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Creditreform

In der neuen Arbeitswelt pflügen Social und Mobile Intranets die Mitarbeiterkommunikation um. Wie der offene, transparente und feedbackorientierte Wissensaustausch gelingt, zeigen die Praxisbeispiele in diesem Beitrag.

Gisbert Rühl, Vorstandschef von Klöckner & Co, gilt in der Stahlindustrie als Vorreiter des digitalen Wandels. Im Frühjahr 2016 ging der Chef des größten europäischen herstellerunabhängigen Stahlhändlers mit Klöckner Connect an den Start – einer Internet-Serviceplattform, über die Klöckner-Kunden heute ihre Bestellungen komplett online abwickeln und Dokumente verwalten können. Rühls ehrgeiziges Ziel: der gesamte Informationsfluss von der Preisanfrage über die Bestellung bis hin zur Lieferung soll künftig komplett digital ablaufen. Damit will Rühl die Lagerbestände seines Konzerns, vor allem aber auch die zeitaufwendigen und kostspieligen Kommunikations- und Verwaltungsprozesse auf ein Minimum beschränken.

»Über unser internes soziales Netzwerk Yammer tauschen sich die Kollegen standort- und abteilungsübergreifend miteinander aus.«

Christian Pokropp, Klöckner & Co

Standorte zusammenschalten

Die Vision: Klöckner soll zum Amazon des Stahl- und Metallhandels aufsteigen. Rühl weiß: Dafür müssen die 8.700 Mitarbeiter seines Konzerns, die an 200 verschiedenen Standorten im In- und Ausland arbeiten, kommunikativ an einem Strang ziehen. Gemeinsam mit seinem Kommunikationschef Christian Pokropp führte Rühl vor kurzem deshalb ein Social Intranet à la Facebook ein. „Über unser internes soziales Netzwerk Yammer tauschen sich die Kollegen heute standort- und abteilungsübergreifend in Echtzeit fachlich miteinander aus“, erzählt Pokropp: „Wer will, schließt sich einer der vielen Fach-Communitys an, die unsere Mitarbeiter selber gründen, postet Texte, teilt mit den Kollegen Fotos, Online-Videos oder Links zu Fachbeiträgen.“ Das Ziel: Statt wie früher übers Intranet offiziell lediglich einen Informationsfluss zuzulassen, der von oben nach unten durch die Hierarchie sickert, will Klöckner die kreative Kraft der Gesamtbelegschaft wecken. „Das ist durchaus sinnvoll“, so Carsten Schmidt, Spezialist für digitale Kollaboration vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart.

Wissen teilen – quer durch alle Abteilungen

Wenn sich Informationen von oben nach unten, von rechts nach links, von unten nach oben ohne Beschränkungen kommunizieren lassen, steigt nach Ansicht des Experten nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum richtigen Zeitpunkt dort landen, wo sie auch gebraucht werden. Auch das Wissen, das an vielen Stellen im Unternehmen zu einem bestimmten Thema existiert, lässt sich so im Intranet zusammentragen und dank moderner Suchfunktionen verschlagworten. „Langfristig verwandelt sich das Intranet auf diese Weise in eine zentrale Wissensdatenbank, zu der alle Zugang haben und die von den Mitarbeitern zudem auch ständig aktuell gehalten wird“, sagt Schmidt. Ob OttoGroup, Deutsche Telekom, Daimler oder Bosch: Die deutschen Konzerne haben mittlerweile die Vorteile der vernetzten Mitarbeiterkommunikation via Intranet längst für sich erkannt.

