Die NSA-Skandale verunsichern viele Unternehmer: Wie groß und akut ist die Gefahr von Wirtschaftsspionage?
Ich fürchte: sehr groß. Aber akut? Wirtschaftsspionage ist nichts Neues! Nur wissen wir seit den Enthüllungen: Sie kommt nicht nur aus dem asiatischen oder osteuropäischen Raum. Neu ist, dass der Verdacht auf einen Verbündeten fällt. Ich begrüße es, wenn auch der letzte Unternehmer sich nun über den Schutz seiner Informationen und seiner Kommunikation Gedanken macht und Maßnahmen ergreift. Zur Unternehmensführung zählt nämlich auch, Technologien zum Schutz und zur Filterung von relevanten Informationen einzusetzen, wie es die NSA macht. Schließlich geht es um das legitime Interesse von Unternehmen, sich vor kriminellem Verhalten zu schützen …
Sie raten sogar zu NSA-Methoden?
Auch wir als Sicherheitsdienstleister arbeiten mit Software-Lösungen für Ermittlungen und Datenanalysen – genau wie übrigens die Dienststellen für organisierte Kriminalität bei der Polizei. Ich denke, die NSA wird ausgereiftere Programme haben, die Methoden aber sind vergleichbar. Allerdings nutzen wir sie für unsere Kunden, um Täter zu stoppen und finanzielle Verluste zu minimieren. Die Anwendung der Tools und die Datenverarbeitung laufen dabei stets rechtskonform und erfolgen in Absprache mit unserem eigenen Datenschutzbeauftragten und dem des Kunden.
Das erinnert an die Beteuerung eines aufgeflogenen Geheimdienstlers …
Ich bitte Sie, in unserem Fall ist die Methodik eindeutig legal – auf die Intention kommt es an! Und glauben Sie mir: Für viele Betriebe gibt es weit mehr Gefahren als die Wirtschaftsspionage. Nehmen Sie nur die Globalisierung: Partner, Lieferanten und Kunden finden sich immer weniger im heimischen Markt, sondern rund um den Erdball. Dann den technischen Wandel: Digitale Technik bietet neben ihren Vorteilen viele Einfallstore. Der dritte Faktor sind die eigenen Mitarbeiter und eng eingebundene Dienstleister: Die meisten Straftaten gegen Unternehmen kommen aus dem direkten Umfeld.
Wo im Betrieb besteht also ein Grund zu besonderer Vorsicht?
Jedes neue Produkt, ein Markteintritt, neue Partner oder Vertriebswege rufen neue Situationen hervor. Mitarbeiter, die ins Unternehmen kommen oder es verlassen, könnten Angriffsflächen darstellen. Vorsicht ist dann geboten, wenn Waren und Wissen unterwegs sind: Beschaffung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Logistik, Service. Komplexität und Art der Angriffsflächen haben sich dramatisch geändert: Allein die steigenden Entfernungen und die Zusammenarbeit mit anderen Märkten führen zu Kontrollverlust.
Wie kann man sich konkret schützen?
Sicherheit ist Chefaufgabe. In vier Feldern lohnt sich eine Risikoanalyse: Know-how, Eigentum und Finanzen, Mitarbeiter sowie immaterielle Werte. Durch ein professionelles und langfristig angelegtes Sicherheitskonzept sollte der Unternehmer schnell und angemessen reagieren. Das bedeutet umfassende Aufklärung des Sachverhaltes und schnelle Sicherung von gerichtsverwertbaren Beweisen. Dadurch lässt sich möglicher Schaden eindämmen – wie auch die Checkliste unter creditreform-magazin.de/sicherheit2014 zeigt.
Und was leisten externe Ermittler, was die Polizei nicht schafft?
Nun, der Staat kann Ihnen nicht in jedem Fall helfen. Häufig lohnt es schon, einen externen Ermittler einzuschalten, wenn erste Verdachtsmomente aufkommen – und nicht erst, wenn der Schaden eintritt. Bei reinem Verdacht und auch bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen würde es keinen staatlichen Ansatz geben. Häufig liegt es im Interesse des Unternehmens, keine Polizei hinzuzuziehen, um Reputationsschäden zu vermeiden. In vielen Fällen können Externe die Polizei aber unterstützen – etwa, wenn grenzübergreifend gefahndet wird. Sie arbeiten mit den gleichen Instrumenten wie die Polizei, haben nur nicht so weitreichende Rechte. Ihr Vorteil ist dafür, dass sie nicht der Allgemeinheit, sondern dem Unternehmen Rechenschaft schuldig sind. Wenn ein Geschäftspartner betrügt, ist das ein justiziables Delikt. Ermittler liefern gerichtsrelevante Fakten. Eine juristische Auseinandersetzung ist nicht immer der bessere Weg.
Ingo Schenk