Investoren, Stiftung, Beiräte? Nein, danke. Brigitte Vöster-Alber, geschäftsführende Gesellschafterin der Geze GmbH, baut lieber auf die eigenen Kinder, auf fähige Manager und auf sich selbst.
Viele kennen Geze, wenn es um die Türschließtechnik geht, manche sogar von den Skibindungen, die früher produziert wurden. Frau Vöster-Alber, wofür steht Ihre Firma derzeit?
Unser Unternehmen steht heute für Tür-, Fenster- und Sicherheitstechnik. Übergeordnet spielt auch die Vernetzung eine große Rolle: Sie ermöglicht, dass Produkte innerhalb eines Gebäudes miteinander kommunizieren. Je nach Situation können dann Fenster und Türen koordiniert geöffnet und geschlossen werden. Wir bieten außerdem Tools an, die fällige Wartungseinsätze aus der Ferne an uns weiterleiten. Da Sicherheit ein großes Thema bleiben wird, arbeiten wir auch weiterhin an Lösungen, die das Leben sicherer machen.
Das klingt nach hochbrisanten Entwicklungen. Fürchten Sie da nicht auf Dauer einen Lauschangriff der NSA?
Man muss gar nicht so weit gehen. Wir haben die Wirtschaftsspionage direkt vor unserer Tür. Bei uns wurde schon eine ganze Abteilung abgeworben. Wir haben natürlich Anzeige erstattet. Nach fünf Jahren wurde dann endlich verhandelt, und die einzelnen Betroffenen kamen jeweils mit 10.000 Euro davon. Das ist natürlich kein Strafmaß, das abschreckend wirkt.
Wurden Ihnen auch schon einmal geheime Dokumente angeboten?
Auch das hatten wir schon. Ich habe den Chef des Wettbewerbers dann angerufen und wir haben den Täter gemeinsam zur Strecke gebracht.
Die Zusammenarbeit in der Branche scheint gut zu funktionieren. So gut, dass das Kartellamt jüngst eine Strafe wegen Preisabsprachen verhängte.
Das lief auf Verbandsebene. Bei den Tagungen gibt es immer ein Protokoll. Wer da unterschreibt, der ist automatisch mit dabei. Aber wir haben nicht unterschrieben und waren auch nicht anwesend. Trotzdem hat uns das Kartellamt eine Geldbuße geschickt.
Und warum?
Ich vermute, dass die Behörde prophylaktisch so vorgeht. Die meisten zahlen, um Ruhe zu haben. Wir aber nicht.
Sie wehren sich aktuell auch gegen einen Steuerbescheid des Finanzamts Leonberg. Es geht dabei um Kalender.
Den Kalender gibt es seit 21 Jahren und die Frage ist: Ist dieser Kalender ein Werbegeschenk oder ein Werbemittel? Davon hängt die steuerrechtliche Einordnung ab. Das Finanzamt will, dass wir für diesen Kalender 30.000 Adressen neu in die Geschenkdatei aufnehmen und – weil die Sache seit 2002 anhängig ist – zwei Millionen Euro Steuer nachzahlen. Wir sind aber der Meinung, dass der Kalender reine Werbung ist. Die Bilder zeigen ja nur Referenzobjekte. Ebenso gut hätten wir auch einen Katalog drucken können. Wir wollen das nun klären und gehen bis zum Bundesfinanzhof.
Ganz sicher sind Sie sich nicht. Der Kalender wird nicht mehr produziert.
Wir prozessieren, aber nicht um jeden Preis. Das ist mir der Kalender nicht wert. Denn bis zur Urteilsfindung und einschließlich der Verzinsung von sechs Prozent könnte die Steuerschuld sonst auf sechs Millionen Euro anwachsen. Dieses Geld lässt sich – auch im Sinne unserer Kunden – sinnvoller investieren.
Haben Sie den Eindruck, dass die Unternehmen heute mehr im Schussfeld der Finanzbehörden stehen?
Ja, auf jeden Fall. Wenn ein Prüfer zum Beispiel feststellt, dass wir in einer Auslandsgesellschaft zu viel Gewinn machen, dann müssen wir lückenlos nachweisen, dass der Gewinn in diesem Land erwirtschaftet wurde. Überhaupt wollte das Finanzamt die Zusage, dass keine ausländische Tochtergesellschaft über vier Prozent Gewinn machen darf. Alles, was darüber liegt, soll hier versteuert werden. Der Mittelstand ist da echt im Nachteil. Bei Großunternehmen sitzt ein Betriebsprüfer Tür an Tür mit dem Accounting und es ist leicht, sich einen „Freischein“ zu holen. Wir hingegen, die überdies noch in kleineren Städten sind, müssen immer damit rechnen, dass wir von den Steuerbeamten keine verlässlichen Antworten bekommen.
Apropos Steuer. Macht Ihnen das Thema Erbschaftssteuer zu schaffen?
Wir haben den Kindern 1993 die Hälfte des Firmenvermögens überschrieben. Die andere Hälfte ist noch offen. Aber ich lasse mich nicht von einer Steuer unter Druck setzen. Das ist kein guter Ratgeber.
