Wenn Alteigentümer einen Nachfolger suchen, sollten sie die eigenen Mitarbeiter oder Manager nicht übersehen. Denn die wissen, was sie gewinnen, wenn sie die Firma übernehmen.
Die Familie wechselt, die Firma bleibt: Bei Elektro König in Weinstadt klappt der Führungswechsel. Denn Hans-Peter König übertrug den Betrieb mit zehn Installateuren, den er von seinem Vater geerbt und über Jahre geführt hatte, in diesem Jahr an seinen Mitarbeiter Georgios Kotsoglou. Kotsoglou war 1997 als frisch ausgelernter Elektroinstallateur in das Familienunternehmen gekommen, machte an der Abendschule seinen Meister – und strebte eigentlich in die Selbstständigkeit, bis sein Chef diesen Tatendrang bremste.
Die beiden vereinbarten lose den Eigentümerwechsel, weil in Königs Unternehmerfamilie kein Nachfolger in Sicht war. Vor zwei Jahren wurde der Schalter dann umgelegt. Als doppelter Schwabe – in Sparsamkeit und Sprachfärbung – holte sich der Mitarbeiter gemeinsam mit dem Chef Rat bei Steuerberater und Handwerkskammer und startete durch als Unternehmer.
Mitarbeiter nur dritte Wahl?
Kotsoglou vertritt eine Minderheit: Management- oder Mitarbeiter-Buy-Out (MBO) kommt nicht allzu vielen Firmeninhabern in den Sinn. Oder sie finden unter ihren Leuten niemanden, dem sie die Nachfolge zutrauen. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) hat nachgewiesen: Nur 17 Prozent der Unternehmen gehen an interne Manager, wogegen bei 29 Prozent betriebsfremde Neueigentümer einsteigen und immerhin 54 Prozent den Generationswechsel innerhalb der Familie vollziehen.
Die Entscheidung zwischen diesen Modellen steht bis 2018 übrigens bei weiteren 135.000 Firmen an, die zusammen zwei Millionen Menschen beschäftigen – und deren Inhaber damit auch große Verantwortung tragen: „Es kommt vor, dass Unternehmer im Oktober zu uns kommen und zum Jahresende aufhören wollen“, so Susanne Gall von der Handwerkskammer Stuttgart. „Drei bis fünf Jahre früher“ wäre ihr lieber.
TIPPS FÜR DEN FIRMENCHEF
• Planen Sie ausreichend Zeit für den gesamten Nachfolgeprozess ein. Experten empfehlen bis zu fünf Jahre.
• Beobachten Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter genau: Wer arbeitet selbstständig und vorausschauend, plant größere Aufträge souverän, kalkuliert klug und hält Termine ein? Wer kann ein Team anleiten?
• Wählen Sie unter Ihren Mitarbeitern einen möglichen Nachfolger aus und sprechen Sie ihn an, ob er gerne Unternehmer wäre.
• Arbeiten Sie den designierten Nachfolger ein: Geben Sie ihm umfassende Aufträge und fordern Sie ihn zur Eigeninitiative auf. Betonen und fördern Sie dabei immer wieder die gemeinsamen Interessen.
• Holen Sie sich Rat, damit Sie zwischen Verpachtung und Verkauf, zwischen einem zügigen Aus oder einem Abschied auf Raten den für Sie besten Weg einschlagen.
• Bereiten Sie die Kunden auf den Übergang vor.
Ob Meister, Techniker oder Polier: Viele Mitarbeiter übernehmen regelmäßig Führungsaufgaben – auch wenn sie nicht mit eigenem Portemonnaie für ihre Arbeit geradestehen. „Doch oft denken die Alteigentümer, die keine Erben haben, zunächst nicht an ihre Fachkräfte“, hat Gall beobachtet: „Dabei kann es für die Kunden und für die anderen Mitarbeiter leichter sein, wenn das Geschäft gewohnt, aber verjüngt weiterläuft.“
Die Handwerkskammern laden deshalb regelmäßig zu Infoabenden über die Nachfolgeplanung ein, auf denen die Vorteile einer solchen internen Übergabe erläutert werden. Auch die Industrie- und Handelskammern wollen den Mittelstand sichern, indem sie Nachfolgetage und Seminare organisieren, auf denen der Verkauf an Mitarbeiter oder Manager als ein Modell dargestellt wird. Der Druck steigt. Das zeigen die rund 20.000 Beratungsanfragen, die 2013 bei den örtlichen IHK-Spezialisten landeten.
