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Wer Fotokunst sammelt, der kennt die Galerien von „Lumas“. Dass Lumas aber zur Avenso AG gehört, das weiß kaum jemand. Frau Harig, was steckt hinter diesem Unternehmen?

Avenso ist eine Aktiengesellschaft, unter deren Dach sich drei Marken befinden: Lumas, Whitewall und Klick. Bei Lumas kauft man Kunst, bei Whitewall kann der Hobbyfotograf in einem Profilabor seine eigenen Arbeiten produzieren lassen und Klick ist das schnelle, unkomplizierte Labor für alle. Unsere Marken decken das gesamte Spektrum ab: das Kaufen, das Sammeln und auch die Produktion von Fotografien. Avenso steht also für unsere Leidenschaft, für die Fotografie in allen denkbaren Facetten.

In Zahlen ausgedrückt heißt das?

2012 hatten wir einen Umsatz von 26,7 Millionen Euro. Davon erwirtschafteten Lumas 16,7, Whitewall 8 und Klick 2 Millionen Euro. Wir haben mittlerweile über 200 Mitarbeiter. Hinzu kommen rund 100 Mitarbeiter im Labor von Whitewall. Dieses Jahr streben wir 35,7 Millionen Euro an. Bisher liegen wir exakt im Plan.

Welche Marken treiben das Wachstum besonders?

Whitewall wächst sehr stark. Wir expandieren aber auch mit Lumas. Und wir erschließen Auslandsmärkte. Whitewall ist bereits in neun, Lumas in sechs Ländern vertreten.

Und Klick?

Im Augenblick liegt der Fokus auf Lumas und Whitewall. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass wir nun einen Punkt erreicht haben, um richtig Gas geben zu können. Mit anderen Worten: Wir fangen gerade erst richtig an.

Sie wollen Gas geben. Ist das Unternehmen dafür gerüstet?

Erfolg ist immer eine Frage der Investoren und der Strukturen. Die müssen zum Wachstum passen. Was unsere Kapitalgeber betrifft, da wird es bald eine wichtige Weichenstellung geben. Und bei den Strukturen gibt es zwei Ansätze: Entweder man stellt fest, dass man gut gewachsen ist und daher neue Strukturen braucht oder man hat Ziele, in die man mit neuen Strukturen hinein wächst. Bis vor kurzem haben wir immer nachgezogen. In Zukunft machen wir das umgekehrt. Wir haben einen Businessplan bis 2018 und wir haben die Strukturen, in denen verschiedene Abteilungen wachsen können.

Wie macht sich das jetzt schon bemerkbar?

Wir können uns vor allem gute Leute aus dem Handelsbereich leisten. Wir haben außerdem die renommierte Berliner Werbeagentur Heimat verpflichtet, die gerade unseren kommunikativen Auftritt weiterentwickelt, und wir arbeiten mit der strategischen Kreativagentur Dan Pearlman, die sich unter anderem auf Erlebnisarchitektur spezialisiert hat, an einem völlig neuen Store Concept.

Wie soll Lumas weiter wachsen? Nur durch Neueröffnungen?

Die Neueröffnungen sind wichtig, jedoch nur der Gipfel des Eisbergs. Wir wollen insbesondere auch Hemmschwellen an bestehenden Standorten abbauen. Deshalb sind wir dabei, ein „Young Collectors Portfolio“ zusammenzustellen. Das heißt, wir werden an dezidierten Orten in den Galerien bereits verpackte Bilder – fertig zum Mitnehmen – präsentieren. Das sind wunderbare Einsteiger-Produkte zu einem extrem niedrigen Preis. Gleichzeitig werden wir das Portfolio nach oben ausbauen. Wir haben beispielsweise seit einem Jahr Arbeiten von Damien Hirst im Programm, die sich hervorragend verkaufen. Wir wollen außerdem weg vom typischen Galerie-Ambiente, das sehr kalt und steril wirkt. Wir wollen vielmehr den Eindruck erwecken, bei einem Sammlerfreund zu Hause zu sein. „Collectors Home“ ist unser neuer Leitgedanke. In Hannover werden wir dieses Konzept mit Dan Pearlman umsetzen. Im Ausland werden wir ebenfalls expandieren, allerdings nicht mit Filialen, sondern mit Franchise-Partnern, die aus dem Premium-Segment kommen.

In das Geschäft der klassischen Galerien werden Sie aber nicht einsteigen?

Nein. Sehr teure Kleinstauflagen für reiche Sammler werden nie unser Geschäft sein. Wir setzen uns aber trotzdem keine obere Grenze – weder beim Preis noch beim Format. Wenn Gerhard Richter bei uns eine limitierte Auflage für 10.000 Euro anbieten wollen würde, dann wären wir sofort dazu bereit.

Wie ist es mit den limitierten Editionen, gibt es da noch Spielräume nach oben?

In der Regel produzieren wir 100er Auflagen. Die größte Edition umfasst 150 Werke. Die Untergrenze liegt bei 75 Exemplaren.

In den USA hatten Pop Art-Künstler wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein nie Probleme mit höheren Auflagen, nicht einmal mit Merchandising-Produkten.

