Deutschland dürfte zunächst im ersten Quartal an einer Rezession nur knapp vorbeischrammen, warnt Dr. Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. Seine BIP-Wachstumsprognose von 0,6 Prozent ist allerdings auch eine der pessimistischeren Schätzungen bei unserer Umfrage, die wir schon zum 13. Mal in Folge traditionell zum Jahreswechsel durchgeführt haben. Die meisten befragten Volkswirte halten immerhin ein Plus von einem Prozent für möglich. Die zuversichtlichste Prognose kommt vom Verband öffentlicher Banken (VÖB): 1,2 Prozent. Nur Stefan Schneider von Deutsche Bank Research und Dr. Ulrike Rondorf von der Commerzbank trauen dem neuen Jahr noch weniger zu als Dr. Bargel: Magere 0,25 Prozent Wachstum (Deutsche Bank) und immerhin noch 0,5 Prozent (Commerzbank) sind für die beiden Ökonomen 2013 das höchste der Gefühle.
Belastend wirken laut Postbank „vor allem die rückläufigen Exporte in andere EWU-Staaten, sie sich teilweise in einer scharfen und lang anhaltenden Rezession befinden“. Die Eurokrise dauere zu lange, beklagt auch Prof. Frank Wallau vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Es müssten „endlich erste Erfolgsmeldungen aus den Krisenstaaten kommen“, hofft der Wirtschaftswissenschaftler, der unter anderem zu Familieunternehmen und auch für das BDI-Mittelstandspanel forscht. So aber hinterlasse die Eurokrise „deutliche Spuren“. Kaum verwunderlich, dass da „die harten Wirtschaftsdaten um die Jahreswende erst einmal noch schwach ausfallen“, wie Lutz Diederichs, Vorstandsmitglied der HypoVereinsbank (HVB), befürchtet: Die Unsicherheit für die Weltwirtschaft und damit auch für Deutschland sei derzeit „ungewöhnlich hoch“. Das sieht auch die KfW Bankengruppe so: „Zu Beginn 2013 dürfte die Schwächephase anhalten und das BIP kaum über Stagnation hinauskommen“, lautet ihre Schlussfolgerung – auch mit Blick auf das „zuletzt schwächelnde“ Wachstum in China.
Erholung im Jahresverlauf
Nur zu Jahresbeginn? In der Tat erwarten unsere Umfrage-Teilnehmer zum Sommer hin eine erneute wirtschaftliche Belebung – vor allem, weil sich unsere Exportchancen wieder verbessern. Der VÖB etwa rechnet mit einer „wieder zunehmenden Wirtschaftsleistung in den Entwicklungsländern“ und somit einer Belebung des Welthandels, was auch der hiesigen Instustrieproduktion helfen dürfte. Auch Deutsche Bank Research traut der Weltwirtschaft in diesem Jahr 3,25 Prozent Wachstum zu – leicht mehr als 2012 (3 Prozent). „Wir erwarten eine zunehmende Kompensation der Nachfrageschwäche innerhalb der Eurozone durch die USA und die Schwellenländer“, schreibt Deutschbanker Stefan Schneider. Selbst BIP-Skeptiker Dr. Marco Bargel von der Postbank sieht „im weiteren Jahresverlauf gute Chancen für ein beschleunigtes Wachstum“ – getragen von „einem sich verbessernden globalen Konjunkturumfeld, wobei Deutschland vor allem von einer wieder anziehenden Nachfrage in den großen Schwellenländer profitieren sollte“.
Selbst im krisengeschüttelten Europa sieht die HVB erstes Licht am Ende des Tunnels: In der Mehrzahl der EWU-Krisenländer dürften die fiskalischen Sparmaßnahmen 2013 allmählich gelockert werden, „da bereits spürbare Fortschritte beim Abbau der Defizite gemacht wurden“. Der VÖB sieht das ähnlich: Die jüngste Verringerung der Leistungsbilanzdefizite könnten bald auch in Italien, Portugal, Spanien und selbst in Griechenland erste Wachstumsimpulse setzen. Dann sei auch im Euroraum wieder Wachstum möglich (0,4 Prozent). Da passt es gut, dass der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras pünktlich zum Redaktionsschluss für dieses Jahr wieder erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung in Aussicht stellte: „2013 ist ein Wendepunkt“, sagte der Staatschef kurz vor Redaktionsschluss Anfang Dezember.
Binnennachfrage stützt
Weitere Nahrung könnte der zarte Aufschwung in Deutschland derweil von der Binnennachfrage erhalten. Sie hält HypoVereinsbanker Diederichs für „weiterhin insgesamt robust“, sowohl die privaten Konsumausgaben und als auch Wohnungsbau dürften weiter zulegen. Hilfreich dabei: der robuste Arbeitsmarkt. „Wir erwarten, dass das historische Spitzenniveau der Erwerbstätigkeit in etwa gehalten werden kann“, schreiben die Volkswirte der KfW Bankengruppe. Zusammen mit dem „18-Quartalshoch“ bei den Tariflohnsteigerungen sei dies „eine gute Voraussetzung für ein spürbares Wachstum des Konsums“ in diesem Jahr. Auch IKB-Volkswirtin Dr. Carolin Vogt begrüßt die „realen Einkommenssteigerungen“ und deren Impulse für das Konsumverhalten der Bundesbürger. Und die Unternehmen? „Herausforderung bleibt, deren Wachstumskräfte und insbesondere deren Investititionstätigkeiten zu stärken“, mahnt Dr. Holger Schulz vom Sparkassenverband in Berlin. „Sollten zudem erwartungsgemäß die Unsicherheiten rund um die Schuldenkrise sukzessive nachlassen, dürften auch die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte an Bedeutung gewinnen“, ergänzt Alexander Wüerst, Chef der Kreissparkasse Köln. Insbesondere könnten dann „die für Investoren in Deutschland derzeit extrem günstigen Finanzierungsbedingungen“ vermehrt „ihre expansive Wirkung“ entfalten. Dr. Ulrike Rondorf von der Commerzbank stellt gar eine Fortsetzung des „Ausschwungs XXL der Jahre 2010/11“ in Aussicht, sollte die Unsicherheit nicht nur an den Finanzmärkten, sondern auch aus den Köpfen der Unternehmer verschwinden: „2014 erwarten wir ein Wachstum von 2,5 Prozent.“
Das klingt gut – doch auch das Miniwachstum in diesem Jahr wäre für Dr. Andreas Bley „kein Beinbruch“: Wir sollten uns ohnehin an solche „eher bescheidenen Zuwächse gewöhnen“, fordert der Leiter der Abteilung Volkswirtschaft undd Mittelstandspolitik beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in Berlin. Mehr Wachstum wäre nur über eine stärkere Zuwanderung oder mehr Produktivität zu erreichen – „aber auch dann wachsen die Bäume nicht in den Himmel“.