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Einen Baumstamm nach dem anderen befördert der Greifarm auf die Ladefläche des Lkw, als ob die dicken Stämme nichts wiegen würden. Hohe Fichten säumen den Waldweg und den Holzabholplatz am Wegrand, doch die engen Platzverhältnisse stören Ferdinand Müller nicht. In nicht einmal fünf Minuten hat der Chef der F. Müller Fahrzeugbau, einem Lkw-Ausrüster für den Holztransport, das Fahrzeug beladen. Die Kabine über dem Lkw-Fahrerhaus, aus der heraus Müller den Greifarm mit seiner maximalen Reichweite von bis zu 16 Metern steuert, hatte der Unternehmer zuvor 1,5 Meter nach oben gefahren. Während der Fahrt sind Greifarm und Kabine zusammengeklappt, eng am Fahrzeug, um den Luftwiderstand möglichst gering zu halten. „Der Zentrallader ist eines unserer wichtigsten Produkte“, erzählt der Firmeninhaber hinterm Steuer. „Ständig sind wird dabei, das Handling zu verbessern und Gewicht zu reduzieren – in Zusammenarbeit mit dem Fahrzeughersteller.“

Auch dem Hersteller – im Fall dieses Basisfahrzeugs ist es Scania – ist die Zusammenarbeit mit dem Aufbauer wichtig, denn: „Fahrzeug und Aufbau müssen als System funktionieren“, wie Deutschlandchef Alexander Vlaskamp bekräftigt. Das System müsse über eine große Wendigkeit verfügen bei zugleich möglichst geringem Gewicht, es müsse sich leicht rückwärts in Sackwege einfahren lassen und zugleich mit kurzen Rüstzeiten, wenig Treibstoffverbrauch sowie geringem Reifenverschleiß überzeugen. Hinzu kommt, dass Fahrzeuge mit speziellen Aufbauten meist länger genutzt werden – Lebenszeiten von acht Jahren und mehr sind keine Seltenheit. Entsprechend hoch fallen die Zahl der Fahrt- und Betriebsstunden sowie die Kilometerlaufleistung aus. „Auf diese Besonderheiten haben wir uns mit speziellen Lkw-Modellen eingestellt“, wirbt Vlaskamp: Motor, Getriebe, Achsen, Chassis und Federung seien auf die harten Beanspruchungen ausgelegt.

Solch enge Abstimmung zwischen Fahrzeugbauer und Ausrüster verwundert wenig angesichts der Marktbedeutung von Holztransporten: Deutschland ist eines der waldreichsten Länder Europas, rund elf Millionen Hektar Wald bedecken 31 Prozent der Gesamtfläche, etwa 130.000 Unternehmen sind in den Bereichen Forst und Holz tätig, so die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Es sind Betriebe, die aus dem nachwachsenden Wertstoff Halbfertigprodukte wie Zellstoff für die Papierindustrie, und Fertigprodukte wie Pellets, Parket, Möbel und Boote herstellen. Laut Landwirtschaftsministerium haben die Unternehmen insgesamt rund 1,2 Millionen Mitarbeiter und erwirtschaften etwa 172 Milliarden Euro pro Jahr. 75 Prozent des Holztransportes werden mit Lkw abgewickelt, von rund 1.000 Betrieben.

Basisfahrzeug und Aufbau

Doch nicht immer ist die Kooperation zwischen Fahrzeug- und Aufbauhersteller so engmaschig. Nicht wenige Lkw-Aufbauer vermarkten ihre Konzepte für einzelne Branchen unabhängig vom Kfz-Produzenten: „Viele Firmenkunden bestellen Basisfahrzeug und Aufbau getrennt voneinander“, sagt Iveco-Sprecher Manfred Kuchlmayr.

