Ein Produkt kann noch so ausgefeilt sein: Wenn es im Ausland erfolgreich werden soll, müssen fehlerfrei übersetzte Unterlagen her. Sonst drohen Absatzprobleme und sogar Klagen.
Die meisten Bundesbürger kennen Canesten, das Erfolgsmedikament des Bayer-Konzerns gegen Pilzerkrankungen. „Im Japanischen bedeutet der Name allerdings lautmalerisch so viel wie ‚wirf dein Geld weg'“, sagt der Markenkenner Prof. Karsten Kilian. Auf seinem Portal markenlexikon.com hat er diese und ähnliche sprachliche Ungeschicklichkeiten dokumentiert, die alle eines gemein haben: Die zuständigen Marketingfachleute haben sich vor dem Export eines Produkts zu wenig mit der Kultur und der Umgangssprache der örtlichen Zielgruppen beschäftigt.
„Interkulturelle Zusammenarbeit bietet viele Gelegenheiten für Fettnäpfchen“, warnt Chris Pyak von der Düsseldorfer Immigrant Spirit GmbH. Schnell wird übersehen, dass etwa das Pkw-Modell „Uno“ von Fiat im Finnischen mit „Trottel“ übersetzt wird. Oder der Ford „Pinto“ in Brasilien mit einem kleinen männlichen Geschlechtsteil verwechselt werden könnte – was „darauf deuten lässt, dass es für den Verkehr nicht optimal geeignet ist“, wie Kilian amüsiert anmerkt. Flugs hat Ford den „umtriebigen Wagen“ daher auch in „Corcel“ umbenannt.
„Sogar große Unternehmen erleben von Zeit zu Zeit, dass ihre Kampagnen im Ausland nicht aufgehen – auch wenn sie im heimischen Markt hervorragend laufen“, sagt Jörg Wenzel von der Schweizer Agentur W4. Wenn der neue Markt gar schon gesättigt ist, empfiehlt der Experte für Auslandsmarketing dem Neuankömmling eine „konsequente Emotionalisierung“ seiner Kampagnen, um sich gegen die lokal bereits etablierten Anbieter durchzusetzen. Auch das setzt Wissen über die jeweilige Kultur voraus. Und vor allem belastbare Sprachkenntnisse. Schon 2006 hatte die US-Unternehmensberatung Common Sense Advisory herausgefunden: Selbst Geschäftskunden, die ihre Kaufentscheidungen weniger emotional treffen dürften als der typische Endverbraucher, beschaffen fünfmal eher ein Produkt, das in ihrer Sprache beschrieben wird.
Eine fehlerfreie Lokalisierung ist also aus Marketinggesichtspunkten empfehlenswert – in vielen Branchen ist sie vom Gesetzgeber sogar zwingend vorgeschrieben. So verpflichten etwa die EU-Maschinenrichtlinie oder das Produkthaftungsgesetz die Hersteller dazu, ihre Service-Dokumente, Handbücher, Wartungs- und Bedienungsanleitungen unbedingt in der jeweiligen Landessprache zu übermitteln. Andernfalls gilt das Produkt als nicht vollständig ausgeliefert. Welchen Aufwand es jedoch für einen internationalen Maschinenbauer bedeutet, sämtliche Produktinformationen und technische Dokumentationen rechtzeitig mit Fertigstellung seiner Maschinen und Anlagen in womöglich 30 unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung zu haben, ist leicht vorstellbar. Vor allem, wenn die Time-to-Market kürzer und kürzer wird, gleichzeitig die Produkte – und damit auch deren Beschreibungen – aber immer komplexer werden.
Bei der Anfertigung haben Unternehmer die Qual der Wahl: Sie können Übersetzungsaufträge ad hoc und einzeln an externe Übersetzungsbüros auslagern. Je nach Qualitätsanspruch ist es aber günstiger und schneller, den Rechner zu bemühen, also vergleichsweise einfache Machine-Translation-Systeme einzusetzen. Danach wird zwar oft noch eine Nachbearbeitung durch professionelle Übersetzer fällig – eine erste Annäherung an eine Formulierung in der Fremdsprache ist aber immerhin schon mal erfolgt. „Für Texte, die sonst gar nicht übersetzt würden und für die ein erster Entwurf genügt, reichen solche Instrumente sicherlich aus“, sagt Christian Weih von der Across Systems GmbH aus Karlsbad.
