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Creditreform

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Allgemeiner Kündigungsschutz, besonderer Kündigungsschutz, gar kein Kündigungsschutz: Wer sich von einem Mitarbeiter trennen will, muss eine verwirrende Vielzahl von Regeln und Ausnahmen beachten. Ein Überblick.

 

Der Rechtsstreit zog sich über vier Jahre und drei Instanzen. Am Ende stand ein klarer Sieg für den Arbeitgeber.

Das Bundesarbeitsgericht entschied: Weigert sich ein Arbeitnehmer nach einer Versetzung beharrlich, die ihm zugewiesenen neuen Aufgaben zu erfüllen, ist dessen Kündigung gerechtfertigt – erst recht, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld eine Mediation durchgeführt und mehrere Abmahnungen ausgesprochen hat (Az.: 2 AZR 436/17).

Das Urteil hat fast schon Seltenheitswert. Denn grundsätzlich sind das deutsche Arbeitsrecht und die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung von dem Gedanken geprägt, Arbeitnehmer möglichst umfassend vor einem unerwünschten Jobverlust zu schützen.

Außer in Kleinbetrieben mit bis zu zehn Personen Belegschaft (siehe unten) hat das Gesetz daher hohe Hürden für Arbeitgeber errichtet, die sich von unliebsamen oder überflüssigen Mitarbeitern trennen wollen.

Sobald ein Arbeitnehmer sechs Monate unter Vertrag steht, ist dessen ordentliche Kündigung nur erlaubt, wenn der Chef triftige Gründe für die Personalentscheidung hat.

„Denkbar sind im Wesentlichen drei Varianten“, sagt Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt in Starnberg. „Personenbedingte Gründe liegen zum Beispiel vor, wenn ein Mitarbeiter häufiger krank ist als im Büro oder wenn er seine Berufsausübungserlaubnis verliert.

Eine verhaltensbedingte Kündigung knüpft stets an ein konkretes Fehlverhalten an und kann etwa gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer immer wieder Kunden oder Kollegen belästigt.

Die dritte Kategorie ist die betriebsbedingte Kündigung. Paradebeispiel hierfür ist der Personalabbau in Krisenzeiten.“

Mit diesem allgemeinen Kündigungsschutz ist es aber keineswegs getan. Der Gesetzgeber normiert an diversen Stellen auch noch einen Sonderkündigungsschutz für Arbeitnehmer, die er als besonders schutzwürdig ansieht.

Kündigungen im Kleinbetrieb

  • Betriebe, in denen zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigt sind, unterliegen nicht dem Kündigungsschutzgesetz. Aber nicht jeder Arbeitnehmer zählt voll.
  • Um herauszufinden, ob der eigene Betrieb als Kleinbetrieb gilt, müssen Arbeitgeber die Beschäftigtenzahl korrekt ermitteln. Wer nur bis zu 20 Stunden pro Woche arbeitet, wird als halber Mitarbeiter gezählt.
  • Für alle, die mehr als 20 und bis zu 30 Stunden pro Woche Dienst tun, ist der Faktor 0,75 zu veranschlagen.
  • Nur Arbeitnehmer, die mehr als 30 Stunden pro Woche arbeiten, gelten als „ganze“ Arbeitnehmer – Auszubildende und Geschäftsführer hingegen nicht.
  • Wichtig ist zudem: Selbst, wenn der allgemeine Kündigungsschutz nicht greift, sind Arbeitgeber stets an die diversen Sonderkündigungsschutzrechte gebunden. Zudem sind ihnen diskriminierende und willkürliche Kündigungen verboten.

Besondere Kündigungsregeln für besondere Lebensumstände

§ 17 des Mutterschutzgesetzes verbietet es zum Beispiel, eine Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung zu kündigen.

Gleiches gilt, wenn die Arbeitnehmerin nach der zwölften Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleidet.

Auch während der Elternzeit ist Sorge um den Job meist kein Thema: § 18 des Bundes­elterngeld- und Elternzeitgesetzes normiert den Sonderkündigungsschutz für junge Väter und Mütter.

Große praktische Bedeutung hat darüber hinaus der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte (§§ 168 ff. des Sozialgesetzbuchs IX).

Diese Regelungen sehen vor, dass Arbeitgeber, die sich von Mitarbeitern mit Handicap trennen wollen, stets die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes einholen müssen. Auch die Schwerbehindertenvertretung ist vorab zu unterrichten und anzuhören.

Eine Jobgarantie haben die genannten Arbeitnehmergruppen aber trotzdem nicht. „Das Integrationsamt muss die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten grundsätzlich erteilen, wenn die Kündigung nicht mit der Schwerbehinderung zusammenhängt“, sagt Christoph  Bergwitz, Senior Associate bei Kliemt Arbeitsrecht.

„Auch Mutterschutz und Elternzeit bieten keinen absoluten Schutz vor Kündigungen. Möglich sind Kündigungen etwa bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen der betreffenden Mitarbeiter oder bei Betriebsschließungen.“

 

Spezieller Kündigungsschutz von Amts wegen

Noch besser haben es all jene, die nicht nur aus persönlichen Gründen als besonders schutzwürdig gelten, sondern wegen eines speziellen Postens. Sie kommen selbst bei größeren Entlassungswellen normalerweise nicht auf die Liste potenzieller Kündigungskandidaten.

Aktive Betriebsratsmitglieder etwa sind sowohl während ihrer Amtszeit als auch im Jahr danach vor ordentlichen Kündigungen geschützt. Wer erfolglos kandidiert hat, genießt ein halbes Jahr lang Sonderkündigungsschutz – gerechnet ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Gleiches gilt für Ersatzmitglieder und Mitglieder des Wahlvorstands. Bei Betriebsstilllegungen sind Betriebsratsmitglieder grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Stilllegung kündbar.

Ähnlich weitreichende Privilegien genießen die diversen betrieblichen Sonderbeauftragten, also jene, die sich etwa um Fragen der Abfallentsorgung, den Daten-, Immissions- oder Gewässerschutz kümmern oder zum Störfallbeauftragten bestellt wurden.

„Auch ihre ordentliche Kündigung ist während der Amtszeit und für die Dauer eines Jahres nach deren Auslaufen tabu“, so Bergwitz.

Dieser Sonderkündigungsschutz greift allerdings nur, wenn das Gesetz ein Unternehmen dazu verpflichtet, einen Sonderbeauftragten für den betreffenden Bereich zu bestellen.

Beim Thema Abfall besteht eine solche Obligation etwa für Betreiber von Mülldeponien, Kläranlagen oder Kliniken ab einer gewissen Größe. Entscheidend ist, welche Art von Abfällen anfällt – und in welcher Menge.

„Unternehmen, die einen Arbeitnehmer freiwillig mit einem solchen Posten betrauen, unterliegen hingegen nicht dem Sonderkündigungsschutz“, sagt Rechtsanwalt Bergwitz. „Die Betreffenden sind dann nur eine Art Sonderbeauftragte der Herzen, genießen aber keine kündigungsrechtlichen Privilegien.“

 

Auch Alter schützt vor Kündigung

Probleme beim Personalabbau können sich auch aus dem Tarifrecht ergeben. Gerade in den Tarifverträgen der Metallbranche finden sich oft Kündigungsbeschränkungen für bestimmte Arbeitnehmer(gruppen).

Weit verbreitet ist etwa der Ausschluss von ordentlichen Kündigungen für Arbeitnehmer jenseits der 55. Gleiches gilt oft für alle, die länger als 15 Jahre zum Team gehören.