So bietet etwa Krone eine Lkw-Aufbaulösung für den Transport von Medikamenten oder pharmazeutischen Wirkstoffen. „Dabei sind hohe Sicherheitsstandards zu erfüllen“, weiß Vertriebs- und Marketingleiter Frank Albers. Im Verkaufsprospekt werde daher kein Kfz-Hersteller erwähnt, die Wahl des Fahrzeugchassis sei Kundensache. Individuelle Aufbaulösungen bietet Krone weiter für den Transport von Baustahlmatten, Stahlgitterträgern, Reifen und Autoteilen.

Schmitz Cargobull hat unter anderem Sonderanfertigungen für die Beförderung via Straße von großen Papierrollen im Programm. Hier kann der Aufbauer allerdings das vom Hersteller kommende Fahrgestell nicht einfach übernehmen: Angesichts des hohen Papierpunktgewichts und strenger Sicherheitsvorgaben muss er es verstärken.

Das Papier-Beispiel zeigt, dass Basisfahrzeug und Aufbau oft nicht einfach zu verbinden sind – auch wegen des Zielkonflikts „hohe Robustheit und Haltbarkeit oder möglichst wenig Gewicht“. Die Komponenten des Grundfahrzeugs, vor allem Fahrzeugrahmen, Antriebstrang, Achsen und Fahrerhaus, sollten besonders leicht sein, damit die Aufrüster selbst Stahl verbauen können und dabei das Gesamt- oder Zuladegewicht des Lkw möglichst wenig erhöhen.

Aber auch die Aufbauvorgaben der Hersteller können für Probleme sorgen. Sie sind wichtig, damit markenbezogene Qualitäts- und Sicherheitsstandards eingehalten werden – und die Kfz-Marke durch Minderleistung von Aufrüstern keinen Schaden erleidet. Wer gegen die Vorgaben verstößt, muss das Basisfahrzeug herstellerunkenntlich machen. Am Kühler und sonst wo darf dann das Herstellermarkenzeichen nicht mehr prangen, auch jegliche Werbung mit dem Herstellernamen ist verboten. Allerdings: Hier den Überblick zu bewahren, Verstöße frühzeitig zu erkennen, ist problematisch. Allein bei den Nutzfahrzeugen mit dem Stern gibt es in Deutschland mehr als 2.500 herstellerfremde, aufbauliche Veränderungen.

Mercedes-Benz bietet deshalb, aber auch um Kunden und Aufbauer besser an sich zu binden, alles aus einer Hand. Ein Stern-Ansprechpartner kümmert sich um Basisfahrzeug, Aufbau sowie Finanzierung oder Leasing des kompletten Fahrzeugs über die Mercedes-Benz Bank. Doch bevor es zu solch einer Kundenzentralleistung kommt, schaut sich der Stuttgarter Hersteller den Fahrzeugaufrüster genau an. „Wir eröffnen gemeinsame Vermarktungsmöglichkeiten nur ausgewählten Aufbauherstellern, die gemeinsam mit uns die Qualität des Gesamtfahrzeuges garantieren“, betont Wolfgang Bernhard, im Daimler-Vorstand für Trucks zuständig.

Zwei Partner, gemeinsame Ziele

Und damit die Kunden beispielhafte Gesamtlösungen real in Augenschein nehmen können, unterhält Mercedes-Benz im Werk Wörth ein Branchen-Informations-Center (BIC). Angeschlossen ist eine Ausstellung mit über 180 Speziallösungen von etwa 70 Aufbauherstellern. Vor Ort sind zudem Probe- und Vergleichsfahrten unter realen Einsatzbedingungen möglich. Unter „TruckWorks“ bietet der schwäbische Kfz-Konzern auch den kompletten Wartungs- und Reparaturservice für die eignen Fahrzeuge sowie für deren Auf- und Umbauten. Dies in enger Kooperation mit Aufbaufirmen. Mehr als 100 TruckWorks-Servicebetriebe gibt es derzeit im Bundesgebiet. Gerd Zimmermann