1877 wurde in Deutschland zunächst das Patentgesetz verabschiedet und kurz darauf das kaiserliche Patentamt gegründet. Das erste erteilte Patent war ein „Verfahren zur Herstellung einer rothen Ultramarinfarbe“, dessen Erfinder Johann Zeltner, Mitbegründer der Nürnberger Ultramarin-Fabrik war. Seit dieser Zeit hat sich eine Menge getan: Allein 2014 wurden in Deutschland 32.000 Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. In Europa war das Land damit in diesem Jahr Spitzenreiter, weltweit gab es nur in den USA und Japan mehr Patentanmeldungen. Was bedeutet das nun für Unternehmer im deutschen Mittelstand?
Wenn Unternehmen sich ihre Innovationen über Schutzrechte sichern lassen, werden diese jedoch bei einem neuen Markteintritt, und dies gilt besonders in interessanten Märkten, häufig in Zweifel gezogen. Fehlt hier Patentschutz oder können die Schutzrechte nicht durchgesetzt werden, schmälert das den Gewinn des Unternehmens. Schnell findet man sich in Patentstreitigkeiten wieder. Es kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass das geistige Eigentum anderer – seine IP-Rechte (intellectual property) – verletzt werden. Zum Beispiel können zugelieferte Bauteile und Komponenten, die in das eigene Produkt eingebaut werden, zu einer substantiellen Gefahr für Patentverletzungen werden.
Ansprüche des Patentinhabers
Der Patentinhaber oder der exklusive Lizenznehmer kann verschiedene Ansprüche geltend machen, wenn es zu einer Patentverletzung kommt:
- Er kann die Unterlassung des geschützten Patentgegenstands fordern.
- Er kann auf Schadensersatz bestehen.
- Er kann Auskunft über Hersteller, Vertriebswege und Menge der Erzeugnisse beantragen.
- Er kann die Rechnungslegung einfordern.
- Er kann auf Rückruf und Vernichtung des geschützten Produkts beharren.
- Er kann die Veröffentlichung des Urteils verlangen.
Diese Ansprüche gelten auch dann, wenn noch keine Patentverletzung vorliegt aber diese nachweislich unmittelbar bevorsteht.
Rechtliche Möglichkeiten
Dem Schutzrechtinhaber stehen drei rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um sein Recht durchzusetzen:
- Die außergerichtliche Abmahnung, die eine Unterlassung und Verpflichtungserklärung beinhaltet.
- Die einstweilige Verfügung, die die Benutzung des Patents untersagt.
- Die Klage, die den Fall vor ein Gericht bringt.
Berechnung des Schadenersatzes
Für die Berechnung des Schadensersatzanspruches hat der Patentinhaber bzw. der exklusive Lizenznehmer die Wahl zwischen drei verschiedenen Schadensersatzberechnungsmethoden:
- entgangener eigener Gewinn,
- Herausgabe des Verletzergewinns oder
- eine angemessene Lizenzgebühr
Patentstreitigkeiten: oft langwierig und teuer
Gerät ein Unternehmen in einen Patentstreit, können erhebliche Rechtskosten entstehen. Zudem können Gerichtsverfahren bei IP-Verletzungen Jahre dauern. Unabhängig davon müssen gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geleistet werden. Dies alles kann das Unternehmen erheblich finanziell belasten. Patentrechtsstreitigkeiten können also teuer werden und aufgrund ihrer zeitlichen Dauer auch zermürbend oder sogar existenzgefährdend sein. Die Patentstrategie eines Unternehmens sollte deshalb sicherstellen, dass eigene Schutzrechte vor Gericht durchgesetzt werden können, dass genügend Mittel zur Abwehr der Ansprüche von Dritten wegen Schutzrechtsverletzungen zur Verfügung stehen und gegebenenfalls sogar berechtigte Schadensersatzansprüche geleistet werden können.
Kosten
Die Aussage, dass Patentstreitigkeiten teuer werden können, soll durch die Darstellung der Gerichtskosten verdeutlicht werden die entstehen, wenn es zu einer Klage kommt.