„Langfristig verwandelt sich das Intranet in eine zentrale Wissensdatenbank.“

Carsten Schmidt, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation

„Die ersten Großunternehmen starteten bereits vor zehn Jahren damit, ihre früher eher statischen Intranets, über die die Mitarbeiter meist nur Handbücher, Standardformulare oder interne Telefonnummern abrufen konnten, Schritt für Schritt durch immer mehr dialogorientierte Komponenten zu ergänzen“, erzählt Lutz Hirsch, Chef der Intranet-Agentur Hirschtec aus Hamburg. So nutzen viele Kommunikations- und Personalabteilungen schon seit längerem das Intranet als Medium für aktuelle Firmennachrichten, die häufig – wie bei der Facebook-Timeline – auf den Computerbildschirmen der Mitarbeiter erscheinen. Die in einer Zentralredaktion erstellten Beiträge können in immer mehr Unternehmen, ähnlich wie bei Facebook, geliked und kommentiert werden. Noch mutigere Firmen erlauben ihren Mitarbeitern, selbst Blog-Beiträge zu schreiben oder im Intranet Beiträge zu posten, die sie nach Belieben teilen, liken, kommentieren können – ohne dafür vorher die Erlaubnis ihres Chefs oder irgendeiner anderen Instanz im Unternehmen einzuholen. Anderen Unternehmen wiederum ist es wichtiger, dass ihre Mitarbeiter gemeinsam an Dokumenten arbeiten können, und richten virtuelle Arbeitsräume, Unternehmens-Chats oder Wiki-Foren ein.

»Ein Social Intranet zum Laufen zu bringen, erfordert viel Überzeugungsarbeit – bringt jedoch enormen Mehrwert.«

Wendelin Auer, sunzinet

Aufbauend auf diesem Erfahrungsschatz der Vorreiterprojekte bieten mittlerweile zahlreiche Softwarehersteller Standardlösungen von der Stange an, die es jetzt auch mittelständischen Unternehmen ermöglichen, für ihre Mitarbeiter digitale Arbeitsplätze einzurichten – und das zu überschaubaren Kosten (siehe entsprechenden Produkt-Artikel). „Früher schlugen maßgeschneiderte Intranet-Lösungen auch bei Unternehmen mittlerer Größenordnung schnell mit Beträgen in sechsstelliger Höhe zu Buche“, so Hirsch „Heute rangieren die Kosten für die Einführung von Standardtools mit überzeugenden Funktionalitäten eher im mittleren fünfstelligen Bereich.“

„Viele Software-Lösungen von der Stange lassen sich genau an die individuellen Bedürfnisse von Unternehmen und ihrer Kommunikationskultur anpassen. Das hilft gerade Mittelständlern, sich an das Thema vernetzte, soziale und mobile Mitarbeiterkommunikation heranzuwagen“, sagt auch Wendelin Auer von der Kölner Full-Service-Intranet-Agentur sunzinet (siehe Tipp-Kasten am Ende des Artikels). Denn nicht jeder Unternehmer ist bereit, seinen Mitarbeitern auf einen Schlag so viel Mitspracherecht und Redefreiheit einzuräumen. „Gisbert Rühl treibt die hierarchiefreie Mitarbeiterkommunikation bei Klöckner mutig und mit Erfolg voran“, kommentiert Maren Freyberg, Geschäftsführerin der Hamburger Personalberatung Dwight Cribb, die sich auf die Besetzung von Führungspositionen für die Digitalisierung spezialisiert hat: „Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Social Intranet, das es jedem Mitarbeiter erlaubt, frei und jenseits von Kontrollen zu kommunizieren, auch unbedingt der Königsweg für andere Unternehmen sein muss.“

Aktuelle Firmennews für alle Mitarbeiter

Denn der Grad an kommunikativem Spielraum und gewährter Interaktion variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Die Paulaner-Brauerei in München etwa wollte mit der Einführung ihrer neuen Mitarbeiter-App auf Basis der Standard-Software Staffbase im Herbst 2016 vor allem dafür sorgen, dass auch die Mitarbeiter in der Produktion, die nicht über einen Computerarbeitsplatz verfügen, über ihr Handy Zugang zu Unternehmensnachrichten erhalten.

