiten sich Lieferanten darauf vor?
Indem sie für Indikatoren, die ihre Nachhaltigkeit untermauern, Berichts- und Steuerungsprozesse einführen oder verbessern, sodass die Datenqualität angemessen hoch ist. Zulieferer und Dienstleister sollten auch ihre internen Richtlinien, Vorgaben und Prozessbeschreibungen aufeinander abstimmen.

Worauf kommt es noch an? Auf ein schlüssiges Kommunikationskonzept, das die intern ermittelten Nachhaltigkeitsinformationen den verschiedenen Zielgruppen zur Verfügung stellt. Der Geschäftspartner sollte zudem überlegen, ob er die wichtigsten Infos regelmäßig in einem Nachhaltigkeitsbericht zusammenfasst.