Zur Verantwortung in einem Familienunternehmen hat Toni Meggle von der gleichnamigen Unternehmensgruppe einmal gesagt: „Ich habe nie darüber nachgedacht, was ich werden will. Ich bin sozusagen gedankenlos ins Unternehmen gegangen.“ Wie ist das bei Geze?
Ich wollte ursprünglich Tierärztin werden. Das war damals auch Opposition gegen das Elternhaus. Als ich aber älter wurde, habe ich die Chancen erkannt, die ein solches Unternehmen bietet. Warum sollte das heute anders sein? Ich verstehe nicht, warum viele Unternehmer Verständnis haben, wenn ihre Kinder nicht ins Unternehmen eintreten. Wenn die Talente einigermaßen passen, dann kann den Kindern nichts Besseres passieren. Unternehmer sein ist doch keine Strafe.
Drei Ihrer vier Kinder sind im Unternehmen. Gibt es denn schon einen Favoriten für die Nachfolge?
Ich glaube gar nicht, dass man in Zukunft noch einen Favoriten braucht. Die Zeit der CEOs ist vorbei. Ich weiß auch nicht, ob alle drei Kinder in der Geschäftsführung sein müssen. Wir haben auch zwei Fremdgeschäftsführer, in der Entwicklung und im Vertrieb, die sehr gut zu uns passen. Eine teamorientierte Geschäftsführung gefällt mir eigentlich am besten.
Aber es muss doch einen geben, der am Ende sagt, wo es langgeht.
Wieso? Bei uns trifft im Tagesgeschäft zunächst jeder die Entscheidungen für seinen Bereich. Wenn alle 14 Tage die Geschäftsleitung tagt, kommen alle übergeordneten Entscheidungen auf den Tisch. Und schließlich haben wir eine Gesellschafterversammlung, die über Investitionen oder Budgets befindet. Wer dann die letzte Entscheidung hat, das wird sich zeigen. Das kann auch einer unserer Fremdmanager sein.
Würden Sie die Fremdmanager auch am Unternehmen beteiligen?
Warum nicht? Wenn sie das wollen, fänden wir sicher einen Weg.
Wie sieht es mit Investoren aus?
Dieser Gedanke ist mir eher unsympathisch. Glücklicherweise ist unsere Eigenkapitalquote auch so hoch, dass wir keine Unterstützung von Dritten benötigen. Wir belassen die Gewinne eben in der Firma. Das ist bei uns Unternehmensphilosophie.
Investoren bringen aber nicht nur Geld mit, sondern auch Know-how.
Die Erfahrung zeigt, dass man im Laufe der Zeit immer weniger mitreden darf. Zu viele Gesellschafter lenken ab. Vor mehr als 100 Jahren hatten wir 22 Gesellschafter. Da gab es viel Hauen und Stechen. Heute sind es fünf – meine vier Kinder und ich. Und das läuft hervorragend.
Wenn aber eine größere Investition anstünde, was dann?
Wir verzichten auf Investitionen, die wir nicht selbst tragen können. In unseren Unternehmensrichtlinien bezeichnen wir dies als „Wachstum aus eigener Kraft“. Daher haben wir bisher eher kleine, hoch spezialisierte Betriebe zugekauft, die unser Leistungsportfolio ergänzen.
Viele denken über eine Stiftung als Nachfolgemodell nach. Sie auch?
Nein. Erstens kostet eine Stiftung Geld und zweitens ist eine Stiftung eine Misstrauenserklärung gegenüber der Familie. Ich kenne Unternehmen, in denen fähige Nachfolger noch immer darunter leiden, dass ihre Väter kein Vertrauen in sie hatten.
Wo tanken Sie Ihr Wissen? In einem Unternehmensbeirat?
Oh nein. Als ich hier in die Firma kam, da hatten wir einen Beirat aus Rechtsanwälten und Notaren, die nur nach ihren eigenen Vorteilen schielten. Für mich war das der reine Horror. Ich habe diesen Beirat abgesetzt. Wir haben heute einen Aufsichtsrat und das reicht.
Noch mal: Woraus lernen Sie?
Vor allem interessieren mich die Fehler, die andere gemacht haben – und natürlich auch meine eigenen.
Und die Erfolge der anderen?
Die bringen mir nichts, denn man kann nie kopieren, was andere gut gemacht haben.
Peter Stippel
Brigitte Vöster-Alber, 69, übernahm 1968 die Leitung der Geze GmbH. Der Hersteller aus Leonberg ist heute führend in der Tür-, Fenster- und Sicherheitstechnik. Im Geschäftsjahr 2012/13 betrug der Umsatz 351 Millionen Euro. Geze beschäftigt 2.600 Mitarbeiter, verfügt über 31 Tochtergesellschaften und produziert unter anderem in China und Serbien. Das 1863 von dem Drehermeister Georg Friedrich Vöster gegründete Familienunternehmen zählt zu den Top 20 der „Hidden Champion 2013“.
– Entscheidungen sollten nicht nur im Hinblick auf steuerliche Aspekte getroffen werden.
– Prüfen Sie gründlich: Wie reagiert die nächste Generation auf die Einführung einer Stiftung?
– Gute Führungskräfte haben Unternehmensanteile verdient.