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Mark Bezner hat aus dem Hemden-Hersteller Olymp den Marktführer geformt. Er nimmt es sportlich – und verrät einen Trick: Olymp vermarktet ein Stück Sicherheit, Knitterfreiheit und Modernität. So trotzt man jedem Trend.

Wer zum Olymp will, muss hoch, immer nur hoch. Auf 2.918 Meter liegt der Gipfel der Götter in Griechenland. Am äußeren Ende des Industriegebiets von Bietigheim-Bissingen geht es immerhin bis auf 235 Meter über Normalnull – dort thront Deutschlands Hemden-König. Ein riesiges Logistikzentrum, 142 Meter lang und 20 Meter hoch, mit angeschlossenem Hauptquartier, steht selbstbewusst mitten im Feld. „Willkommen im Olymp“, wird der Besucher begrüßt.

Als sich Eugen Bezner 1951 entschied, seine Hemden-Schneiderei, damals noch in einer Waschküche, „Olymp“ zu nennen, konnte er nicht ahnen, dass 65 Jahre später ein begehbarer Superlativ daraus werden würde. Mit einem Umsatz von 237 Millionen Euro im Jahr 2015 ist Olymp unangefochtener Oberhemden-Primus im Lande. Maßgeblichen Anteil am stetigen Wachstum hat Enkel Mark Bezner, der 2010 vollends die Leitung des Familienunternehmens von seinem Vater Eberhard übernahm. „Mitte der 1990er-Jahre waren wir etwa auf Marktposition 14“, sagt Mark Bezner. „Aber ich sah es sportlich und wollte ins Finale. Heute sind wir Deutscher Meister.“

Familientradition ist Firmentradition

Schon im Foyer des Betriebs wird klar: Hier schreibt eine Familie ihre Erfolgsgeschichte. Ein Ölgemälde erinnert an Eugen. Eine gegossene Bronzebüste auf Sockel zeigt den aufgeweckt dreinblickenden Eberhard, der 1960 mit nur 24 Jahren die Geschäftsleitung übernehmen musste und heute mit 80 Jahren sehr vital dem Beirat vorsteht. Der 53-jährige Mark, der als geschäftsführender Gesellschafter die meisten Anteile hält, begnügt sich in Sachen Privilegien mit einem kleinen Schild draußen, rechts neben der Glastür. „Mark’s Parking Only“ steht rot auf weiß. Seinen todschicken Aston Martin hat er personalisieren lassen: Auf dem grauen Heck trägt der anstelle der Schwinge des Autoherstellers den verchromten Markenschriftzug Olymp. „Jedes Auto lässt sich noch aufwerten“, kommentiert Bezner trocken. Nach PS fragt man besser nicht.

Der Sportwagen steht dem vierfachen Vater bestens. Bezner ist kernig, der Slim-Fit-Anzug sitzt tadellos, passend dazu: eine fünf Zentimeter schmale Krawatte. Der frühere Nationalmannschafts- Schwimmer hat als damaliger Konkurrent von Michael Groß nur knapp die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1984 verpasst. Nach L.A. ging er trotzdem – um Wirtschaft zu studieren. Heute trainiert Bezner fast täglich in einem nur mit Erdwärme beheizten Schwimmkanal in seinem Garten. Auch an diesem Morgen gegen sechs Uhr war er im Becken. „15 Jahre Leistungssport haben mich geprägt und mir Werte mitgegeben.“

Gute Ideen kämen ihm beim Kachelnzählen, verriet er einmal. Ein Notizblock fehle nie in seiner Schwimmtasche. „Mein Unternehmen ist für mich Sport“, sagt Bezner. Nicht allein Zahlen und monetäre Ziele treiben ihn an, sondern Positionen im Markt. „Ich bekomme Befriedigung daher, dass ich sehe: Der Aufbau und Ausbau unserer Geschäftsmodelle funktioniert.“

Olymp: Aus dem Schwabenland in die Welt

Ein Blick auf die Erlöskurve genügt, um dieses Funktionieren zu erkennen: Binnen zehn Jahren hat sich der Umsatz mehr als verdreifacht, es gab kein Jahr ohne Zuwachs. Selbst in der schwierigen Zeit der Finanzkrise: Olymp legte beharrlich zu. Schon mehr als ein Drittel seiner Waren verkauft das Unternehmen im Ausland – dort vor allem in den Niederlanden, den schwierigen GUS-Märkten und in Österreich. Dreh- und Angelpunkt bleibt aber Bietigheim-Bissingen: Auch ein Hemd, das in China genäht und in Sibirien geordert wird, durchläuft das weltweite Zentrallager 20 Kilometer nördlich von Stuttgart. Fast vier Millionen Teile haben hier auf 81 Kilometern Regalfläche Platz. Lifte und Shuttles flitzen vollautomatisch durch das Lager und schubsen Kartons auf das jeweils richtige Rollband in Richtung Kundschaft.

