Vom 20. bis 24. März wird die Messe Friedrichshafen ein neues Tor in Sachen „Verbrauchermesse“ aufstoßen, davon ist Messechef Klaus Wellmann überzeugt. Die IBO, eine der größten B2C-Messen in Süddeutschland und immer schon konzeptioneller Trendsetter, soll dann als neue Dachmarke starten. Darunter sind vier Messen, mehr als 20 Themenwelten nebst Sonderschauen sowie zehn Rahmenveranstaltungen vereint. Die vier parallel laufenden Ausstellungen heißen: „IBO – Die große Frühjahrsmesse“, „Urlaub Freizeit Reisen“, „Garten & Ambiente Bodensee“ und „Neues BauEn – Messe für Bauherren, Immobilienbesitzer und Energiesparer“. Mit einer Kombikarte, preisgünstig angeboten, haben Besucher überall Zutritt.
„Moderne Publikumsmessen bieten Beratung, Information und Anregung für alle Altersklassen, gepaart mit Überraschung, Erlebnis und Unterhaltung“, findet Wellmann. Zu letzterem gehört auf der Frühjahrsausstellung ein von der Messegesellschaft selbst gemanagtes, einstündiges Zirkusprogramm mit zwei bis drei Vorführungen pro Messetag. Darüber hinaus die Abendveranstaltungen: „Schlager-Stadel“ mit Après-Ski- und Mallorca-Stars, „Wiesnkönig-Party“ mit Miss-Dirndl-Wahl. „Das alles lockt Publikum an“, freut sich Werner Binder, Geschäftsführer von Herrenmoden Michelberger in Bad Wurzach. „Im Gegensatz zu Fachmessen treffen wir Aussteller auf ein bunt gemischtes, durchaus interessiertes, neues Publikum.“
Für Manfred Kirchgeorg vom Lehrstuhl für Marketingmanagement der Handelshochschule Leipzig ist die Friedrichshafener IBO ein gutes Beispiel dafür, wie eine Verbraucherausstellung für die Zukunft fit gemacht werden kann. Seine Erkenntnisse beruhen auf einer Studie, die er im Auftrag des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA), der Interessengemeinschaft Deutscher Fachmessen und Ausstellungsstädte (IDFA) und des Fachverbands Messen und Ausstellungen (FAMA) durchgeführt hat. Demnach müssen sich B2C-Messen – Veranstalter und Aussteller – neu ausrichten. Denn demografischer Wandel, gestiegenes Kostenbewusstsein, verändertes Informations-, Kommunikations- und Freizeitverhalten sowie wachsende Zeitknappheit und höheres Special-Interest setzten ihnen zunehmend zu.
Der Konsument von morgen
Denn: Kirchgeorgs Recherchen zufolge wächst da eine Konsumentengruppe heran, die stark auf digitale Medien und Online-Handel fixiert ist, sich vor Kaufentscheidungen umfassend informiert und genau weiß, was sie will. Und das schließt reale, anstrengende Messebesuche nicht mehr mit ein. Virtuelle Marktplätze locken da schon eher. Über die Erkenntnisse und Einschätzungen wird dann im Web diskutiert, dabei tauscht man eifrig Empfehlungen. Hinzu kommt Konkurrenz durch Supermärkte und Outlets. Immer mehr solcher Einkaufs-Center rüsteten auf, ermöglichen Shopping und Erlebnisse für Singles, Gruppen und Familien. „Publikumsmessen stehen zukünftig mit einer Vielzahl von Shopping-, Event- und Freizeitalternativen in einem intensiveren Wettbewerb“, fasst Kirchgeorg zusammen. Doch wie gegensteuern? Nicht einfach nur den Spaßfaktor erhöhen und die Preise attraktiver gestalteten, warnt der Wissenschaftler Aussteller und Messebetreiber gleichzeitig. Dies wäre zu kurz gegriffen. Zum einen sei Online-Shopping durch technische Innovationen, individuelle Angebote, Services und Gewinnspiele inzwischen ebenfalls kurzweilig. Zum anderen hafte dem digitalen Einkauf das Image an, preiswerter, schneller und informativer zu sein. Unterm Strich schrumpften die Nachteile des Distanzhandels damit immer mehr. Und bei den wirklichen Einkauf-Centern gebe es heute ebenfalls viel Entertainment und viele Sonderangebote – das ganze Jahr über.
