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Viele Projekte in Unternehmen scheitern nicht daran, dass es an Tools und Know-how fehlt, sondern vielmehr an Konflikten, die mit den handelnden Personen zu tun haben: dem Geschäftsführer beispielsweise, der U-Boot-Projekten Priorität einräumt und so dringend benötigte Ressourcen bindet oder dem Auftraggeber, der sich der Auftragsklärung und nachvollziehbaren Zielvereinbarung entzieht oder fachlichen Einfluss nimmt.

Letztendlich soll der Projektleiter als Desperado mit erheblichem Mehreinsatz retten, was zu retten ist. Ein Ablauf, der sich unzählige Male wiederholt und ganze Generationen von Projektleitern aus Angst vor den persönlichen beruflichen Konsequenzen eines Projektmisserfolgs „verbrennt“.

Ein erfolgreiches Projektmanagement muss ganzheitlich vorgehen und stellt vor allem die Menschen in den Unternehmen in den Mittelpunkt. Es hört dabei nicht bei den Projektmachern und Desperados auf, sondern bindet alle Schnittstellen ein. Es trägt dazu bei, dass sich alle im Unternehmen als einen gemeinsamen starken Motor sehen. Jede Schnittstelle hat ihre eigene Verantwortung und Kompetenz, die aktiv gelebt werden muss. Doch das ist vor allem eine der Kultur im Unternehmen. Und hier kommt der Geschäftsleitung eine entscheidende Rolle zu.

1. Das klare Bekenntnis

Die Geschäftsleitung muss sich für ein durchgängiges Projektmanagement mit verbindlichen Rollen entscheiden, dies klar und deutlich kommunizieren und aktiv vorantreiben. Sie nimmt Widerständen den Wind aus den Segeln und zeigt, dass es ihr ernst ist mit dem neuen Vorgehen. Dabei wird Kommunikation großgeschrieben: Als hilfreich erweisen sich beispielsweise Führungskräfteklausuren und Mitarbeiterversammlungen.

2. Wie sieht’s aus? Der Ist-Zustand

Im zweiten Schritt wird ermittelt, wie die Rollen in Projekt und an den Schnittstellen zur Linie aktuell im Unternehmen verteilt sind und aktiv gelebt werden. Wichtige Mittel sind hier, unter anderem, persönliche Interviews sowie Analysen des Mitarbeiterpotenzials. An den Schnittstellen werden die Reibungspunkte zwischen dem Eigenverständnis der Mitarbeiter und ihren Rollenerfordernissen in der Projektarbeit offengelegt. Die Beziehungen der Projektbeteiligten untereinander, deren positive Seiten wie auch mögliche Handlungsfelder werden visualisiert. Am Ende dieser Phase steht ein umfassendes Projektbild, das auch Prozesse, Methoden und Tools einbezieht.

3. So viel wie nötig, so wenig wie möglich – neue Rollenprofile

In der Entwicklungsphase werden die neuen Rollen konzipiert und verknüpft. Sie werden in einem Rollenhandbuch fixiert, das später als Referenz dient. Beschrieben werden die Aufgaben in Projekt und Linie, die Verantwortungsbereiche und Kompetenzen sowie die Führungsstruktur: Wer führt wen, wer arbeitet wem zu, wer sind die jeweiligen Ansprechpartner – und vor allem, wie lebt sich das im Tagesgeschäft? Was geschieht bei Freigaben, was bei Eskalationen? Wer kommuniziert wann mit wem – wer entscheidet was? Gegebenenfalls notwendige Prozess- und Methodenoptimierungen werden natürlich berücksichtigt.

Rollenprofile sind unbedingt nötig für

  • die Geschäftsleitung,
  • Lenkungsausschüsse,
  • betroffene Linienmanager,
  • Projektauftraggeber,
  • Projektleiter,
  • Projektmitarbeiter sowie
  • weitere etablierte oder neudefinierte Rollen (Teilprojektleiter / Projektoffice / Kernprojektteam)

4. Umsetzung: Die Rolle „zum Menschen tragen“

Hier werden Mitarbeiter und Führungskräfte in Projekt und Linie aktiv eingebunden. Zentrale Fragen dabei, welchen Nutzen hat jeder aus diesem neuen Vorgehen? Worauf kommt es an und was kann jeder aktiv zum Ergebnis beitragen? Sie lernen das Rollenbuch kennen und trainieren, wie sie sich mit den anderen Projektrollen ergänzen. Eine hohe Transparenz in dieser Phase schafft Motivation dadurch, dass jeder versteht, wie bedeutsam er für das Gelingen der Projektarbeit im Unternehmen ist.

5. Verankerung: Die „Schrauben nachziehen“

Nach einem definierten Zeitraum wird ermittelt, inwieweit das neue Rollenmodell in der Projektarbeit Früchte trägt. Es wird geprüft, inwiefern sich die vereinbarten Rollen in der Praxis leben lassen und welche konkreten Ergebnisse die Praxis erbracht hat.Anschließend werden diese Ergebnisse bewertet, nötige Korrekturen abgestimmt und anschließend umgesetzt.

Durchführung eines „Metaprojekts“

Es hat sich vielfach bewährt, die hier beschriebenen Maßnahmen im Rahmen eines eigenen Projekts durchzuführen, das sich seinerseits so weit wie möglich am neuen Vorgehen orientiert und klare Rollen aktiv vorlebt. Dieses „Metaprojekt“ demonstriert allen Beteiligten die Leistungsfähigkeit der neuen Rollen und Prozesse und lässt sie intern in ihre neuen Rollen hineinwachsen. Schließlich erhalten alle eine verlässliche Leitlinie, wie sie im Spannungsfeld zwischen Projekt und Linie interagieren. Die neue Transparenz erhöht nicht nur das Wissen um die Projektzusammenhänge, sondern verbessert auch die Motivation und damit die Bindung ans Unternehmen.

Bei der Einführung kommt es entscheidend auf den Einsatz der Geschäftsleitung an – und das weit über die Einführungsphase hinaus. Die Geschäftsleitung agiert als Vorreiter und muss diese Rolle in das Unternehmen transportieren. Externe Dienstleister können Einführung und Umsetzung eines solchen Projektes durch erprobte Tools, durch Projekt-Coachings und gezielte Trainingsmaßnahmen flankieren – in jedem Fall aber mit dem begrenzten Auftrag, die interne Organisation zur Eigenleistung zu befähigen.

Die neue Projektstrategie minimiert die Reibungsverluste bei Projekten und harmonisiert die Abläufe zwischen Projekt- und Linienarbeit. Die Leistungsfähigkeit und die Wirtschaftskraft des Unternehmens erhöhen sich, weil mehr Projekte ohne Zeitverzug und Ressourcenverlust erfolgreich abgeschlossen werden.

Für Desperados, die die gesetzten Projektziele in letzter Sekunde mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand mehr oder weniger komplett umsetzen, ist in einer solchen Welt kein Bedarf – dafür ist der Weg in eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Projekt und Linie mit zufriedeneren Mitarbeitern geebnet.

Über die Autorin: Sabine Dietrich ist Management-Beraterin, Trainerin und Coach sowie Inhaberin von Mpm Experts. Sie unterstützt Unternehmen im In- und Ausland in der Professionalisierung der Projektarbeit – beim Managen einzelner Projekte wie auch der Planung und Steuerung von Projektportfolios. Darüber hinaus leitet sie Trainings und Coachings alle Ebenen der Projektorganisation.