Das Unternehmermagazin aus der Handelsblatt Media Group

Creditreform

Tobias Ragge, Chef des Kölner Hotelportals HRS, über Büros ohne Schnickschnack, lehrreiche Jobs im Callcenter und die Zukunft der Zimmerbuchung. Interview: Thomas Mersch

Herr Ragge, der neue Firmensitz von HRS direkt am Kölner Hauptbahnhof steht kurz vor der Fertigstellung. Kennen Sie schon Ihr künftiges Büro?

Natürlich weiß ich, wie das aussehen wird. Ich muss ja sicher sein, dass das Büro – rein räumlich – die Kommunikation von mir und meinen Mitarbeitern unterstützt.

Haben Sie schon neue Möbel bestellt? Für die Mitarbeiter gibt es neue Möbel.

Ich nehme meine mit. Ich habe ein sehr professionelles Büro ohne großen Schnickschnack. Aber natürlich gibt es auch ein paar persönliche Dinge, an denen Erinnerungen hängen: Auszeichnungen oder Bilder.

Was wird sich nach dem Umzug ändern?

Wir wollen den Austausch untereinander besser organisieren. Das ist wichtig bei einer stark wachsenden Firma. Bislang sind wir auf drei Gebäude verteilt, da entsteht zu viel informeller Informationsfluss. Wir wollen zudem vernetzter arbeiten – dazu wird es etwa neue Projekträume geben.

Ist es in digitalen Zeiten nicht egal, wo die Beschäftigten tatsächlich sitzen?

Gerade in Bereichen, wo kreativ gearbeitet wird, ist der enge Austausch vor Ort ganz wichtig. Sonst läuft man Gefahr, von wichtigen Prozessen abgeschnitten zu werden. Bei uns soll etwa nicht nur der Vertrieb direkt mit den Kunden arbeiten, sondern auch das Produktmanagement.

Sie haben heute weltweit 28 Niederlassungen. Wie oft müssen Sie vor Ort sein, damit das Teamwork auch global funktioniert?

Ich versuche, überall mindestens einmal im Jahr gewesen zu sein. Bei den großen Märkten USA, China und Japan bin ich sogar öfter da.

Buchen Sie Ihr Hotel dann schon mal bei der Konkurrenz, um zu schauen, wie es da funktioniert?

Bei Konkurrenten buche ich grundsätzlich nie. Aber natürlich schaue ich mir unsere Wettbewerber sehr genau an.

Die Digitalisierung bedeutet in der Geschäftswelt einen radikalen Wandel. Ist HRS nur Profiteur oder gibt es auch Gefahren?

Ohne die Digitalisierung gäbe es uns in der heutigen Form gar nicht – sie hat unsere Entwicklung überhaupt erst möglich gemacht. Den Fortschritt können wir ohnehin nicht aufhalten, wir sehen deshalb jede Form der Veränderung erst einmal als Chance und nicht als Gefahr. Denn wir sind überzeugt, dass in einer sich rasch verändernden Umwelt diejenigen Vorteile haben, die schnell und beherzt entscheiden. Das kommt eigentümergeführten Unternehmen entgegen.

Sie haben jüngst eine neue Marke für Geschäftsreisen vorgestellt. Was sind Ihre Ziele?

Genau genommen ist das eine Weiterentwicklung unseres bestehenden Markendesigns. Unsere Herkunft ist das Hotelportal mit einem prägnanten Logo. Darauf aufgebaut haben wir unser Großkundengeschäft mit komplexeren Dienstleistungen wie Tagungen oder Gruppenreisen. Die Auftritte waren sehr ähnlich bei zunehmend unterschiedlichen Angeboten. Das wollen wir nun stärker differenzieren.

Großunternehmen können ohne Umweg über Ihr Portal über eine direkte Verbindung buchen. Worauf kommt es an beim sogenannten End-to-End-Service?

Die Prozesskette durchläuft mehrere Stufen. Sie beginnt mit dem Einkauf über Buchungssysteme und geht über Bezahllösungen wie virtuelle Kreditkarten, die das Bezahlen vor Ort ersetzen, und endet mit der Abrechnung. Dies intern abbilden zu können, ist eine entscheidende Anforderung, die große Unternehmen an uns richten.

