Viele Verbraucher lassen sich, auch dank gewieften Marketings, gerade bei langer Finanzierungsdauer und überschaubarer Kreditsumme, von niedrigen Rückzahlraten und verzögertem Beginn der Tilgung täuschen. Insbesondere bei wenig intensiver finanzieller Bildung kommt es dazu, sich finanziell zu übernehmen.
Nach einer Beratung folgt dann oft die Zusammenfassung diffuser Verbindlichkeiten in einen neuen Kredit. Im schlechtesten Fall beginnt die Schuldenspirale erneut, allerdings auf höherem Schuldenniveau.
Verschuldung und Überschuldung
Problematisch ist die finanzielle Situation nicht für diejenigen mit einem soliden, festen Einkommen, die am Monatsende mal ihren Dispositionskredit beanspruchen, weil ihnen der Geschirrspüler kaputtgegangen ist. Ein ernstes Problem haben diejenigen, die auch nach erfolgter Lohn- oder Gehaltszahlung im Soll verharren, oder jene, für die die Ausschöpfung eines oft unverhältnismäßig hohen Dispositionskreditrahmens Normalität ist und die deshalb regelmäßig Überziehungskreditkonditionen ausgleichen müssen.
Die Erfahrung aus meiner Tätigkeit in einer Schuldnerberatungsstelle ist auch, dass einige Banken – immer wieder dieselben im Übrigen – selbst dann noch Kredite vergeben haben, wenn bereits offensichtlich war, dass bisherige Verbindlichkeiten nicht bedient werden können und auch künftig mit einer Tilgung realistisch nicht zu rechnen ist.
Für den Darlehensgeber haben Mathematiker vorsorglich Ausfallquoten und Bonitätsindizes berechnet, um finanziellen Schaden vom Geldgeber abzuwenden. Anders als der Kreditgeber trifft der Darlehensnehmer seine emotionale Entscheidung pro Kredit allzu oft auf der Basis marketingoptimierter Rückzahlvarianten. Ihm stehen seine im BGB fixierten Rechte zu, aber wer kümmert sich eigentlich um die soziale, die gesellschaftliche Dimension, wenn ein Kredit platzt oder Sorgen bereitet? Ist die Entscheidung einer Kreditvergabe eine rein technische, mathematisch- wirtschaftliche, bei der moralische und soziale Gesichtspunkte nicht oder nur unterrepräsentiert berücksichtigt werden?
Transparenz durch Wettbewerb
Grundsätzlich problematisch erscheint mir zum einen die Höhe der Zinsen für Dispositions- und vor allem für Überziehungskredite. Zum anderen finde ich bedenklich, dass mit der Nichtveröffentlichung der Zinssätze ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb de facto ausgehebelt wird. Dieses Geheimhaltungsgebaren, welches Kontrollinstanzen zu erheblichem Rechercheaufwand zwingt, hat weder etwas mit einem gesunden Demokratieverständnis noch mit fairem Wettbewerb zu tun. Es wäre bedauerlich, wenn hier der Gesetzgeber eingreifen müsste, um das Funktionieren eines Marktes ausgerechnet im Finanzsektor herzustellen.
Meiner Ansicht nach muss man sich bei allen Gewinnerzielungsstrategien, bei allem internationalen Wettbewerb und bei allem Streben nach einem gut informierten, mündigen Kreditnehmer die Frage gefallen lassen: Was sind das für Geschäftsmodelle, die überschuldete Menschen durch allzu leichte Gewährung weiterer Kredite in die Sackgasse der privaten Insolvenz treiben? Ganz grundlegend: Wie stellen wir eine sozialverträgliche Kreditvergabe ohne das Gefühl der Bevormundung sicher?