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Creditreform

Der Trend geht weiter, die Banken schließen immer mehr Filialen. Welchen Service Unternehmer von ihrem Kreditinstitut dennoch erwarten können und was eine gute Verbindung mit den Finanziers ausmacht. 

Die Volksbank Rottal-Inn will acht Zweigstellen schließen. Das sorgt für Zündstoff in den betroffenen Gemeinden. Das 850-Seelen-Dorf Geratskirchen in der Region Landshut machte Anfang dieses Jahres Front gegen den Plan des Kreditinstituts. „Unser Ort liegt im südlichen Niederbayern und grenzt direkt an Oberbayern an. Aus dieser Sicht ist der Einzugsbereich gemessen an der Einwohnerzahl recht groß“, erklärt Johann Gaßlbauer, Erster Bürgermeister in Geratskirchen. Bürger der Gemeinde sammelten jüngst 462 Unterschriften von Privatpersonen und von Unternehmern, um die Filiale zu halten. „Im Juli 2016 schloss schon die Sparkasse die Geschäftsstelle hier im Ort. Jetzt zieht die Volksbank zum Ende dieses Jahres nach. Das schwächt unsere Gemeinde“, glaubt Gaßlbauer, der selbst einen Betrieb für Holzhandel und Montagebau führt.

Auch Handwerksunternehmer Reinhard Gruber zählt zu den Geratskirchenern, die sich für den Erhalt der Filiale starkgemacht haben. Er führt eine Bau- und Möbelschreinerei und ist Mitglied des Gemeinderates. „Viel hat unser Einspruch bisher nicht gebracht. Uns wurde vonseiten der Bank nur ein Geldautomat mit Kontoauszugsdrucker für die nächsten fünf Jahre zugesichert. Unsere Gemeinde verliert mit der Schließung wieder ein Stück des Versorgungsnetzes“, schimpft Gruber. Für den Firmenchef wie auch für andere Unternehmer der Region bedeutet das: „Es kommen jetzt weitere Wege zur nächsten Geschäftsstelle auf uns zu. Daraus resultiert ein erhöhter Arbeits- und Zeitaufwand, um etwa Bargeldbestände in der nächsten Filiale einzuzahlen“, so Gruber.

Anzahl der Geschäftsstellen sinkt

Deutschlandweit schließen Kreditinstitute ihre Niederlassungen. Die Zahl der Zweigstellen reduziert sich dynamisch. Das belegt eine Studie der KfW Bankengruppe in Kooperation mit der Universität Siegen. Nicht nur die Volks- und die Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen, sondern auch die Commerzbank oder die Deutsche Bank verkleinern ihr Filialnetz. Im Prinzip verfolgen alle Kreditinstitute die Strategie der Konsolidierung. In den vergangenen zwei Jahren wurden nach Angaben der KfW-Studie insgesamt 2.200 Niederlassungen geschlossen. „Der Rückbau der Filial­netze legt damit noch einmal an Tempo zu“, heißt es in der Studie. Seit der Jahrtausendwende machte jede vierte Geschäftsstelle dicht, insgesamt mehr als 10.000 Häuser. Und zwar sowohl in großen Städten als auch in Kleinstgemeinden – da gibt es keinen Unterschied. Auch in der Metropole Berlin verschwanden schätzungsweise 80 Filialen, gelegen in durchaus belebten Ecken wie Spandau, Neukölln, Treptow-Köpenick oder Wittenau. „Filialschließungen sind in 94 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte zu beobachten“, schreibt die KfW. „Geht man von einem gleichbleibenden Tempo der Schrumpfung aus, werden im Jahr 2035 hierzulande über die Hälfte der noch im Jahr 2000 existierenden Filialen geschlossen sein“, so das KfW-Studienergebnis.

Folgen für Firmen

Worauf also sollten sich Unternehmer in der Zusammenarbeit mit ihrer Hausbank mittelfristig einstellen? „Wir wollen unseren Kunden weiterhin den Service bieten, den sie sich wünschen und brauchen“, sagt Volker Schleede von der Sparkasse Essen. Das Kreditinstitut schließt innerhalb von vier Jahren in der ganzen Stadt 14 von 49 Zweigstellen. Grund dafür sei das veränderte Nutzungsverhalten der Kunden und der sich ergebende Kostendruck. Aufgrund des hohen Wettbewerbs und der anhaltenden Niedrigzinsphase schrumpfen die Erträge vieler Geldinstitute.

» Im Jahr 2035 werden hierzulande über die Hälfte der noch im Jahr 2000 existierenden Filialen geschlossen sein. « KfW-Research

„In der Regel ist die nächste Filiale weiterhin in einer Entfernung von einem bis zwei Kilometern zu erreichen. Eine Strecke, die für die meisten Unternehmer nicht ins Gewicht fällt“, erläutert Schleede. Bisher lägen auch keine Beschwerden von Kunden vor. Kein Firmenchef musste aufgrund einer Filialschließung seinen Bankberater wechseln – wenn er das nicht wollte. „Wer seinen Betreuer behalten will, braucht uns das nur zu sagen“, so Schleede. Die Sparkassen kooperieren bei komplexen Finanzierungslösungen wie etwa Leasing oder im Auslandsgeschäft ohnehin häufiger mit den Spezialisten im eigenen Haus oder mit den Tochtergesellschaften der Finanzgruppe. Insofern kommt es also in der Zusammenarbeit immer weniger auf den einzelnen Mitarbeiter an.

