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Creditreform

So mancher Macher im Mittelstand denkt bei Nachhaltigkeit noch immer an abgedrehte Ökos, um nicht zu sagen: an Weicheier. Was sagen Sie ihm?

Das habe ich ehrlich gesagt auch mal gedacht. Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt: Nachhaltiges und ökologisches Handeln und wirtschaftlicher Erfolg sind kein Widerspruch! Im Gegenteil: Es waren immer diejenigen erfolgreich, die Antworten auf die drängenden gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit hatten. George Stephenson und Henry Ford haben Mobilitätslösungen entwickelt, Steve Jobs hat die Kommunikation revolutioniert. Ideen, die von der Gesellschaft dankbar aufgegriffen und in Kultur und Wirtschaft verankert wurden.

Nachhaltigkeit ist kein neues Thema?

Ganz und gar nicht. Aus der Forstwirtschaft kennen wir es schon seit Jahrhunderten – und Eduard Baumstark hat 1835 in seiner „Kameralistischen Encyclopädie sogar konkret von „ökonomischer Nachhaltigkeit“ gesprochen. Gerade für die europäischen Familienunternehmen des 19. und 20. Jahrhunderts spielte sie eine große Rolle, bevor sie im amerikanisch geprägten Turbokapitalismus der Jahrtausendwende systematisch diskreditiert wurde. Dass ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit zwei Seiten der gleichen Medaille sind, ist eine noch recht junge Erkenntnis, die allerdings noch nicht in allen Köpfen angekommen ist.

Warum tun sich viele Unternehmen dann so schwer damit?

Das hat viel mit Pfadabhängigkeiten und sozialem Status zu tun: Wenn es als Automobilingenieur stets mein Lebenstraum war, hochgezüchtete Motoren zu bauen, werde ich mich sehr schwer damit tun, nun davon abzurücken – auch wenn es bessere Alternativen gibt. Doch das Leben bestraft die, die zu spät kommen – leider aber auch die, die zu früh kommen. Deshalb müssen Führungskräfte ihr Augenmerk gleichzeitig auf systematische Früherkennung und auf Reagibilität lenken. Man sollte immer alternative Szenarien bedienen können und, vor allem in Zeiten der Internet-Ökonomie, alternative Geschäftsmodelle im Köcher haben.

Sind Öko-Gütesiegel eigentlich hilfreich?

Es gibt seriöse Siegel und solche, die unbequeme Wahrheiten verschleiern. Authentizität des unternehmerischen Handelns und das damit aufgebaute Vertrauenspotenzial sind 100-mal wichtiger als das beste Siegel. Und außerdem besagt das Siegel ja nur, dass ich den Standard einhalte. Erfolgreich waren aber immer die, die durch ihr Verhalten eigene Standards gesetzt haben …

Was können unsere Leser denn für mehr Nachhaltigkeit tun?

Sich zuerst bewusst machen, dass wir uns mit der Art und Weise, wie wir mit Ressourcen umgehen, selbst den Boden unter den Füßen wegziehen! Und sich dann die Frage stellen, mit welchen Innovationen man in welchen Märkten erfolgreich ist. Dann muss ich überlegen, wie ich das gesellschaftliche Problem besser löse als andere. Den Rest werden Markt und Wettbewerb eher früher als später erledigen.

Konkreter bitte: Was zeichnet nachhaltige Unternehmensführung aus?

Authentizität! Führungskräfte stehen in Zeiten von Facebook und Twitter unter immer stärkerer Beobachtung. Greenwashing und Co. werden immer schneller entlarvt. Ich kann nur betonen: Führungskräfte leben im Glashaus. Entweder man richtet sich danach – oder man wird vom Markt gerichtet.

Ingo Schenk

„Creditreform“ verlost drei Exemplare von Prof. Lutz Beckers praktischem Leitfaden „Unternehmen nachhaltig führen“, erschienen bei Symposion Publishing (eine Leseprobe finden Sie in der „Creditreform“-App). Um teilzunehmen, senden Sie eine Mail mit „Nachhaltigkeit“ als Betreff an creditreform-gewinnspiel@corps-verlag.de