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Creditreform

Seit Monaten wabert das Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA hin und her. Wer zu den Profiteuren gehören will, sollte jedoch nicht lamentieren, sondern nach Perspektiven Ausschau halten. Ein Debattenbeitrag zur Titelgeschichte des Creditreform-Magazins im April.

Die EU verhandelt seit dem Sommer 2013 ein Handels- und Investitionsabkommen mit den USA. Das TTIP-Abkommen (kurz für: Transatlantic Trade and Investment Partnership) bietet auch für deutsche Unternehmen große Chancen. So ist es das erklärte Ziel, Zölle fast vollständig abzuschaffen. Zudem soll es die Kosten drücken, die für exportierende Unternehmen durch unterschiedliche Regulierungen entstehen.

In der Folge könnten die EU-Exporte in die USA mittelfristig um rund 25 Prozent zulegen. Ein vierköpfiger EU-Haushalt soll im Durchschnitt dank TTIP jährlich über 500 Euro mehr in der Kasse haben. Sicherlich sind derartige Schätzungen mit Unsicherheit behaftet. Doch wird ein solches Abkommen dem alternden und lahmenden Kontinent Europa zweifellos neuen Schwung geben.

Trotz dieser Chancen schlägt TTIP in jüngerer Zeit auch deutliche Skepsis entgegen. So sorgen die Verhandlungen mit den USA bei einigen Globalisierungsgegnern, Verbraucherschützern, Umweltaktivisten und Gewerkschaftern für Unmut. Sie fürchten eine vermeintlich drohende Aufweichung von EU-Standards – sei es bei Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz oder bei der Bankenregulierung und den Lebensmittelvorschriften, etwa mit Blick auf genetisch verändertes Gemüse. Die Kritik ist bei manchen Aspekten durchaus gerechtfertigt, bei anderen wiederum nicht gerade überzeugend.

Nicht ganz zu Unrecht werden Investitionsschutzklauseln kritisch gesehen, die auch bei TTIP auf der Agenda stehen. Derartige Bestimmungen sollen Unternehmen mit Investitionen im Partnerland vor der Willkür des dortigen Staates schützen und eröffnen ihnen dazu den Klageweg zu internationalen Schiedsgerichten. Das ist zwar grundsätzlich richtig, weil ausländische Unternehmen gerade in Entwicklungsländern zuweilen tatsächlich mit ungebührlicher staatlicher Willkür zu kämpfen haben.

Doch tagen die Schiedsgerichte traditionell hinter verschlossenen Türen und haben aufgrund vager Begrifflichkeiten in den Abkommen teilweise übergroße Interpretationsspielräume. Darin liegt durchaus eine gewisse Gefahr, dass Staaten in ihren legitimen Regulierungsmöglichkeiten beschränkt werden könnten. Allerdings hat die EU-Kommission auf diese berechtigten Sorgen bereits reagiert. So schreibt sie in Zukunft das grundsätzliche Regulierungsrecht der Staaten explizit fest und verordnet den Schiedsgerichten Transparenz, Auslegungsleitlinien und Verhaltenskodizes.

Weniger gerechtfertigt erscheint die pauschale Kritik, dass mit der Verhandlung über gegenseitige Regulierungen die befürchtete Erosion von EU-Standards droht. So bekundet die EU sehr deutlich, dass sie ihre etablierten Schutzvorschriften nicht zur Disposition stellt. Vielmehr geht es darum, zugunsten der Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks Handelsbürokratie abzubauen und zu stark handelshemmende Wirkungen von Regulierungen zu vermindern. Wenn beispielsweise klar wird, dass bei Autos zwar im Detail unterschiedliche Sicherheitsstandards existieren, diese aber das gleiche Sicherheitsniveau gewährleisten, könnte man auf eine gegenseitige Anerkennung setzen. Deutsche Hersteller müssten ihre Fahrzeuge dann nicht gesondert für den amerikanischen Markt umbauen.

Alles in allem ist eine Debatte mit Augenmaß nötig, damit TTIP – und seine Chancen für deutsche Unternehmen – nicht an teils überzogener öffentlicher Kritik scheitern.

Dr. Jürgen Matthes ist Leiter des Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung im Institut der deutschen Wirtschaft Köln.