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Creditreform

Der Mittelstand ist fundamental wichtig für unsere Volkswirtschaft. Das wissen Sie als Unternehmer, das wissen eigentlich auch unsere Politiker. Zumindest betonen sie die Bedeutung des Mittelstands häufig und gerne. Kostprobe gefällig?

„Der Mittelstand ist der innovationsstarke Beschäftigungsmotor für Deutschland“, steht im Koalitionsvertrag von 2013. Darin wird „Mittelstand“ ganze 32 Mal erwähnt – und die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) weitere 16 Mal. Doch was ist was? Und was unternimmt die Politik für diese so wichtige Klientel?

Legt man die KMU-Definition aus Brüssel zugrunde, sind in Deutschland 99,5 Prozent der 3,6 Millionen Unternehmen als KMU zu bezeichnen. Sie beschäftigen weniger als 250 sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter und setzen weniger als 50 Millionen Euro im Jahr um. Für den Arbeitsmarkt sind sie enorm wichtig, beschäftigen sie doch 55 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Personen. Allerdings lässt sich das Besondere am Mittelstand nicht allein über Umsatz- und Beschäftigtenzahl identifizieren. Denn unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten ist das mittelständische Unternehmen ein eigentümergeführtes – oder zumindest ein noch eng mit einer Eigentümerfamilie verbundenes. Diese Verflechtung dokumentiert sich idealtypisch in der Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko. Warum also kommt das Wort „Familienunternehmen“ im Koalitionsvertrag nicht vor? Anscheinend stehen Familienunternehmen, und insbesondere die größten, nicht im Fokus. Das ist vor dem Hintergrund, dass die rund 4.500 größten Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro für den Arbeitsmarkt ebenfalls von erheblicher Bedeutung sind, mehr als bedauerlich. Immerhin beschäftigen sie fast jeden sechsten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.

„Wir wollen die Rahmenbedingungen zur Entfaltung von Mittelstand, Selbstständigkeit und Existenzgründungen verbessern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Derzeit bewerten mittelständische Unternehmen ihre Lage im Schnitt mit „gut“ – die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aber nur mit „befriedigend“. Kein Wunder: Der Mittelstand hat besonders stark mit Bürokratiekosten zu kämpfen. In den vergangenen beiden Legislaturperioden hat die Bundesregierung dem Amtsschimmel zwar eine Diät verordnet. So wurde bis Ende 2012 immerhin ein Viertel der Bürokratiekosten durch Informationspflichten abgebaut. Allerdings spüren die Unternehmen diese Entlastung kaum. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Abbau von Bürokratie sich nicht nur auf Informationspflichten, sondern auch auf den Erfüllungsaufwand beziehen muss.

Der Weg des Bürokratieabbaus – ausgedehnt auf den Erfüllungsaufwand – muss und wird auch weiter fortgesetzt. Allerdings fehlt hierfür bislang ein konkreter Zielwert, an dem sich die Politik messen lassen kann. Auch mit dem jüngst beschlossenen Rentenpaket wurde eine Chance verpasst, mit der Absenkung der Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands zu verbessern. Auch bei Innovationskraft, Fachkräftebedarf, Internationalisierungen, Gründungen oder Firmennachfolgen gibt es im Koalitionsvertrag wenig Konkretes für Mittelständler zu lesen. Wenn demnächst wieder ein Politiker die Bedeutung des Mittelstands betont: Sprechen Sie ihn doch einfach mal darauf an.

 

Frank Wallau ist seit 2003 Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft Paderborn/Bielefeld und lehrt dort Mittelstandspolitik, Unternehmensgründung und Nachfolge.