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Creditreform

Eine Kündigung muss nicht das Ende der Welt bedeuten. Wenn Führungskräfte ihren Job verlieren, tun sie gut daran, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das hilft nicht nur bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Es birgt auch die Chance auf einen Neuanfang.

 

Peter Müller* hilft jetzt anderen, Herausforderungen zu bewältigen, mit denen er selbst jahrelang zu kämpfen hatte: Stress und Burnout. Nach dem Verlust seines Jobs im Jahr 2018, fasste die ­ehemalige Führungskraft aus der Versicherungsbranche den Mut, sich neu zu orientieren.

Der damals 52-Jährige entschied sich für eine Selbstständigkeit, berät jetzt zum Thema Burnout-Prävention und ist glücklich damit.

Uwe Bohnert, Associate Partner bei Rochus Mummert Executive Consultants, hat als Personalberater oft mit Menschen zu tun, die einen Neustart wagen wollen – oder müssen, weil sie ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Auch Peter Müller hat er beraten: „Er hat erkannt, was er selbst gut kann – auf Menschen zugehen und ihnen helfen.“

 

Höherer Beratungsbedarf in der Corona-Krise

Bohnert erwartet, dass der Beratungsbedarf im Zuge der Corona-Krise steigen wird. Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen bislang noch nicht in die Höhe geschnellt, was Maßnahmen der Bundesregierung wie dem Ausweiten der Kurzarbeit zu verdanken ist.

Creditreform rechnet aber mit einem starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen: „Sollte die Insolvenzantragspflicht im September wieder einsetzen, erwarten wir bis Ende 2020 rund 15 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.

Uwe Bohnert dürfte also recht behalten. Was aber tun als Führungskraft, die in der aktuellen Situation ihren Arbeitsplatz verliert?

 

Klare Selbstpositionierung

Claudia Michalski rät zu einer klaren Selbstpositionierung. Die Geschäftsführerin der OMC Openmind Management Consulting GmbH empfiehlt, Freunde oder Berater hinzuzuziehen, um herauszufinden: Bin ich eher der kreative Innovator oder der analytische Denker oder der Macher? Und welche Position wünsche ich mir eigentlich?

Uwe Bohnert empfiehlt, früh mit dem Schreiben des eigenen Lebenslaufs zu beginnen. „Ich kann mir mit dem Herausarbeiten eine erste Klarheit verschaffen und auch das Erlebte mit dem Schreiben ein Stück weit verarbeiten.“ In Zeiten von Xing und Linkedin sei das nicht überflüssig: „Schriftliche Lebensläufe werden so schnell nicht ersetzt.“

 

(Digitales) Netzwerk pflegen

Nichtsdestotrotz – auch die sozialen Netzwerke spielen eine große Rolle. Mehr noch: Michalski empfiehlt das Schaffen einer digitalen Persönlichkeit. „Machen wir uns nichts vor. Jeder potenzielle neue Arbeitgeber wird den Namen eines Bewerbers googeln.“

Auch das persönliche Netzwerk sollte über die eigene Situation informiert werden – ohne Panik, ganz in Ruhe. Michalski rät zu persönlichen Gesprächen.

„Freunde, ehemalige Kollegen, Hausarzt, Steuerberater – wer niemandem erzählt, dass er auf der Suche ist, darf sich auch nicht wundern, wenn er keine Anrufe bekommt.“

In der Corona-Krise seien offen ausgeschriebene Vakanzen eher selten. „Sich darauf zu verlassen, ist definitiv zu wenig.“

 

Gezielt Bewerbungen schreiben

Auch Rochus-Mummert-Experte Bohnert rät zur Besonnenheit – und zu gezielten, professionell ausgearbeiteten Bewerbungen: „Der Arbeitsmarkt wird in manchen Branchen kleiner, da muss man sich gut überlegen, wo man hinwill.“

Außerdem benötigten anspruchsvolle Jobs mehrere Gespräche. „Der Prozess dauert einfach, das hat nichts mit einem selbst zu tun.“

In der aktuellen Situation rechnet Bohnert mit mindestens sechs Monaten. „Dafür muss ich mir Szenarien zurechtlegen und mich fragen: Was mache ich mit meiner Zeit, wenn es sechs Monate dauert, was wenn es neun werden?“

 

Fortbildungen besuchen

Eine gute Gelegenheit, den Stand der eigenen Fachkenntnisse zu reflektieren und sich Wissenslücken einzugestehen – gern unterstützt von Freunden, ehemaligen Kollegen und Coaches.

„Wer sich die letzten 30 Jahre vor der Digitalisierung gedrückt hat, sollte die Chance nutzen, seine Defizite auszugleichen“, so Bohnert.

Michalski ist ebenfalls überzeugt: „Im Moment sind alle Wege für Onlineweiterbildung geebnet. Agile Managementmethoden, KI-Webinare, Coding- und Rhetorikkurse, Englisch – das alles war noch nie so einfach zu haben wie jetzt.“

 

Frustrationstoleranz stärken

Die OMC-Expertin weiß: Sich selbst zu fördern und zu fordern, stärkt die Frustrationstoleranz – also die Fähigkeit, Jobverlust und mögliche Absagen nicht zu schwer zu nehmen. Es ist wichtig, sich nicht in der Opferrolle einzurichten, sondern immer nach vorn zu schauen und die nächste Chance zu suchen.

Uwe Bohnert empfiehlt Führungskräften, ihre Tage in der Arbeitslosigkeit klar zu strukturieren. „Die Freiräume, die entstanden sind, kann ich nutzen, um mich selbst zu stärken“, sagt er. „Das funktioniert aber nicht, wenn man nur in den Tag hineinlebt.“

Da mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch ein großer Teil der täglichen Struktur wegbricht, gilt: „Den Rahmen muss ich mir nun selbst setzen.“

 

Verändungswillig? Jetzt ist die Zeit dazu!

Doch bevor all dies geschieht, raten die Experten zu etwas ganz anderem – zum Innehalten. Für Bohnert steht fest: Ein Jobverlust ist ein persönlicher Einschnitt, nach dem Ruhe einkehren muss, bevor das Leben weitergehen kann.

„Es lohnt sich, eine Auszeit zu nehmen und das Erlebte zu reflektieren.“ Jetzt sei der Moment, sich zu fragen: Was will ich mit dem Rest meines Arbeitslebens anfangen?

War ich zufrieden in meinem Job oder möchte ich etwas anderes tun? Oder will ich einfach nur das Karrierelevel ändern – einen Schritt nach oben gehen oder eventuell sogar nach unten?

„Vielleicht habe ich nie wieder in meinem Leben die Gelegenheit, noch einmal umzusteuern. Führungskräfte, die jetzt ihren Job verlieren, sollten sich dieser Chance bewusst sein.“

*Name von der Redaktion geändert