 

In dritter Generation: Sport und Spaß am Wettkampf haben den ehemaligen Leistungsschwimmer geprägt. Mark Bezner arbeitete nach dem Wirtschaftsstudium in den USA zunächst als Produktmanager bei Procter & Gamble, bevor er 1990 als Leiter Marketing und Vertrieb bei Olymp Bezner einstieg. © OLYMP

In dritter Generation: Sport und Spaß am Wettkampf haben den ehemaligen Leistungsschwimmer geprägt. Mark Bezner arbeitete nach dem Wirtschaftsstudium in den USA zunächst als Produktmanager bei Procter & Gamble, bevor er 1990 als Leiter Marketing und Vertrieb bei Olymp Bezner einstieg. © OLYMP

 

Olymp setzt auf ausgeklügelte Logistik

Neben der intensiven Markenarbeit verschaffe die zuverlässige Lieferleistung Olymp wesentliche Wettbewerbsvorteile, sagt Bezner. Rund 40 Millionen Euro hat er in die ausgeklügelte Logistik investiert. Die Händler im In- und Ausland wissen: Wer bis 13 Uhr bei Olymp ein bestimmtes Hemd ordert, hat es tags darauf im Laden. Um diese Vorgabe zu erfüllen, macht das weltweit einzigartige automatische Hemden-Lager bis zu 10.000 Kleidungsstücke pro Stunde versandfertig. Was an den Packstationen in kleinen Taschen anlandet, wurde von der Förderanlage schon kundenindividuell vorsortiert. Den Rest erledigt der Kurier.

Dass mit dem Kernprodukt Herrenhemd überhaupt noch Wachstum möglich ist, darf durchaus verwundern. Denn die Kleiderschränke sind eigentlich prall gefüllt. „Der Markt ist angespannt, er wächst nicht“, sagt Bezner. Die Konsumforscher der GfK stellen fest, dass seit 1995 der Verkauf von Herren-Hemden im Kernmarkt Deutschland sogar von mehr als 100 Millionen Stück auf etwa 50 Millionen geschrumpft ist. Außerdem erfasst der Billigtrend mit voller Wucht die Textilwirtschaft. Auch Branchengrößen wie Hugo Boss, Steilmann oder Gerry Weber bekamen diese Entwicklung in jüngster Vergangenheit zu spüren. „Das ist erst der Beginn“, prophezeit Bezner. „Was die nächsten zwei, drei Jahre angeht, da müssen wir uns sicher auf so manches gefasst machen. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir unseren Weg fortsetzen werden.“

Der Kunde macht es den Qualitätsherstellern schwer. Nach GfK-Zahlen wurden im Jahr 2015 für etwa 53 Prozent aller in Deutschland verkauften Hemden nicht einmal 20 Euro bezahlt. Nur knapp acht Prozent der Hemden kosteten im selben Zeitraum 50 Euro und mehr. Damit wächst Olymp, das gerade in mittleren Preislagen um die 50 Euro agiert, vollkommen gegen den Trend. „Wir werden bei der Produktqualität keine Kompromisse eingehen. Ein hervorragendes Preis-Leistung-Verhältnis liegt in der Unternehmens-DNA“, sagt Bezner – auch wenn ringsum „enormer Preiskampf“ herrsche. Sein Vorteil: „Der Hemden-Kunde ist sehr markentreu.“ Wer einmal seinen Look gefunden hat, kauft gerne nach, ohne anzuprobieren. „Hohe Passformtreue“ sei daher für alle Wiederkäufer unerlässlich.

Olymp: Mit Hemden immer richtig angezogen

Kernzielgruppe sind Männer, die schon von Berufs wegen täglich ein frisches Hemd anziehen müssen. Olymp kann als klassischer Büroausstatter gelten, man profiliert sich gerne als sichere Bank. Wer das „O“ auf der Brusttasche aufblitzen lässt, signalisiert Chefs, Kollegen und Verhandlungspartnern: Ich habe bis hierher nichts falsch gemacht. Ein Mann im Olymp eben. Keine Experimente – und dank Hemden-Innovation „Luxor“ sogar bügel- und knitterfrei. „Wir verkaufen ein Stück Gewissheit, stets korrekt gekleidet zu sein“, sagt Bezner. „Der Mann ist einfach gestrickt, er nimmt auch Kombinationsempfehlungen gerne auf.“ Einmal so aussehen wie die Puppe, bitte.

Olymp ist klarer Marktführer

Das 1951 von Eugen Bezner gegründete Unternehmen ist die deutsche Nummer eins bei Herren-Oberhemden. Mit 760 Mitarbeitern in Deutschland und Österreich erzielte die Olymp Bezner KG im Jahr 2015 rund 237 Millionen Euro Umsatz. Zur Unternehmensgruppe gehört auch die 2010 übernommene Marke Maerz München, die Strickwaren anbietet. Heute läuft das Geschäft großteils über Handelspartner und 60 eigene Läden in Innenstadtlagen. Doch auch der Internetvertrieb nimmt zu, seit März betreibt man die Plattform Olymp.com erstmals in Eigenregie. „Den Webshop werden wir künftig auch international stärker bespielen“, sagt CEO Mark Bezner. 2013 nahm er das neue Logistikzentrum am Stammsitz Bietigheim-Bissingen in Betrieb. Ein gutes Drittel der Produktion geht in den Export – in mehr als 40 Länder der Erde.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Olymp-Designer nicht auf modische Trends achten müssten. Im Gegenteil: „Mit weißen Hemden allein kämen wir nicht weit“, sagt Bezner. Nur die Hälfte des Umsatzes entfällt auf „Never out of Stock“-Artikel, die Standard- und Basicangebote. Er legt eine dicke Mappe mit Stoffmustern auf den Tisch. „Die lege ich mir auf eigene Kosten hier aufs Lager“, sagt Bezner. Hauptsache: lieferbar.