Eine weitere Innovation heißt Multisource – sie binden Vertriebspartner wie Expedia über eine Schnittstelle in die HRS-Welt ein. Ist das Ihre Antwort auf wachstumsstarke Konkurrenten wie Booking.com?

Kein Anbieter kann es weltweit schaffen, immer den besten Preis zu haben. Dazu gibt es zu viele unterschiedliche Märkte und Hotelbetreiber. Wir haben gesagt: Dann lass uns doch mal selber unser Modell positiv angreifen, indem wir auch Wettbewerberportale einbinden. Um dann in den zehn Prozent der Fälle, wo ein anderer einen besseren Preis hat, den auch abzurufen. So kannibalisieren wir zwar erst mal unsere Marge. Aber es zählt, dass der Kunde immer an den besten Preis kommt.

Privatreisende buchen zunehmend beim Zimmervermittler Airbnb – wie stark ist die Konkurrenz für HRS?

Jeder, der Übernachtungsmöglichkeiten anbietet, ist für uns ein Konkurrent – also auch Airbnb. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob es sich um Privat- oder Geschäftskunden handelt.

Wie lautet Ihre Antwort auf den wachsenden Erfolg von Airbnb?

Die Frage ist doch: Was sucht ein Reisender genau? Ist es ein Objekt, bei dem der Eigentümer mit in der Wohnung lebt? Da haben wir keine Antwort, weil wir keine haben wollen. Oder geht es darum, ein Appartement für einen längeren Aufenthalt zu finden? Das haben wir längst im Angebot. Es gibt auch Hoteliers, die hier aktiv sind.

Der neue Firmensitz von HRS nahe dem Kölner Hauptbahnhof heißt „Coeur Cologne“. Das Unternehmen will im Spätsommer 2017 einziehen. © HRS

Der neue Firmensitz von HRS nahe dem Kölner Hauptbahnhof heißt „Coeur Cologne“. Das Unternehmen will im Spätsommer 2017 einziehen. © HRS

Wie steht es um Ihre Beziehung zu den Hotelbetreibern? Von deren Seite gibt es regelmäßig Klagen darüber, dass HRS seine Marktmacht unfair einsetzt und zu hohe Margen fordert. Zu Recht?

Die Kritik kommt eigentlich von den Hotelverbänden, dabei handelt es sich um Klientelpolitik. Es sind maximal 15 Prozent Provision, die wir erheben. Das ist fair. Wenn die Hotels selber die Distribution mit allen Risiken übernehmen müssten, Marketing auch in verschiedenen Sprachen inklusive, dann müssten sie viel mehr bezahlen.

Tatsächlich müssen Ihnen die Hoteliers also dankbar sein?

Mit ihrer kompletten Marktübersicht bieten Portale einen entscheidenden Vorteil zum Wohle des Konsumenten. Sie schaffen Übersicht über die gesamte Angebotsstruktur, schaffen zum Beispiel auch einheitliche Stornoregelungen. Das ist ein ganz klarer Mehrwert. Auf der anderen Seite helfen Portale wie wir der Mittelstandshotellerie, wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn diese stehen durch die großen Hotelketten unter Druck. Wir sorgen dafür, dass sie professionell buchbar sind – diese Kompetenz besteht bei vielen Anbietern gar nicht. Wir tragen also dazu bei, die mittelständische Struktur im Hotelgewerbe aufrechtzuerhalten.

Für Diskussionen sorgt immer wieder die Bestpreisklausel. Sie verbietet Hoteliers, auf eigene Faust günstiger als auf einem Online-Portal anzubieten. Das Kartellamt hat die Klausel untersagt. Eine Niederlage für die Buchungsportale?

Wenn der Gesetzgeber zu der Einschätzung kommt, dass er Regeln verändern muss, dann sollte er das tun. Wir halten uns an die Gesetze. Aber die müssen dann bitte auch für alle gelten. Das Kartellamt hat eben keinen einheitlichen Marktstandard geschaffen. Denn der Wettbewerb nutzt die Bestpreisklauseln noch. Das ist verzerrend.

Im Sommer gab es große Diskussionen um den sogenannten Ranking Booster, mit dem sich Hoteliers einen besseren Platz in Ihrer Rangliste erkaufen können. Haben Sie den wieder abgeschafft?