In allen anderen Fällen aber – etwa bei vertriebs- und haftungsrelevanten Inhalten aus kaufmännischen Vereinbarungen oder Verträgen, Bedienungs- und Anwendungshinweisen – kommt jeder Fehler den Anbieter teuer zu stehen. Hier empfehlen sich ausgefeilte Translation-Management-Systeme, in denen bereits angefertigte Übersetzungen als Segmentpaare gespeichert sind und sich vom Übersetzer für neue Texte wiederverwenden lassen.
Die Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG aus Ditzingen bei Stuttgart hat bereits vor vier Jahren zu einem solchen Produkt gegriffen, um ihre Dokumentationen zu erstellen und zu übersetzen. Während des Übersetzens zeigt die Software von Across Systems dem Trumpf-Mitarbeiter Formulierungsvorschläge an, die er wahlweise übernehmen oder bei Bedarf nachbearbeiten kann. Abweichungen zwischen dem aktuellen Satz und dem Translation-Memory-Eintrag werden optisch markiert. Idealerweise lassen sich 100-Prozent-Matches – also Sätze, die im Quelltext und im Translation Memory identisch sind – als Vorübersetzung direkt in das zu bearbeitende Dokument übernehmen. „Der Übersetzungsaufwand lässt sich dadurch gezielt minimieren, während die Software die Konsistenz der Texte in allen Sprachen sichert“, sagt Christian Weih.
Eine weitere Anforderung an heutige Translation-Management-Systeme: Ganze Übersetzungsprojekte müssen sich mit ihnen transparent steuern lassen – vom Verfassen des Textes und der Übersetzung bis hin zu Lektorat und Freigabe. Legt etwa der Projektmanager einen neuen Übersetzungsauftrag an, so erhält der zuständige Bearbeiter Angaben zu Abgabeterminen, Produktgruppen und weitere projektspezifische Daten direkt über das System – und bewusst nicht losgelöst via E-Mail und angehängtem Dokument.
Seitdem das Unternehmen seine Textdatenbank zentral pflegt, arbeiten alle Beteiligten direkt im System, auch die Trumpf-Mitarbeiter oder Dolmetscher im Schulungszentrum. Interne und externe Übersetzer greifen auf dasselbe Translation Memory zurück. Eine Übersetzung, die immer wieder verwendet wird, muss so nur einmal bezahlt werden. „Wir bleiben damit nicht nur Herr über unsere Sprachressourcen, sondern ermöglichen 10.000 Mitarbeitern rund um den Globus die Erstellung konsistenter Texte“, sagt Trumpf-Manager Frank Neidhart. „Egal, ob eine Aktennotiz, eine E-Mail oder ein Werbeprospekt erstellt wird: Unser unternehmenseigenes Wörterbuch mit Einträgen in 30 Sprachen unterstützt nun bei der korrekten Formulierung.“
Die Übersetzungskosten, die ein internationales Engagement zwangsläufig mit sich bringt, konnte der Werkzeugbauer aus Ditzingen damit halbieren. Die Software verschafft einen besseren Überblick, macht den Aufwand transparent und sorgt für gleichbleibende Qualität. Das hilft der Zielgruppe im Auslandsmarkt – aber auch dem eigenen Vertrieb und der Rechtsabteilung.
RISIKEN INTERNATIONALER PRODUKTKOMMUNIKATION
In diesen Bereichen drohen Unternehmen Probleme, die ihre Produkte ohne brauchbare Dokumente auf fremde Märkte werfen:
- Anwendung: Für Schäden durch fehlerhafte Betriebsanleitungen und deren fehlerhafte Übersetzung haftet laut Produkthaftungsgesetz der Hersteller.
- Export: Die Zollbehörde des Bestimmungslandes prüft anhand der beigefügten Dokumente die Eigenschaften und vor allem die Sicherheit einer Maschine. Produktkomponenten dürfen keinesfalls unterschiedlich benannt oder falsch übersetzt sein.
- Annahme: Laut EU-Maschinenrichtlinie müssen Maschinen mit der zugehörigen Betriebsanleitung in der Amtssprache des Ziellandes ausgeliefert werden.
- Informationen: Während des Übersetzungsprozesses besteht die Gefahr der unkontrollierten Weitergabe von Informationen, etwa wenn Übersetzungsaufträge über ungesicherte E-Mails vergeben werden. In Märkten mit hohem Plagiatsrisiko nicht zu unterschätzen.