Ja, die Amerikaner haben da weniger Probleme. Es ist eben ein großes Land. Die strenge Limitierung hat aber auch Vorteile. Durch unser Wachstum haben wir zum Beispiel einen schnellen Abverkauf, meist schon innerhalb von zwei Monaten. Außerdem gibt es bei uns eine enorme Preisdisziplin. Wenn sich eine Edition gut verkauft hat, dann steigt der Preis, und wenn ein Motiv nicht besonders läuft, dann produzieren wir es nicht nach.

Das Wachstum soll also nicht über die höhere Auflage kommen, sondern von ständig neuen Künstlern?

Ja, genau. Das ist doch sehr spannend …

… und sehr arbeitsintensiv. Wo finden Sie denn Ihre Künstler?

Wir suchen auf Messen, Festivals, im Internet und sogar in Blogs zum Thema Fotografie. Wir nehmen auch Empfehlungen von Künstlern ernst, wir haben Scouts in bestimmten Ländern und wir haben die relevanten Fotografie- und Kunstzeitschriften abonniert. Alle Anregungen werden in unserem Portfolio-Team, das aus zehn Kuratoren besteht, gebündelt. Einmal in der Woche halten wir ein Meeting ab. Da schauen wir uns hunderte von Bildern an und entscheiden dann, mit wem wir gerne arbeiten würden. In der Regel läuft die Akquise über aktive Ansprache.

Wie ist die Resonanz bei den angesprochenen Künstlern?

Anfangs war es wirklich schwer. Unser Konzept war neu und ungelernt. Einige Künstler hatten Bedenken. Heute wissen die Künstler jedoch, dass sie uns vertrauen und dass sie mit uns gute Umsätze machen können. Wir arbeiten transparent, zahlen pünktlich und vollständig. Außerdem fördern wir unsere Künstler und bieten ihnen diverse Plattformen, auch über die Galerie und das Internet hinaus. Mit unserem Verlagspartner te-Neues verlegen wir derzeit bereits das dritte Buch zum Thema „Collecting Fine Art Photography“. Genau wie in Vol. I und II stehen natürlich auch hier die Künstler im Mittelpunkt.

Was machen Sie mit Künstlern, die Sie gern hätten, aber nicht bekommen?

Dranbleiben. Man braucht in diesem Geschäft einen langen Atem, und man muss Verständnis für den Künstler aufbringen, der ja seine eigene Strategie der Vermarktung hat. Weil sich die Situation aber immer ändern kann, ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben, die Probleme zu verstehen, die Abgrenzung zur Galerie zu suchen. Man muss wissen, dass sich in dieser Welt sehr komplexe Persönlichkeiten bewegen.

Können Sie diese Menschen überhaupt steuern, vor allem im Sinne der besseren Vermarktung?

Hinter jedem erfolgreichen Künstler steht immer auch ein guter Galerist. Das ist bei uns nicht anders. Unsere Künstler tauschen sich daher gern mit uns aus. Sie wollen erfahren, was wir über ihre Arbeit denken und wo sie weiter arbeiten sollen.

Welches Bild also am besten über dem Sofa zur Geltung kommt?

Nein, ein Künstler soll nicht nur gefällige Arbeiten produzieren, sondern auch polarisieren und existenzielle Themen aufgreifen. Wenn er dies nicht tun würde, dann wäre er ein Designer. Es gibt natürlich auch Bilder, die nicht für die Wohnzimmerwand geeignet sind. Diese Arbeiten taugen jedoch für einen kleinen Kreis von Sammlern und werden dementsprechend auch in kleinen Auflagen verlegt. Interessant ist allerdings, dass unsere langjährigen Kunden anspruchsvoller werden. Das merkt man unter anderem daran, dass sie mittlerweile Gefallen an unseren Editionen von Größen wie Damien Hirst oder Joseph Beuys finden, die natürlich auch in einem anderen Preissegment angesiedelt sind.

Aber ein Problem haben alle Kunstverkäufer: Irgendwann sind die Wände der Sammler voll.

Bisher haben wir gerade mal 0,12 Prozent der deutschen Haushalte erreicht. Da gibt es also noch ein paar Wände, die sich nach Kunst sehnen.

Die Produzenten von Postern, Fototapeten und Leinwandbildern holen aber mächtig auf und sind deutlich billiger. Droht von dieser Seite eine Gefahr? Ja und nein. Grundsätzlich ist jeder ein Wettbewerber, der mit uns um den Platz an der Wand rangelt. Insoweit ist sogar die Schrankwand ein Konkurrent. Trotzdem nehmen wir diese Wettbewerber nicht wahr, weil der Markt sehr groß ist und weil unsere Kunden andere sind.

Wer sind Ihre Kunden?

Unser typischer Kunde hat ein gutes Auge und einen hohen Qualitätsanspruch. Es tut ihm auch nicht weh, wenn er spontan für ein Bild 1.700 Euro ausgibt. Er kauft nicht wirklich zielgerichtet. Vielmehr kommt er in unsere Galerie und verliebt sich in ein Motiv. Wir verkaufen also kein Produkt, sondern etwas Hochemotionales.

