Wenn sich Mittelständler und Startup in kreativen Zentren als Partner zusammentun, profitieren beide Unternehmen – von den Strukturen und von Fördermaßnahmen.
Wenn die Großen der deutschen Wirtschaft ihre Startup-Areale in Berlin oder München gründen und ganze Abteilungen zur Begleitung der Gründerszene aufbieten, können mittelständische Unternehmen nicht mithalten. Aber wenn Mittelständler sich in vorhandene Strukturen einklinken, können sie ihr unternehmerisches Wissen und ihre Flexibilität einbringen. Gerade für sie lohnt die Recherche in Inkubatoren und Acceleratoren. Denn dort arbeiten viele kleinere Startups beieinander.
Der Inkubator ist der Brutkasten für Ideen: Private oder staatliche Förderer überlassen Arbeitsfläche und technische Infrastruktur, geben Coaching und Netzwerke obendrauf, damit die Gründer wachsen können. Das ist bei Acceleratoren auch so, allerdings sind dort die Starthilfen meist auf einige Wochen oder Monate befristet. So ganz klar getrennt werden die Begriffe in Deutschland nicht. Firmenchefs, die über ihre Verbände, die Presse oder gar im Vorbeigehen eines der beiden Stichworte lesen, finden ganz sicher im Web mehr über die Startup-Ansammlung. Denn eines ist die Gründerszene garantiert: digital.
Ansprechpartner für analogen Erstkontakt
In Baden-Württemberg sind gleich sieben Acceleratoren im Wirtschaftsministerium verzahnt. IT-Fachleute treffen sich zum Beispiel im Cyberlab in Karlsruhe, Ingenieure und Mobilitätsspezialisten bei M.Tech in Stuttgart, wohingegen Maschinenbauer auf Industrie-4.0-Suche in der Up2B-Region Mannheim/Heidelberg/Waldorf fündig werden. Für analogen Erstkontakt werden Ansprechpartner genannt. Wer den direkten Kontakt zur Schar junger Kreativer scheut, kann sich erst einmal anderswo mit Informationen versorgen: seine Wirtschaftsverbände, das Business Angels Netzwerk oder die regionale Wirtschaftsförderung. Die IHK Stuttgart ist ebenso Partner eines Accelerators wie die Stadt Karlsruhe.
Lassen sich mittelständische Unternehmer anstecken von der Ideenlust der Gründer und sehen sie die Chance auf gemeinsame Produkte oder Dienstleistungen, dann gilt es eine Runde durch Ökonomie und Juristerei zu drehen, statt sich allzu spontan finanziell zu engagieren. „Wer seine eigenen Ziele kennt, die Startups genau anschaut und den Beteiligungsvertrag sorgfältig gestaltet, legt den Grundstein für eine erfolgreiche Investition“, sagt Juliane Voigtmann, Rechtsanwältin bei CMS Hasche Sigle und Mentorin im Leipziger SpinLab.
» Wer mit einem Startup ein Produkt pilotiert, lernt, wie digitales Arbeiten geht. «
Eric Weber, SpinLab
2014 wurde SpinLab gegründet, der Accelerator der HHL Leipzig Graduate School of Management in der Baumwollspinnerei, modernste Coworking-Räume in traditionsreichen Gebäuden. Auch hier ist die Stadt Leipzig als Kommune eingestiegen. Die Infrastruktur nützt Gründern wie Unternehmenspartnern aus der vordigitalen Zeit. Energie, Gesundheit und Smart City heißen die Themen 2018. SpinLab arbeitet mit bis zu 25 gestandenen Firmen, die den kreativen Jungunternehmern Starthilfe geben.