„Bis vor kurzem erschien unsere Mitarbeiterzeitung viermal im Jahr im Drei-Monats-Rhythmus. Gemessen an der Schnelligkeit, mit der heute Nachrichten übers Internet verbreitet werden, wirkten die News dadurch zunehmend inaktuell“, sagt Johannes Rieger, verantwortlich für die Interne Kommunikation bei der 800 Mitarbeiter zählenden Brauerei. „Heute können wir den Kollegen aktuelle Firmennews direkt auf den PC, aufs Handy, Tablet oder iPad spielen und erscheinen mit unserer Jahresrückblicks-Printausgabe nur noch einmal im Jahr.“ Unterm Strich sei die neue Kombination aus digitaler Mitarbeiterzeitung und reduziertem Printangebot nicht teurer als die bisherige Lösung.

 

ÜBERZEUGEN PER LEUCHTTURMPROJEKT
Was beim Aufbau von digitalen Arbeitsplätzen zu beachten ist, erklärt Wendelin Auer von der Internetagentur sunzinet:

Ziel und Roadmap definieren. Soll der Umgang mit Dokumenten effizienter werden? Sollen die Mitarbeiter auch über mobile Geräte wie das Smartphone oder Tablet Zugang zu Betriebsinformationen erhalten oder „nur“ der standort- und abteilungsübergreifende Dialog am PC gestärkt werden? Die Welt der Intranet-Lösungen ist bunt. Um kostspielige Fehlinvestitionen zu vermeiden, gilt es deshalb die Ziele vorher konkret festzulegen.

Bedarf ermitteln. Die Kommunikationsbedürfnisse von Mitarbeitern variieren je nach ihrer Tätigkeit. Ein Wissensarbeiter benötigt einen anderen Grad an Vernetzung als ein Sachbearbeiter oder ein Mitarbeiter in der Produktion. Bevor ein Unternehmen sich für eine Intranet-Lösung entscheidet, sollten die Projektverantwortlichen deshalb intensive Gespräche mit Mitarbeitern aus den unterschiedlichsten Abteilungen führen, um den genauen Bedarf zu ermitteln.

Verantwortlichkeit klären. Auch wenn ohne die IT-Abteilung bei der Einführung von digitalen Arbeitsplätzen nichts läuft, für die fachlichen Anforderungen, die Konzeption und operative Begleitung zeichnen andere verantwortlich. Meist treiben die Geschäftsführung, die Unternehmenskommunikation oder die Personalabteilung Intranet-Projekte voran und übernehmen – sobald das Intranet technisch steht – die redaktionelle Betreuung und Moderation der Communitys.

Strategie bestätigen. Oftmals existieren in Unternehmen bereits digitale Kommunikationstools, doch nur wenige arbeiten damit. Häufig hat sie die IT-Abteilung irgendwann mal eingeführt, ihr Nutzen wurde aber vom Management nicht erkannt und deshalb auch nicht unternehmensweit ausreichend beworben. Ein Social Intranet zum Laufen zu bringen, erfordert viel Überzeugungsarbeit, bringt jedoch nach Gelingen enormen Mehrwert. Alle Beteiligten müssen deshalb an einem Strang ziehen und ihren Teil zum Gelingen des Projekts beisteuern.

Leuchtturmprojekt aufsetzen und bewerben. Der Betriebsrat sorgt sich um den Datenschutz, Kollegen, die weniger technikaffin sind, trauen sich oft nicht, Beiträge ins Intranet einzustellen und wieder andere Mitarbeiter würden gerne etwas im Unternehmensnetzwerk posten, sind aber noch unsicher, ob es so klug ist, transparent zu machen, woran sie gerade arbeiten. Damit ein Social Intranet tatsächlich mit Leben gefüllt wird, braucht es gute Argumente. Es muss deutlich werden, dass dieses Facebook für die Firma auch jedem einzelnen Mitarbeiter Vorteile bringt. Intranet-Verantwortliche tun deshalb gut daran, erst einmal ein Leuchtturmprojekt anzustoßen, um anschließend mit der Erfolgsstory die gesamte Belegschaft zum Mitmachen zu bewegen. Auch Schulungen am Arbeitsplatz sind dabei unerlässlich.