Kritische Punkte müssen daher früh auf den Tisch: Wie lange braucht der Neue, um flügge zu werden? Wohnt der Altinhaber auf dem Firmengelände und er bleibt dort? Wie wird sich der Mitarbeiter verändern, wenn er Chef wird? Wie fühlen sich Alteigentümer und Jungunternehmer als Geschäftspartner? Da kann einer noch so viel orakeln, komplett sicher sein, dass es klappt, können beide Seiten im Vorfeld nicht. Und: Die Lösung muss passen. „Wer im Betrieb gelernt hat und dann Chef seines Altmeisters wird, weil er die Firma übernimmt, muss den Rollenwechsel offensiv leben“, rät Susanne Gall. „Wer aber schon zuvor eine herausragende Rolle spielt, ist im Vorteil.“
Den langsamen Wechsel von einem hin zu zwei gleichberechtigten Chefs gehen Alexander Hoffmann und Martin Meinhold. Den Handwerksbetrieb Hoffmann Fliesen in Filderstadt gründete der Altmeister erst mit 50 Jahren, nachdem sein Arbeitgeber in Konkurs ging. Er startete mit nur einem Mitarbeiter, nun hat er 13. Im nächsten Jahr will der 65-Jährige aber aussteigen – über die Gründung einer GmbH und den anschließenden Verkauf seines Betriebs an Meinhold.
Zuvor waren einige Versuche gescheitert: Erst stellte er einen Fliesenleger ein, der zwar ein prima Ausbilder war, aber nicht unternehmerisch handelte. Dann dachte er an einen alten Kollegen, der aber lieber schnell und preiswert arbeitet als edel und perfekt, was nicht zur Hoffmann-Kundschaft passte. Im dritten Anlauf sprach er mit Meinhold, den die Selbstständigkeit lockte und der vor den Ansprüchen seines Noch-Chefs besteht.
Ablauf und Eckdaten wie Übergangszeit und Betriebsübergabe wurden vertraglich festgelegt. Seit rund einem Jahr wird der Abschied nun konkret: Ältere Stammkunden rufen meist noch den Senior an, aber so mancher wechselt auch schon, weil Nachfolger Meinhold die Baustelle vom Angebot über die Ausführung bis hin zur Abrechnung alleine verantwortet.
TIPPS FÜR DEN NACHFOLGER
• Bereiten Sie sich nicht nur fachlich, sondern auch innerlich auf den Rollenwechsel vom Mitarbeiter zum Unternehmer vor.
• Qualifizieren Sie sich kaufmännisch, wenn Sie bisher vor allem ein guter Fachmann waren – aber selten Aufträge kalkulieren oder Personalkosten berechnen mussten.
• Machen Sie sich klar, dass Mitarbeiter eindeutige Handlungen von Ihnen als Führungskraft erwarten. Sie müssen nicht autoritär und streng werden, aber erkennbar Regie führen.
• Tauschen Sie sich aus – etwa bei den Nachfolgetagen der Industrie- und Handelskammern oder auf Abenden zum Thema Betriebsübergabe der Handwerkskammern. Dies erhöht den Überblick. Spezielle Kurse für angehende Chefs füllen Ihre Wissenslücken als Unternehmer.
• Bereiten Sie Ihre Familie auf Ihre neue Situation und Verantwortung vor.
Allerdings: Eine solche Firmenübergabe ist ausgeschlossen, wenn die finanzielle Dimension den Rahmen einer Privatübernahme sprengt. Beim Zerspanungsspezialisten Prae-Turbo stieg deshalb Mittelstandsinvestor Halder ein, als die Gründer das Unternehmen in zwei Sparten teilen wollten. Mit einem Umsatz von 53,9 Millionen Euro im vergangenen Jahr und fast 260 Mitarbeitern allein im deutschen Werk soll das Metallunternehmen jetzt internationaler werden und wachsen.
Doch die Mehrheitsgesellschafter wahren auch die Kontinuität: Sie baten Oliver Romano, seit 2007 Geschäftsführer, sich ebenfalls an der Firma zu beteiligen. „Ich habe eine Prae-Turbo-Tätowierung“, sagt der frisch gebackene geschäftsführende Gesellschafter, „und ich wollte immer eine eigene Firma haben.“
Für das Investment wusste er um den Rückhalt seiner Frau – und konnte aus seiner jahrelangen Gewinnbeteiligung schöpfen. Für den Umstieg vom Angestellten zum Mitgesellschafter gibt er sich das Credo: „Ich habe immer schon so gearbeitet, als ginge es um mein Geld.“ Allerdings sei „die Qualität der schlaflosen Nächte jetzt eine andere“, weil er alles auf eine Karte setze. Solche Gedanken teilen sie wohl alle, die Jungunternehmer aus Handwerk und Industrie – ganz gleich in welcher Größenordnung.