Vorrangig suchen Unternehmer ihren Nachfolger in der eigenen Familie (54 Prozent), wie Analysen des IfM gezeigt haben. Nicht immer sind ihre Bemühungen aber von Erfolg gekrönt und ein familieninterner Kandidat ist willens – und fähig – den Staffelstab zu übernehmen. In diesem Falle ist ein Unternehmensverkauf sinnvoll. Doch gerade deutschen Mittelständlern fällt die Entscheidung, ihr Lebenswerk in fremde Hände zu übergeben, häufig schwer. Die Aufgabe des eigenen, womöglich ererbten Geschäfts hat oft den Beigeschmack des Scheiterns.
Doch wirklich verantwortungsvolles Unternehmertum bedeutet, dass sich Eigentümer nicht nur in fortgeschrittenem Alter, sondern ganz regelmäßig fragen, ob sie weiter die Kraft und die Ideen haben, um ihre Firma auf Erfolgskurs zu halten. Viele namhafte Unternehmen von Schiesser über Märklin und Schlecker bis hin zu Metabo sind in Bedrängnis geraten, weil entweder die Chance vertan wurde, das Erreichte an eine neue Generation zu übergeben und so Impulse zu setzen oder die Gesellschafterstämme sich nicht auf eine Unternehmens-Strategie einigen konnten. „Bin ich der richtige Eigentümer für den Wettbewerb und das Marktumfeld, in dem sich meine Firma befindet, oder sind für den Bestand und die prosperierende Entwicklung andere Fähigkeiten oder finanzielle Mittel nötig?“ Wer bereit ist, sich dies ehrlich zu beantworten, hat im Sinne des „best ownership-Ansatzes“ einen wichtigen Schritt zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit getan.
Lautet die Antwort nicht klar „ja“, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten: Neben der Aufnahme neuer Gesellschafter, dem Verkauf an einen Mitbewerber, einen strategischen oder Finanz-Investor kommen auch ein Management-Buy-Out oder der Börsengang in Frage. Dabei können die bisherigen Eigentümer – als wesentliche Gesellschafter mit Vertretung im Aufsichtsrat – am Unternehmen beteiligt bleiben, ohne weiterhin die operative Verantwortung tragen zu müssen.
Vor jedweder Transaktion gilt es aber zunächst vier Dinge zu prüfen: Die Führungsstruktur, die Vertragssituation, das Geschäftsmodell und den freien Cash Flow sowie dessen Perspektiven:
1. Gibt es eine zuverlässige Führungsebene, die die Firma stabil weiterführen kann und kann man diese gegebenenfalls am Unternehmen beteiligen?
2. Sind wesentliche Liefer- und Kundenbeziehungen nicht ausschließlich auf den Eigentümer fixiert?
3. Ist das Unternehmen entwicklungsfähig in Bezug auf neue Kunden, Produkte und Märkte?
4. Wird das Unternehmen so gesteuert, dass es seine freien Cash Flows stets optimiert?
Dies sind zentrale Elemente für die Verkaufsfähigkeit, die gleichzeitig wichtige Werttreiber darstellen. Apropos Unternehmenswert: Wer sich konkret mit einem An- oder Verkauf beschäftigt, wird eine detaillierte Unternehmensbewertung vornehmen. Als erste Orientierungsgröße gelten die branchenspezifischen EBITDA-Multiples: Das EBITDA, der Vorsteuergewinn vor Zinskosten, Steuern und Abschreibungen, ist eine bekannte Kennziffer für Unternehmer. Multiples bezeichnet die Faktoren, mit denen der operative Gewinn multipliziert wird, um einen indikativen Unternehmenswert zu ermitteln. Informationen und Hilfestellungen dazu bieten Transaktionsberater wie die HSH Corporate Finance, die Finanz-Fachpresse oder die Branchendienste Dialogic und Merger Market. Es sind jedoch nur Richtwerte: Die EBITDA-Multiples variieren stark, je nach Branche und Unternehmensgröße, nach Geschäftsmodell und zu erwartender Rentabilitätsentwicklung.
Eine wichtige Rolle spielt gewiss auch das Timing: Nach dem dramatischen Rückgang der Verkaufszahlen durch die Finanzkrise 2008 mussten zum Beispiel in der Automobilindustrie allerorten Kosten gespart und Prozesse verschlankt werden. Dann kam die Abwrackprämie 2009 und die Zahlen zogen wieder an, die Branche erzielte außergewöhnlich gute Margen. Wer seinen Betrieb in so einem Umfeld verkaufen kann, hat oftmals ausgesorgt. Dies ist sicher der Idealfall – doch wer gut vorbereitet ist, kann solche Chancen nutzen. Es lohnt sich also, regelmäßig die Möglichkeiten zu bewerten. Den größten Handlungsspielraum hat, wer handelt, bevor er dazu gezwungen ist.
Markus Paffenholz ist Hauptgeschäftsführer der HSH Corporate Finance GmbH, einem national und international tätigen M&A-Berater mit Spezialisierung auf die Branchen Healthcare und Logistik / Transport / Schifffahrt.