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Nicht nur, dass stationärer Handel und Online-Shops immer enger zusammenrücken. Mit moderner IT-Technologie versuchen immer mehr Firmen, den Verkauf im Ladenlokal attraktiver zu gestalten. Das Ziel: die Zahl der Kunden und somit auch den Umsatz steigern. Ein Überblick über neue, lukrative Techniken.

 Für das Schuhhaus Bockstiegel begann die neue Zeitrechnung im Oktober 2016. Das 138 Jahre alte Traditionsgeschäft in Leer führte eine digitale Kundenkarte ein – samt QR-Code, iPad und App. „Die Zeiten wandeln sich gewaltig“, sagt Cornelius Uphoff, der den Laden in vierter Generation betreibt. „Wir versuchen, uns nach Kräften zu wehren.“ Soll heißen: mitziehen mit der Digitalisierung und aufrüsten.

Uphoff ist ein Beispiel dafür, dass auch kleine Händler die neue Generation der Informationstechnik produktiv nutzen können. Zwar ist vieles, was derzeit unter dem Stichwort digitale Revolution auf den Markt kommt, für den inhabergeführten Einzelhandel eine Nummer zu groß und zu teuer. Doch es werden sich günstige Standards etablieren. Schon heute gibt es Lösungen, die weitgehend unabhängig von der Ladengröße funktionieren.

Wie Point4more, für das sich Uphoff entschieden hat. Das Kundenleitsystem der Firma Convercus ist in der Basisversion ab 45 Euro im Monat erhältlich und um Features wie Datentracking und mobile Kommunikation erweiterbar. „Das hat ungeheures Potenzial“, findet Uphoff. Vorerst nutzt er das System vor allem als Treueprogramm; rund 1.300 Kunden haben sich schon angemeldet. Uphoff will weitere Händler von den Vorteilen überzeugen – die Karte kann auch im Verbund genutzt werden.
Wer digitale Features nutzen will, um den Verkauf anzukurbeln, muss oft zuerst in Infrastruktur investieren. Digitale Plakate etwa setzen nicht nur Bildschirme voraus, sondern auch Betreibersoftware, etwa vom Marktführer Online Software AG. Wer eine App anbieten will, in die Kunden bei Betreten des Ladens einchecken, muss WLAN bereitstellen. „Zu Beginn sollten technische Anforderungen an Systeme sorgfältig definiert und geprüft werden“, empfiehlt ein Leitfaden der Mittelstand 4.0-Agentur Handel.

Erst beobachten, dann Empfehlung abgeben

Immerhin haben sich Anfang des Jahres sechs Anbieter zur Internet-of-Things-Plattform Acuitas Digital zusammengeschlossen, darunter Intel, British Telecom und Retailnext. Das Pilotprojekt, in einer Thomas-Pink-Filiale in New York, erfasst und analysiert Waren- und Besucherströme in Echtzeit, kontrolliert via RFID-Etiketten automatisch das Inventar und gibt, kombiniert mit Digital Signage, individuelle Kaufempfehlungen. In solchen umfassenden Plattformen, so glauben Branchenkenner, liegt die Zukunft. Doch derzeit verfügen nicht wenige Händler nicht einmal über ein Warenwirtschaftssystem, vor allem, wenn das Sortiment sehr individuell ist und die Ware keinen Barcode besitzt.

Allerdings ist ein digital gestütztes System vielfach Voraussetzung für weiteren Fortschritt. In das cloudbasierte Warenwirtschaftssystem für Telefonie- und Elektronikhändler etwa, das die Brodos AG in Baiersdorf entwickelt hat, kann eine Einkaufsplattform integriert werden. Die wiederum bildet die Grundlage für einen Brodos.net-Kiosk, der das stationäre Angebot erweitert.

Als Insellösung funktionieren die Touchpads des Hamburger Startups Qualitize, auf denen Kunden via Smiley Feedback zu Service, Warenpräsentation oder Sortiment geben. Kostenpunkt: rund 600 Euro Einrichtungskosten inklusive Bodenterminal plus eine Monatspauschale, die bei 59 Euro beginnt. Einzige technische Voraussetzung ist eine Steckdose; die wöchentliche Auswertung kommt als PDF. Der Haibacher Modespezialist Adler stattete sämtliche 180 Filialen mit den Terminals aus. Das Gerät helfe, „den Nerv der Kunden jederzeit zu treffen“, sagt Vertriebschef Leif Heppner. Zudem lassen sich die Ergebnisse der Standorte unmittelbar vergleichen.

Und noch ein wichtiger Aspekt: die Datensicherung. Experten empfehlen ein doppeltes Backup – auf externen Festplatten und zusätzlich in der Cloud. Günstig sind US-Anbieter wieIDrive oder Backblaze (Jahresgebühr ab 50 Euro). Über deutsche Rechenzentren arbeiten Anbieter wie Strato oder Netclusive. Keine sichere Alternative sind Speicherplätze wie Dropbox, die Änderungen synchronisieren und so auch Virusinfektionen übertragen.
Cornelius Uphoff jedenfalls arbeitet weiter daran, seinen Laden fit fürs 21. Jahrhundert zu machen. „Schließlich soll meine Tochter auch noch die Chance haben, das Unternehmen zu führen.“ Seit Juni 2017 verkauft Schuhhaus Bockstiegel auch via Internet, über Amazon und Schuhe.de. Schon ärgert sich Uphoff über Lieferanten, die schlechte Datensätze für den Online-Shop liefern. So schnell kann sich die Perspektive ändern.