Workshop fürs Traditionsunternehmen
Noch sind die Partnerplätze nicht ausgebucht. Dabei sind schon Ingenieurbüros für Infrastrukturplanung und Pflegeunternehmen, denn die Gründer entwickeln sowohl Software zur Verkehrsplanung und Apps zur Straßenzustandserfassung wie auch Bewegungssensoren für mobile Notfallsysteme. Bei Pilotprojekten tun sich Konzerne wie Porsche und die Postbank leichter. Doch die Zusammenarbeit bereichert auch Mittelständler. SpinLab-Direktor Eric Weber: „Wer mit einem Startup ein Produkt pilotiert, lernt, wie digitales Arbeiten geht, und die Gründer lernen Strukturen und das Marktgeschehen mitzudenken.“
Das muss nicht immer zu einem gemeinsamen Produkt führen. Der Paderborner Spediteur und Logistiker Andreas Hartmann etwa unterstützt Daniel Weiner, der 2013 im Gründerzentrum TecUP der Universität Paderborn die Bildungsplattform StudyHelp aufgesetzt hat. Inzwischen vermarktet StudyHelp Intensivkurse in Mathematik, Biologie, Englisch und Deutsch für Schüler und Studierende in Life-Kursen an 200 Standorten, aber auch online und mit Lernheften. Selbst ist die Spedition Hartmann International nicht im Bildungsbereich aktiv. Dennoch profitiert Unternehmer Hartmann von der Zusammenarbeit – ob beim Facebook-Marketing oder bei agilen Arbeitsweisen.
So schulte das StudyHelp Online-Team die Marketingmitarbeiter von Hartmann in einem Workshop für einen wirksameren Social-Media-Auftritt. Auch als sich das Logistikunternehmen entschied, ins B2C-Geschäftsfeld vorzustoßen, gab es einen gemeinsamen Workshop mit den Startup-Gründern. Geschäftsführer Hartmann selbst kam, er wollte lernen, wie Privatkunden ticken – im Vergleich zu seinen Business-Kunden, die Transportaufträge vergeben. Sein Fazit: „Der Erfahrungsaustausch mit dem Startup befruchtet auch unser 162 Jahre altes Unternehmen.“
Achtung beim Kleingedruckten – Finessen der Verträge
Wenn Mittelständler mit Startups zusammenarbeiten, müssen sie einiges beachten.
Rechtsanwältin Juliane Voigtmann von der Kanzlei CMS Hasche Sigle rät zu folgenden Schritten:
Vorbereiten
Vor der Kooperation mit Startups sollten sich Mittelständler fragen:
✪ Welche konkreten technologischen Innovationen suchen wir?
✪ Wie erzielt unser Unternehmen damit Wertschöpfung?
✪ Wie soll die Integration der Startup-Beteiligung in das operative Geschäft erfolgen?
Innovationsform wählen
In Abhängigkeit von den strategischen Zielen kommen grundsätzlich folgende Wege in Betracht:
✪ Vollständiger Erwerb des Zielunternehmens oder Startup-Teams
✪ Gründung eines Joint Ventures
✪ Beteiligung an oder Initiierung von Acceleratoren und Inkubatoren
✪ Beteiligung an Startups mit Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln
Prüfen
Bei der Beteiligung an einem Startup muss die vorgeschaltete Unternehmensprüfung andere Schwerpunkte setzten als bei der Prüfung klassischer Unternehmen – zum Beispiel:
✪ Know-how-Schutz
✪ IT-Sicherheit
✪ Immaterialgüterrecht, Dateneigentum und Datenschutz
✪ Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben
Gestalten
Eine ausgewogene Beteiligungsdokumentation ist essenziell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit des mittelständischen Investors mit den Gründern und weiteren Investoren. Wesentliche Stellschrauben sind Regelungen zu:
✪ IP-Transfer – Sicherstellung, dass das für das Geschäftsmodell benötigte geistige Eigentum dem Unternehmen gehört
✪ Kontrolle – Zustimmungsvorbehalte für wesentliche Geschäftsführungsmaßnahmen und Informationsrechte für die Investoren
✪ Ausbau und Beendigung der Beteiligung – Zeichnungsrechte in weiteren Finanzierungsrunden, Vorkaufs-, Mitverkaufsrechte und Mitverkaufspflichten