Bereits bei Einreichung der Klage muss der Kläger in der Regel die Gerichtskosten begleichen. Hinzu kommen unter Umständen Übersetzungen der Klageschrift, zum Beispiel wenn der Beklagte aus dem nicht deutschsprachigen Ausland stammt. Außerdem entstehen Kosten für Auslagen und Anwälte. Nach Verfahrensende trägt die unterlegene Partei sämtliche Kosten. Der Streitwert bei Patentverletzungsverfahren liegt in der Regel bei 500.000 bis 5 Millionen Euro. Das Kostenrisiko in erster Instanz beläuft sich dann auf 75.000-230.000 Euro. Kommt es zu einem Berufungsverfahren steigen die Kosten zusätzlich um 30 % an. Kosten eines möglichen Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof schlagen nochmals mit dem Doppelten des erstinstanzlichen Verfahrens zu Buche.
Typische Gerichtskosten zeigt die Tabelle (zum Vergrößern klicken):
Ihre Patentstrategie
Grundsätzlich sollte sich ein Unternehmen folgende Fragen stellen, wenn es seine Patentstrategie entwirft:
- Wie viele Schutzrechte hat der Wettbewerb?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass man wegen Streitigkeiten verklagt wird?
- Welche Schäden können durch Schutzrechtsverletzungen entstehen?
- Welche geschützten Produkte, Prozesse oder Marken besitzt man, die von der Konkurrenz kopiert werden könnten?
- Wie hoch sind die Kosten eines Rechtsstreits bei Durchsetzung der eigenen Schutzrechte und können diese aus eigenen Mitteln bestritten werden?
- Wie hoch kann ein möglicher Schaden aus einer Schutzrechtsverletzung an einem Dritten sein und kann das Unternehmen hierfür selbst aufkommen?
Vorteile einer Patentschutzversicherung
Unternehmensleiter gehen oftmals davon aus, dass die Risiken bei Patentrechten durch die Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt sind. Meist erhebt der Geschädigte Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen entstandener Vermögensschäden. Eine Betriebshaftpflichtversicherung deckt diese Schäden in der Regel aber nicht ab und auch Rechtsschutz- oder Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen schließen diese überwiegend aus.
- Durch den Abschluss einer Versicherung wird die Attraktivität des Unternehmens für Investoren erhöht, da das gesamte Schadensrisiko (Anwalts-, Gerichts- und Gutachterkosten, Schadensersatzansprüche, Kosten für die Einlagerung der produzierten Produkte, etc.) ausgelagert werden kann.
- Unternehmen ist es möglich, Rückstellung für Patentstreitigkeiten zu bilden, jedoch nur für einen Zeitraum von drei Jahren. Dem Versicherer ist es dagegen ausdrücklich erlaubt, sogenannte „Schwankungsreserven“ aufzubauen und somit für versicherte Patentstreitigkeiten zeitlich nahezu unbegrenzte Rückstellungen zu bilden. Durch Abschluss einer IP-Versicherung erhält das Unternehmen also bestmöglichen Bilanzschutz. Die Versicherungsprämie selbst kann als Betriebsaufwendung steuermindernd geltend gemacht werden.
- Verfügt das Unternehmen nicht über genügend finanzielle Ressourcen müssen eventuell IP-Rechte und/oder Produkte bzw. Produktlinien und/oder Märkte aufgegeben werden, da der Rechtsstreit nicht finanzierbar ist.
- Die Verletzung eigener Schutzrechte muss mangels finanzieller Mittel toleriert werden.
- Besondere Situation für Zulieferer: Damit Zulieferer großen Abnehmern ihre Produkte verkaufen können, werden oftmals Haftungsübernahmeerklärungen im Vorfeld vereinbart. Sollte der Abnehmer aufgrund eines Produktes, welches einen Patentschutz beim Zulieferer hat, verklagt werden, wird dieser Anspruch eins zu eins an den Zulieferer weitergereicht. Die Übernahme dieser Haftung bedeutet ein erhebliches finanzielles Risiko. Durch eine Patenthaftpflichtversicherung kann dieses Risiko elegant ausgelagert werden.
Im Rahmen einer Patentstrategie ist es deshalb unerlässlich, potentielle Verletzungen der eigenen Schutzrechte und Möglichkeiten der Verletzung fremder Schutzrechte zu definieren und mögliche Schadenszenarien zu bewerten. Ziel ist es, entsprechende finanzielle Mittel für diese Ereignisse freizuhalten oder diese Risiken in einer Versicherung auszulagern.
Christian Becker von der Domke Advice Service GmbH hat sich auf Patentschutz- und Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen spezialisiert. Mehr Beiträge von ihm auf www.das-blog.com