Einer so kaufkräftigen Zielgruppe könnten Sie noch weitere Produkte anbieten.

Das tun wir auch. 2011 haben wir damit begonnen, unser Portfolio um nicht fotografische Positionen zu erweitern, die inzwischen 20 Prozent aller Werke ausmachen. Darunter gibt es auch Malerei und erlesene Designobjekte. Besonders das Thema Skulptur bietet noch viel Potential, und wir verfolgen mit Spannung, wie sich die Reproduktionstechnik in diesem Bereich entwickelt. Man denke nur an 3D-Prints. Wichtig ist allerdings, dass wir unsere Kompetenz in punkto Fotografie nicht verlieren. Wir sind in erster Linie Kunstverleger.

Apropos Kompetenz. Bei Whitewall verkaufen Sie auch Bilder. Wie grenzen Sie das von Lumas ab?

In den Konferenzen von Lumas fallen uns oft faszinierende Bilder ohne künstlerische Urheberschaft in die Hände. Es ist einfach nur ein tolles Foto. Das können wir bei Lumas nicht ins Portfolio nehmen, wohl aber bei Whitewall. Bei Lumas verkaufen wir Kunst, bei Whitewall tolle Bilder und bei Klick laden Kunden ihre Fotos mit wenigen Klicks hoch und nutzen unsere Technologien. Whitewall und Klick sind insofern hauptsächlich hochwertige Fotodienstleister.

Durch das Labor haben Sie auch Zugang zu neuen Technologien. Wie gezielt nutzen Sie diese Alleinstellung, um Kunst weiterzuentwickeln?

Ein großer Nutzen für die Künstler ist zunächst einmal die Qualität an sich. Da sind wir unschlagbar. Den Leuten steht der Atem still, wenn sie das sehen. Aber Sie haben natürlich Recht. Dieses „What’s next?“ ist ein großes Thema. Wenn wir eine neue Veredelungsform entwickeln, dann bauen wir einen Dummy und präsentieren ihn dem Künstler. Das ist nicht immer leicht, denn er könnte dies auch als Eingriff in seine künstlerische Arbeit missverstehen. Bisher war die Resonanz aber gut. Die Künstler freuen sich, dass wir uns mit ihren Werken auseinandersetzen.

Wenn Sie nach vorne blicken – was sind die drei wichtigsten Herausforderungen?

Bei der Wachstumsgeschwindigkeit, die wir vorhaben, ist wichtig, dass wir die Qualität, die wir in Deutschland und im nahen Europa aufgebaut haben, auch in der Ferne halten können. Wir müssen außerdem weiterhin Trends setzen und bei den Produktinnovationen immer am Ball bleiben. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass uns das Familiäre in der Firma erhalten bleibt. Wir haben mit einer Handvoll Mitarbeitern angefangen, von denen viele – besonders in den Galerien – noch immer an Bord sind.

Stichwort Familie. Ihr Mann sitzt mit in der Geschäftsführung. Wie ist Ihre Erfahrung?

Ich sitze im sieben Stockwerk, mein Mann im achten. Das ist total praktisch aufgeteilt. Manchmal sehen wir uns den ganzen Tag nicht. Aber im Ernst: Ich finde es angenehm, mit einem Menschen zusammenzuarbeiten, der einem auch ansonsten sehr nah ist. Man muss ja viel Vertrauen zu einem Geschäftspartner haben. Und wem könnte man mehr vertrauen als dem Ehepartner?

Dauerhafte Nähe kann auf Dauer aber auch belastend sein.

Für uns gilt das nicht. Wir haben uns noch nie gelangweilt. Wir haben immer Pläne, immer was zu erzählen, immer eine nächste Idee.

Wer bringt eigentlich welche Stärke ein?

Mein Mann ist der Vulkan. Den stellt man auf den Tisch und dann sprudelt er Ideen.

Und Sie?

Ich laufe außen rum, sammle die Ideen auf und sehe zu, wie man sie erfolgreich umsetzen kann.

Das Gespräch führte Peter Stippel

Stefanie Harig, 44, ist die Mitgründerin der Galeriekette Lumas. Die Idee hatten die PR-Spezialistin und ihr Ehemann Marc Ullrich, 45, in New York, wo sie in den Neunzigerjahren lebten. Überall sahen sie Wände, große, leere, weiße Wände, die kahl blieben, weil Fotokunstwerke zu teuer und Poster zu billig waren. Die beiden erkannten ihre Nische: limitierte Editionen zu erschwinglichen Preisen. Die Anfangsinvestitionen stemmten Harig und Ullrich, der unter anderem das Webhosting-Unternehmen Strato mit gegründet hatte, aus den Verkaufserlösen früherer Firmen. 2004 wurde die erste Filiale eröffnet. 2006 beteiligte sich Hubert Burda Media. 2009 erwarb Lumas das Profi-Fotolabor Icony Media, das später in Whitewall umbenannt wurde. Inhaber Alexander Nieswandt, 44, kam in die Geschäftsleitung. Mit neuen Investoren soll nun der nächste Wachstumssprung erfolgen.