Risiken eingehen im Geschäft mit den Hemden

Die andere Hälfte verteilt sich auf Kollektionsware, die einmal im Quartal neu von den Peek & Cloppenburgs dieser Welt vorgeordert wird. Im schnelllebigen Geschäft Mode muss Bezner systembedingt Risiken eingehen. Wenn die Chefeinkäufer der Handelspartner den Olymp hochkommen und im Showroom zu stöbern beginnen, hat Bezner das Gewebe angesichts der enormen Vorlaufzeiten von sechs bis sieben Monaten bis zur Auslieferung der fertigen Hemden längst disponiert. „Das sind große Bestellanstöße. Klar setzt man da auch mal 2.000 Meter Stoff auf eine falsche Farbe.“ Meist aber gelingt es der Designabteilung, die massenkompatiblen Trends zu erspüren. So werden im kommenden Herbst erstmals neue Superslim-Schnitte auszupacken sein. „Olymp No Six – das stark taillierte Businesshemd mit neuen Proportionen für superschlanke Männer.“ Wohlgemerkt: ohne die Träger der großen Größen bis 6XL aus den Augen zu verlieren.

Der Zug zur Null-Bauch-Toleranz ist jedoch kein Zufall, sondern hängt damit zusammen, dass Olymp immer früher die Kunden an die Marke binden will: „Wir haben uns vehement in der Kollektionsaussage verjüngt“, sagt Marketingleiter Marc Fritz. Massiv habe man in die Marke investiert, jährlich mehrere Millionen Euro stehen ihm an Werbebudget zur Verfügung. Die Zusammenarbeit mit der „schwäbisch-bodenständigen“ Borussia aus Dortmund passe da perfekt, findet Bezner. Deren Star Marco Reus krempelt im Werbemotiv extra die Ärmel hoch, um seine Unterarm-Tattoos zu zeigen. Das fetzt zur Krawatte.

Olymp als verlässlicher Partner

Hergestellt wird die Ware an vier Standorten in Fernost sowie in zwei Werken in Mazedonien und einem Werk in Kroatien, zu dem seit 45 Jahren eine Lieferbeziehung besteht. Bezner betont, dass auch dank eigener Mitarbeiter vor Ort volle Transparenz in der Lieferkette herrsche. So stelle er die definierten Produktionsbedingungen und Sozialstandards sicher. „Ich bin überzeugt, Qualität gelingt nur dann, wenn die Arbeitsbedingungen auch sehr gut sind“, sagt Bezner. Die Beziehungen zu den wenigen Lieferanten seien deshalb auf Dauer angelegt.

Olymp will jeden Modetrend vorhersehen

Mark Bezner erinnert sich noch belustigt an die Hemden der 1990er-Jahre. „Solche Ballons“, sagt er und formt ein Zelt. „Man hat sie extra noch eine Nummer größer geschnitten, damit es noch mehr aus der Hose raushängt.“ Aber nicht zu früh freuen: Moden kehren wieder. Irgendwann wird es so weit sein. „Wir glauben daran, dass noch eine Weile die schlanken Schnitte angesagt sind. Aber im absolut hochmodischen Bereich kippt es schon wieder – da wird es schon weiter.“

Ein Dutzend eigene Kreativkräfte und externe Trendscouts sind für Olymp in der Welt unterwegs, um angesagte Farben, Muster und Strömungen aufzuspüren und auf Hemden zu adaptieren. Die so auf Papier entwickelten Eigenkreationen werden mit einer kleinen Gruppe Näherinnen in Bietigheim-Bissingen in die Realität umgesetzt. Nicht mehr als 20 Frauen arbeiten im Atelier mit Nadel und Faden. Hier in der Entwicklungsabteilung entstehen lediglich die Prototypen für den Showroom. Die eigentliche Konfektion in den Millionenstückzahlen geschieht dann in Fernost und Südosteuropa. Ab und zu kommt es jedoch vor, dass an den Zuschneidetischen in Bietigheim mal für einen Freund des Hauses eine Sonderanfertigung entsteht.

Wendelin Wiedeking, Bezners Boule-Partner, kommt zum Beispiel in diesen Genuss der Maßarbeit. Als er noch Porsche-Chef war, fuhr Bezner im Gegenzug auch brav die ebenfalls ortsansässige Sportwagenmarke. Erst einen 911er, dann Panamera. „Mich verbindet mit Wiedeking eine enge Freundschaft“, sagt Bezner. „Aber auf meine aktuelle Markenwahl im Automobilbereich reicht sein Einfluss nicht mehr“, lacht er.