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Creditreform

Angebote zur betrieblichen Altersversorgung gibt es in beinahe jedem Unternehmen. Was bei der Einführung zu bedenken ist – und welche Vorteile Gruppenverträge bringen.

Demonstrativ desinteressiert saß der Chef des Telekommunikationsdienstleisters im niederrheinischen Viersen mit seinen 18 Mitarbeitern im Raum und hörte sich an, was der Versicherungsvertreter über betriebliche Altersversorgung (bAV) erzählte. Nach wenigen Minuten ging er, obwohl er selbst den Mann eingeladen hatte. Das Ergebnis: Kein Einziger der Beschäftigten wollte einen Teil seines Gehalts in eine Betriebsrente stecken. „Der Chef wollte einfach seiner Pflicht Genüge tun“, sagt der Vertreter verbittert.

Dass es auch anders geht, zeigt die Firma Schnaithmann Maschinenbau GmbH, Remshalden. Hier können 90 Prozent der 210 Beschäftigten einen Vertrag über eine bAV vorweisen. Bei Belegschaftsversammlungen hat der Geschäftsführer persönlich das Thema vorgestellt – das hat die Mitarbeiter überzeugt. „Ich halte es eben für meine Aufgabe und Pflicht als mittelständischer Unternehmer, dafür zu sorgen, dass die Menschen abgesichert sind“, sagt Karl Schnaithmann. Für den Unternehmer ist die soziale Absicherung der Mitarbeiter auch über deren Firmenzugehörigkeit hinaus eine ethische Frage. Er hat die Firma 1985 gegründet, die heute einer der führenden Systemlieferanten in der Automatisierungstechnik ist. „Bei einem langen, guten Miteinander gehört es dazu, etwas zurückzugeben“, sagt der 60-Jährige. Seine Firma unterstützt den Aufbau der Betriebsrente mit einem abgestuften System. Der Zuschuss ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. „Es ist eine Win-Win-Situation“, sagt Schnaithmann. Sein Vorteil: „Wir haben fast keine Fluktuation.“

Attraktives Gehaltsextra

Je kleiner Betriebe sind, desto seltener bieten sie ihren Beschäftigten eine bAV an. Dabei ist es gerade für mittelständische Firmen angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels wichtig, gute Lösungen zu entwickeln, weiß der Versicherungsmakler Werner Grau aus Backnang, der die Offerte bei Schnaithmann organisiert. „Große Konzerne wie Daimler oder Porsche locken Mitarbeiter auch mit attraktiven Betriebsrenten“, sagt er. Kleinere Firmen müssen sich etwas einfallen lassen, um mithalten zu können.

Beschäftigte haben einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente in Form der sogenannten Entgeltumwandlung. Dabei ließt Geld aus dem Bruttolohn in eine Direktversicherung, einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse. Den Vertrag mit dem Anbieter müssen beide Seiten unterzeichnen. Für die Beiträge bis zu einer Grenze von 242 Euro im Monat müssen weder Mitarbeiter noch das Unternehmen Sozialabgaben zahlen, Beschäftigte auch keine Steuern. Fordern sie das nicht ein, muss der Chef jedoch nichts unternehmen. „Von 50 Beschäftigten wird vielleicht einer von sich aus aktiv“, sagt Sönke Schüpping, Fachberater für bAV beim Versicherungskonzern Ergo. Gerade bei kleinen und mittleren Firmen entscheiden sich die Verantwortlichen nach seiner Erfahrung dann oft für die erste Lösung, die ihnen begegnet.

Besser aktiv angehen“

Die Folge ist unter Umständen nicht nur ein Sammelsurium unterschiedlicher Verträge und ein damit verbundener hoher Verwaltungsaufwand. „Unternehmen können sich unnötige Kosten und Risiken einhandeln, wenn sie nicht genau prüfen, was sie abschließen“, erklärt Schüpping. Arbeitgeber haften für Zusagen und für manche Formen werden Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein fällig, der die Betriebsrente bei einer Insolvenz des Unternehmens zahlt. „Besser ist, die Sache systematisch und aktiv anzugehen“, rät er.

So ist es meist sinnvoll, ein eigenes Versorgungswerk einzurichten. Das klingt hochtrabend – gemeint ist aber nichts anderes als der Abschluss eines Gruppenvertrags für die Belegschaft. Das ist schon ab zehn Personen möglich. Der Vorteil dieser Variante: Für das Unternehmen ist damit der Verwaltungsaufwand überschaubar. Außerdem kann es in Gruppenverträgen günstigere Konditionen als bei Einzelverträgen nutzen, und die Abschluss- sowie die Verwaltungskosten sind niedriger. Oft gewähren die Anbieter auch leichtere Zugangsbedingungen, etwa wenn in die Police eine Berufsunfähigkeitsversicherung aufgenommen werden soll. „Für Unternehmen ist eine möglichst einheitliche Lösung mit nicht zu vielen Optionen wichtig“, sagt Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender von Talanx Pensionsmanagement und verantwortlich für den Geschäftsbereich bAV beim Versicherer HDI.

