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Creditreform

Schnelligkeit und Innovationen – dafür stehen Startups. Investitionen in junge Unternehmen bringen träge Mittelständler auf Tempo.

Die Welt der Likes, Fans und Follower hat längst ins Bankenwesen Einzug gehalten. Etwa im Social Trading. Der Begriff steht für Plattformen, auf denen Anleger ihr Finanzwissen anderen Anlegern zugänglich machen. Trader legen offen, wie sie welche Ergebnisse erwirtschaften, und machen ihre Strategie so kopierbar. Im besten Fall profitieren alle davon. Auch die Commerzbank will dabei sein. Die Social-Trading-Plattform Etoro war die erste Investition der 2014 gegründeten Commerz-Ventures. Das Tochterunternehmen der Bank wurde eigens ins Leben gerufen, um sich an innovativen Fintechs, also Start­ups in der Finanzbranche zu beteiligen.

Nicht nur die Commerzbank hat erkannt, dass die Investitionen in junge Unternehmen helfen können, den digitalen Wandel zu stemmen. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY ergab: Das Interesse etablierter Unternehmen an Startups aus der Tech-Branche steigt. Sie treten zum einen als Venture-Capital-Investoren auf, die sich in frühen Phasen beteiligen, oder kaufen die jungen Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt, heißt es dort. Auch der deutsche Mittelstand sei zunehmend an Startups interessiert, um Schützenhilfe beim digitalen Wandel einzukaufen.

» Viele Mittelständler erfahren gerade, dass sie die Digitalisierung eher schaffen, wenn sie sich Wissen in Form eines Startups hinzukaufen. « Thomas Prüver, EY

2016 gingen 97 Prozent aller Übernahmen auf etablierte Unternehmen zurück, lediglich drei Prozent auf Finanzinvestoren. Sie fanden hauptsächlich in den Bereichen Medien, Technologie und Einzelhandel statt. 2013 war die Rolle der Unternehmen bei Übernahmen von Startups aus der Tech-Branche mit 83 Prozent noch deutlich geringer. Was Beteiligungen angeht, ist für Firmen noch Luft nach oben. Zwar stecken nach EY-Angaben knapp sechs Milliarden Euro Beteiligungskapital in den 100 am höchsten finanzierten Startups. Unternehmen – auch der Mittelstand – seien aber eher unterrepräsentiert.

„Viele Mittelständler erfahren gerade, dass sie die Digitalisierung eher schaffen, wenn sie sich das benötigte Wissen in Form eines Startups hinzukaufen“, sagt Thomas Prüver, Partner bei EY. „Auch in puncto Recruiting zahlen sich Investitionen in Startups aus: In Zeiten von Fachkräftemangel erschließen sich Mittelständler neue Gruppen von jungen und internationalen Mitarbeitern.“ Unternehmen schlagen also bestenfalls mehrere Fliegen mit einer Klappe. Doch der Schritt will gut überlegt sein. Er kostet Zeit und Geld: Zeit, weil die Ziele des Investments vorher gut definiert werden sollten und ein passendes Startup gefunden werden muss. Geld, weil nicht nur das Investment selbst kostet, sondern auch Administration und Prüfung des Wunschkandidaten.

„Das Risiko eines Totalverlusts existiert natürlich schon“, sagt Thomas Lang. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner und berät Mittelständler und Gründer in Handels- und Gesellschaftsrechtsfragen sowie beim gewerblichen Rechtsschutz. „Möglicherweise stellt sich beim Startup neuer Kapitalbedarf ein. Dann können Unternehmen entweder nachschießen oder weitere Investoren an Bord holen, vorausgesetzt natürlich, es gibt Interessenten.“ Im schlimmsten Fall müsse man die Geschäftsidee begraben. Trotzdem rät er Unternehmen zu strategischen Investments in Startups – die Chancen, die sich daraus ergäben, würden in der Regel überwiegen.

Was Investoren beachten sollten

Wer sich entschieden hat, das Risiko einzugehen, müsse etwa sechs bis zwölf Monate für die Suche nach einem passenden Startup einplanen, sagt Willem Bulthuis. Er spricht aus Erfahrung, denn als Business Angel sucht er selbst nach Hightech-Startups, um sich an ihnen zu beteiligen. Er empfiehlt, Gründerwettbewerbe und lokale Business-Angel-Netzwerke zu besuchen und den Kontakt zu Accelerator-Programmen – speziellen Förderprogrammen für Startups – aufzunehmen.