Nein, das haben wir nicht. Im öffentlichen Internet ist es gängige Marktpraxis, ein höheres Ranking über einen Auktionsmechanismus zu kaufen. Man denke nur an Google. Und es glaubt auch niemand, dass der Nudelhersteller, dessen Marke im Supermarkt ganz unten im Regal liegt, den gleichen Werbekostenzuschuss zahlt wie der Hersteller, dessen Ware sich auf Augenhöhe befindet. Man konnte uns allein vorwerfen, dass wir den Ranking Booster nicht transparent genug kommuniziert haben. Das ist inzwischen überall korrigiert worden, da wir immer für maximale Transparenz einstehen und den Kunden klar im Fokus haben.

Sie haben selbst im Hotelservice gearbeitet – angeblich um Ihr knapp bemessenes Taschengeld aufzubessern …

Mein Vater war immer klar der Meinung: Wenn man Geld haben will, muss man dafür arbeiten. Also bin ich ins Callcenter von HRS gegangen, um mir etwas dazuzuverdienen. Es hat mir nebenbei geholfen, ein tiefes Verständnis dafür zu entwickeln, was der Kunde will. Genauso, dass meine Mutter einen Hotelbetrieb geführt hat. Hier habe ich verstanden, wie Hotels ticken. Ich verstehe heute die Lage der Hotelpartner. Das ist die Basis.

Ihr Vater Robert Ragge hat HRS 1972 in einem ehemaligen Gemüseladen in Köln gegründet – was hat er Ihnen 2008 anlässlich Ihres Wechsels an die Spitze mitgegeben?

Es gab nicht den einen legendären Satz. Der Kunde ist König und gleichzeitig ist es wichtig, den Partner aus der Hotellerie nicht zu vernachlässigen. Darauf lief es hinaus.

Was machen Sie anders?

Ich bin ein ganz anderer Typ. Mein Vater ist eher ein Bauchmensch, ich gehe analytischer vor. Unterschiedliche Persönlichkeiten haben eben auch einen unterschiedlichen Stil. Das ist auch gut so. Jede Zeit braucht ihre Typen. Das Geschäft heute ist viel globaler und wir müssen anders führen.

Was sind denn die dafür notwenigen Qualifikationen?

Es braucht eine Vision mit klarer Zielrichtung – und mit dieser müssen sich die Leute identifizieren können. Es geht sehr stark darum, die Geschäfte über Argumente und Fakten zu führen. In einer digitalen Welt, in der es Zugriff auf so viele Zahlen gibt, ist es nötig, persönliche Empfindungen herauszuhalten. Es bedarf einer hohen Integrationsfähigkeit, gerade im internationalen Geschäft. Ein Manager muss hier Kulturen bedienen und unter einem Dach vereinen können.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Wie funktioniert eine Hotelbuchung wohl in 20 Jahren?

Deutlich anders als heute. Es wird viel persönlicher werden – Spracheingabe inklusive. Der Vermittler weiß, wer der Kunde ist und was er will – und gleicht das Angebot direkt mit dessen Profil ab. Die langen Listen mit Treffern, die man herunterscrollen muss, wird es dann längst nicht mehr geben.

DER MANAGER
Im März 2008 übernahm Tobias Ragge, der Sohn des Gründers Robert Ragge, die Geschäftsführung von HRS. Er studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre an der European Business School in Oestrich-Winkel und startete seine berufliche Karriere im Jahr 2002 bei der Lufthansa. 2004 wechselte er als Assistent der Geschäftsleitung zu HRS. Der renommierte Travel Industry Club kürte ihn zum „Travel Industry Manager 2012“, und die BTN Group, ein US-Nachrichtendienst für die Geschäftsreiseindustrie, wählte ihn 2014 und 2016 zu einem der 25 global einflussreichsten Menschen im Geschäftsreisemarkt.

DAS UNTERNEHMEN
HRS steht für Hotel Reservation Service Robert Ragge GmbH. Gegründet wurde das Unternehmen 1972 in Köln – zunächst mit dem Fokus auf Zimmervermittlung für Messebesucher. 1995 wurde die erste Website gestartet. Heute hat HRS weltweit 1.600 Mitarbeitern. Zu den Kunden zählen unter anderem mehr als 3.000 globale Konzerne.