Überweisen per Computer

Hinzu kommt: Ein guter Teil der Bankgeschäfte läuft im Zeitalter der Digitalisierung ohnehin per Computer. Die Sparkassen bieten dazu etwa die Electronic-Banking-Software SFirm an, mit der Unternehmer ihr Finanzmanagement abwickeln. „Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage und ein steigendes Interesse“, so Schleede. Bei Bedarf unterstützen die Berater bei der Implementierung.

Kommunikationskultur entscheidet

Ergebnis ist, dass Selbstständige und Unternehmer heute im Schnitt nur noch ein- oder zweimal im Jahr ihre Filiale vor Ort konsultieren müssen. „Gerade wenn es um kapitalintensive Investitionen geht, stehen Mittelständler meist mit der Bereichs- oder der Gebietsdirektion direkt in Kontakt oder es kommt ein Mitarbeiter der Bank zum Unternehmer ins Haus“, sagt Johannes Müller, Vorstandsmitglied des Fachverbands Finanzierung im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU). Nach seiner Erfahrung bieten die Kompetenzzentren häufig einen umfangreicheren Service als kleinere Geschäftsstellen. „Wir erkennen beim Dienstleistungsspektrum der Banken durchaus Unterschiede zwischen Niederlassungen in ländlichen Regionen und den Zentralen in direkten Innenstadtlagen“, sagt Müller. Beispielsweise ist der Kontakt zum Unternehmen individueller. So akzeptiert man in den Zentren kurzfristige Überziehungen oder kontaktiert den Firmenchef telefonisch, während in den kleinen Filialen alles standardisiert und automatisch abläuft.

Bringservice für Bares

Die gute Zusammenarbeit mit der Bank hängt für ihn nicht von der räumlichen Nähe zur Filiale ab (siehe auch „Kriterien für eine gute Bankverbindung“). „Wesentlich wichtiger dürfte eine vernünftige Kommunikationskultur zwischen den Parteien sein“, so Müller. Der Finanzierungsexperte rät Unternehmern dazu, aktiv auf die Bank zuzugehen und die Berater offen über die laufende Entwicklung des Betriebs zu informieren. „Der Firmenkundenberater sollte als einer der Ersten von Neuerungen und von positiven wie negativen Veränderungen im Unternehmen erfahren“, sagt Müller. Diese Strategie und die Transparenz belohnen die Kreditinstitute erfahrungsgemäß mit einer großzügigeren Kreditvergabe zu besseren Konditionen. Da spielt es dann keine Rolle, ob die nächste Niederlassung näher oder weiter entfernt ist.

Selbst wenn es um Barabhebungen geht, findet sich eine Lösung. Die Sparkasse Essen beispielsweise bietet an fast allen geschlossenen Standorten weiterhin Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker. So regeln das auch viele andere Bankhäuser, die Zahl der Geldautomaten hält sich seit Jahren auf dem gleichen Niveau. Die Sparkasse Köln geht sogar noch weiter: Sie ist mit vier mobilen Filialen vor Ort, die speziell die ländlichen Regionen ansteuern. Das zentrale Stichwort lautet Omnichannel-Banken“, fasst Mark Aldred, Head of International Sales bei Auriga zusammen. Das Unternehmen bietet Software und Anwendungslösungen für den Bank- und Zahlungsverkehrssektor. Alles aus einer Hand und auf allen Kanälen: Bargeld mit Bringservice, Überweisungen per Homebanking, Produktberatung über die Internetseite des Geldinstituts und die Finanzierung via Beratung in der Bereichszentrale. So können Bankgeschäfte auch ohne Filialen funktionieren. Vielleicht auch in der kleinen Gemeinde Geratskirchen.

Kriterien für eine gute Bankverbindung

Die Filiale vor Ort ist schön, aber nicht das Wichtigste für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Kreditinstitut. Worauf Unternehmer bei der Wahl achten sollten:

Branchenkenntnisse. Der Firmenkundenbetreuer oder die Mitarbeiter in der Zentrale sollten das Geschäftsmodell verstehen und die Usancen der Branche kennen. Denn nur so können sie die Entscheidungen und die Kennzahlen im Vergleich zur Branche richtig interpretieren.

Leistungsspektrum. Die Kontoführung zu guten Konditionen ist wichtig. Darüber hinaus sollte der Unternehmer auf die Expertise eines erfahrenen Bankers zurückgreifen können, wenn ein kompliziertes Finanzierungskonzept erstellt werden soll. Der Firmenkundenbetreuer sollte von sich aus den Spezialisten einschalten – etwa, wenn es um eine neue Geschäftsbeziehung im Ausland oder um ein Leasingmodell geht.

Öffentliche Förderungen. Momentan bieten Bund und Länder zahlreiche Programme mit richtig guten Konditionen. Es ist Aufgabe der Bank, diese für das Unternehmen zu filtern und den Firmenchef bei der Auswahl zu unterstützen. Ein kooperativer Firmenkundenbetreuer spricht das Thema regelmäßig unaufgefordert an.

Digitalisierung. Unternehmer und Bank sollten kooperativ daran arbeiten, die Prozesse zu optimieren. Gute Banken informieren entsprechend darüber, was möglich ist, und machen Verbesserungsvorschläge. Im Gegenzug sollte der Unternehmer bereit sein, hier mit der Zeit zu gehen und die Software zu nutzen.

Konditionen. Ein Konditionenvergleich lohnt sich immer. Auch wenn das Verhältnis zur Hausbank noch so gut ist: Unternehmer sollten regelmäßig neue Angebote von alternativen Banken einholen und auch die Service- und Nebenleistungen miteinander vergleichen. Welche Kosten fallen für die Kontoführung an? Welches Reporting wird von Unternehmenskunden erwartet?