Ist ein passendes Startup gefunden, rät Rechtsanwalt Lang, auch das Team des jungen Unternehmens unter die Lupe zu nehmen. Schließlich seien Gründer und Mitarbeiter entscheidend für den Erfolg. Wenn Geldgeber bei ihnen ein gutes Gefühl haben, ist das eine wichtige Grundlage. Auch die Startups schauen sich ihre Geldgeber genau an. „Ein gutes Startup schafft sich mehrere Optionen. Die Gründer prüfen, ob sie das Investment nicht nur in finanzieller Hinsicht weiterbringt. Sie prüfen auch, ob ein Investor willens ist, sein Netzwerk zu öffnen und seine Expertise einzubringen.“ „Smart Money“ sei vielen weitaus wichtiger als die bloße Summe, die eingebracht werden soll.

Sind sich beide Seiten einig, hängt das weitere Vorgehen maßgeblich von der Größe des Startups und den Zielen des etablierten Unternehmens ab. Hat das junge Unternehmen schon Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, die es verkauft, und verfügt es über entsprechende Strukturen, rät Lang zu einer Due-Diligence-Prüfung, deren Ergebnisse in den Kaufpreis einfließen. Komme das Investment in einer früheren Phase, gebe es in der Regel weniger zu prüfen, sagt Lang. „Ich empfehle aber immer, einen Anwalt kontrollieren zu lassen, ob das Geschäftsmodell juristisch valide ist oder Rechtsverletzungen – zum Beispiel des Wettbewerbs-, Marken- oder Urheberrechts – begangen wurden.“

Lang rät außerdem, in der Gesellschaftervereinbarung eine monatliche oder quartalsweise Rechenschaftslegung sowie Berichtspflichten über bestimmte Vorgänge wie die Neukunden-Akquise festzulegen. Auch Klauseln zum Verwässerungsschutz sowie Mitveräußerungsrechte und -pflichten sollten geregelt werden – für den Fall, dass neue Investoren hinzukommen, das Startup verkauft werden soll, oder die Gesellschafter Anteile veräußern wollen.

Ob das Investment direkt erfolgen soll oder ob ein Tochterunternehmen – eine sogenannte Corporate Venture Capital (CVC) Gesellschaft – eingerichtet wird, hängt von den Zielen und von der Unternehmensgröße des Investors ab. Strebt das Unternehmen mehrere Beteiligungen an und will entsprechend Geld in die Hand nehmen, kann eine solche CVC-Gesellschaft sinnvoll sein. In dem eigenständigen Unternehmenszweig kümmern sich für die Aufgabe ausgewählte Mitarbeiter um die Beteiligungen. Das ermöglicht eine deutliche Abgrenzung vom Rest des Unternehmens: Zuständigkeiten können definiert werden, Strukturen sind klar. Aber es verursacht häufig höhere Kosten für Personal und Administration als ein direktes Investment. Wie auch immer sich Unternehmen entscheiden – auch die eigenen Mitarbeiter müssen auf Beteiligungen vorbereitet werden. Business Angel Bulthuis warnt: „Geld ausgeben für ein Startup kann für schlechte Stimmung sorgen, was wiederum eine eventuell geplante Zusammenarbeit erschweren kann.“

Abschließend sollte ein vielfach unterschätzter Punkt beachtet werden: „Die Investition kann zur Kannibalisierung des eigenen Geschäftsmodells führen. Das Startup geht eigene Kunden mit innovativen Lösungen an, die bestehendes Geschäft überflüssig machen können“, sagt Bulthuis. Das bedeutet für ihn jedoch nicht, einen Rückzieher vom geplanten Investment zu machen. Beteiligungen eigneten sich dennoch dazu, neue Technologien und Märkte zu erschließen und ohne großes Risiko für das Kerngeschäft zu experimentieren. „Wenn das Startup, in das ich investiere, nicht mein Geschäft gefährdet, tut es irgendwann jemand anderes. Als Unternehmer wäre mir die erste Variante lieber.“

(c) Creditreform-Magazin

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