„Alles unter einem Dach – mit Profil“, lauter daher die Empfehlung aus Leipzig. Die Kombination verschiedener Messen, Ausstellungsteilbereiche und Themenwelten müsse sinnvoll und in der Abgrenzung unmissverständlich sein, so dass bei Aussteller und Besucher Synergien entstehen. Dabei müsse auch zwischen Alt und Jung unterschieden werden, um hier letztlich eine generationenübergreifende Brücke schlagen zu können. Das Ziel: Konsumgütermessen profitieren vom wachsenden Seniorenmarkt und vom neu erschlossenen Nachwuchsmarkt. Letzteres könnte unter anderem über Offline-Erlebnisse im Special-Interest-Bereich funktionieren. Besonders dann, wenn es für die jüngeren Zielpersonen interessante Medienpartnerschaften mit Special-Interest-Magazinen und -Portalen gibt.
Positiv für B2C-Veranstaltungen dürfte auch sein, dass immer mehr virtuelle Anbieter in die physische Welt vordringen, über Live-Erlebnisse Kundenvertrauen aufbauen und Kunden an sich binden möchten. Publikumsmessen, auf denen man nicht nur sehen und hören, sondern auch fühlen, schmecken und schnuppern kann, sind hierfür das ideale Podium. Gleichzeitig bringen Messegesellschaften die Aussteller ins Web, empfiehlt Kirchgeorg. Genauer gesagt, auf die Messe-Website, um so deren Online-Geschäft voranzutreiben. Dies bringe aber nur dann einen tatsächlichen Mehrwert, wenn die Vernetzung der Kommunikationsinstrumente vor, während und nach der Messe zielgruppengerecht gestaltet sei, ein Link zum jeweiligen Aussteller-Internetauftritt bestehe und soziale Netzwerke mit eingebunden seien. Die Social Networks spielten eine große Rolle bei der Identifikation, Ansprache und Bündelung von Special-Interest-Segmenten. Überhaupt seien die neuen Medien durchweg so in den Messeauftritt von Veranstaltern und Ausstellern zu integrieren, dass sie als Ergänzung der Live Communication auf Messen genutzt werden könnten.
Online-Händler offline
Wichtig für Publikumsausstellungen ist ebenso der regionale Bezug: die Region – das Wunder vor der Haustür. Wie „Made in Germany“ könne das Prädikat „Aus unserer Region“ die Magnetwirkung von Publikumsmessen erhöhen. Der Grund: Durch verschwindende nationale Schranken innerhalb Europas werden Regionen von deren Bewohnern als Identitätsstifter entdeckt. Auch deshalb wachse das Interesse an regionalen Produkten. Dieser Trend nehme zu. Demnach könnten die Verbraucherveranstaltungen zu temporären, regionalen Marktplätzen werden. Das wiederum dürfte lokale Einzelhändler inspirieren, als Aussteller teilzunehmen, um neue Kunden anzusprechen. „Wie bedeutungsvoll die Regionalität ist, zeigen die jüngsten Bemühungen der globalen Suchmaschinenanbieter, die Regionalisierung ihrer Angebote und Suchfunktionen auszubauen“, hebt Wissenschaftler Kirchgeorg hervor.
In seiner Studie kommt er zu dem Schluss, dass es für B2C-Messen neue und gute Zukunftschancen gibt, sofern sich Veranstalter und Aussteller auf die veränderten Verhältnisse einstellen. Ist das der Fall, sticht die messetypische Trumpfkarte mindestens noch bis zum Jahr 2020. Gemeint ist der hohe Stellenwert, den die persönliche Begegnung und Kommunikation hat: das multisensuale Markenerlebnis. Dazu kämen das Bedürfnis und die Sicherheit der Verbraucher, Messen als Orientierung im Informationsüberfluss nutzen zu können. Auf all das sollten sich mittelständische Aussteller einstellen.
Gerd Zimmermann