BETRIEBSRENTE – SO GEHT’S

Die folgenden zehn Punkte zeigen, worauf Unternehmer bei der Einführung einer betrieblichen Altersversorgung besonders achten sollten:

© Creditreform-Magazin 02/2015

© Creditreform-Magazin 02/2015

(Fast) freie Wahl

Welcher Vertrag bei welchem Anbieter geschlossen wird, entscheidet das Unternehmen – sofern es nicht tarifvertragliche Vorgaben gibt. Dafür muss es auch haften, wenn etwas schiefgeht. Steht bei Rentenbeginn das eingezahlte Kapital nicht zur Verfügung, muss der Arbeitgeber nachschießen. Die für Unternehmen einfachste und risikoärmste Form der Betriebsrente ist die Direktversicherung. „Der Kostenaufwand ist neutral“, sagt von Löbbecke. Abschluss und Verwaltungskosten sind in die Verträge eingepreist. „Das Haftungsrisiko übernimmt de facto der Versicherer“, sagt er. Für die Pensionskasse gilt im Prinzip das Gleiche. „Aber sie hat für Mitarbeiter Nachteile, wenn sie den Vertrag nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen privat weiterführen wollen“, erklärt Löbbecke. Dann zahlen die Mitarbeiter die Beiträge aus dem Nettoeinkommen und müssen auch für den privat finanzierten Teil der späteren Betriebsrente Sozialabgaben zahlen. Ähnliches gilt für den Pensionsfonds. Für ihn muss der Arbeitgeber Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein leisten – weshalb Löbbecke davon eher abrät.

Vorsicht vor Folgekosten

Auch bei den anderen Varianten der Betriebsrente – der Direktzusage und der Unterstützungskasse – sollten Arbeitgeber vorsichtig sein. Diese Spielarten können interessant sein, um Führungs- und Fachkräfte ans Unternehmen zu binden. Aber hier lauern nicht nur zusätzliche Kosten. Je nach Konstruktion sind Arbeitgeber verpflichtet, Geld nachzuschießen – etwa um die Inflation auszugleichen. „Andererseits sind diese Lösungen, zum Beispiel wenn die Beiträge in Aktien fließen, eventuell rentabler, als es die klassischen Versicherungslösungen sind angesichts der niedrigen Zinsen“, sagt André Geilenkothen, auf kleine und mittlere Unternehmen spezialisierter Aktuar beim Berater Aon Hewitt.

Für neue Versicherungsverträge ist der Garantiezins zu Beginn des Jahres 2015 von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent gesunken. Hinzu kommt die jährlich neu festgelegte Überschussbeteiligung, die allerdings seit Jahren aufgrund der niedrigen Zinsen an den Kapitalmärkten sinkt. Schön sei das nicht, räumt Versicherungsmann von Löbbecke ein. „Aber der entscheidende Renditehebel bei der betrieblichen Altersversorgung ist nicht allein die Verzinsung, sondern die Sozialabgaben- und Steuerfreiheit der Beiträge.“

Verträge einfach mitnehmen

Die Firma Schnaithmann hat sich der Metall-Rente angeschlossen, dem Branchenversorgungswerk der Tarifparteien in der Metallbranche. Solche Branchenofferten wurden von Fachleuten der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften eingehend geprüft. „Beschäftigte können bei einem Arbeitgeberwechsel die Verträge unkompliziert mitnehmen“, sagt Makler Grau. Auch Schnaithmann wollte diese schlanke Lösung, bei der der Makler einen Teil der Verwaltungsarbeit erledigt. Der Fachmann hält zum Beispiel regelmäßig im Unternehmen Beratungstage ab und informiert neue Kollegen. Bringen diese einen Vertrag mit, prüft der Makler ihn genau.

Grau betreut viele KMU. Seine Beobachtung: „So weit es geht, haben die Betriebe zwar alle Produktionsprozesse standardisiert, und viele Firmen sind zertifiziert. Nur bei der Altersvorsorge verzichten viele darauf, gute Standards zu entwickeln.“ Die Firmen vergeben dabei nicht nur Chancen für sich, sondern auch für ihre Leute. Angesichts der drohenden Rentenlücke besteht bei den meisten dringender Handlungsbedarf. Grau: „Viele sprechen zwar von Altersarmut – aber tun nichts dagegen.“