Familienunternehmer können ihr Lebenswerk steuerfrei auf den Nachwuchs übertragen. Vorausgesetzt, sie halten bestimmte Regeln ein. Wichtig dabei: die langfristige Vorbereitung.
Um die neue Lösung gab es ein langes, zähes Ringen. Beschlossen wurde am Ende keine komplette Neuausrichtung, sondern lediglich eine Korrektur: Das neue Erbschaftsteuergesetz ist Mitte vergangenen Jahres in Kraft getreten, nachdem das Bundesverfassungsgericht die alten, so günstigen Regeln verworfen hatte. Doch Elke Volland kann die Gemüter beruhigen: „Viele Nachfolgen können immer noch steuerfrei erfolgen – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind“, sagt die Fachanwältin für Steuerrecht und Praxisgruppenleiterin Nachfolgeberatung bei Rödl & Partner.
Tatsache ist jedoch: Die Materie ist und bleibt kompliziert. Juniorchef Michel Schneider weiß das. Er übernimmt in den nächsten Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Johannes das Management der Schneider Bau Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Merxheim. Der 27-Jährige hat Betriebswirtschaftslehre studiert, sein Bruder absolvierte ein Bauingenieur-Studium. Die Firmenübergabe vom Vater Bruno Schneider auf die Söhne erfolgt schrittweise, die ersten Anteile wurden bereits übertragen. „Wir haben mit unserem Steuerberater die Chancen und Risiken bis ins Detail diskutiert und auch noch einen Unternehmensberater hinzugezogen, der uns als unabhängiger Dritter bei der Vorbereitung der Übernahme zur Seite steht“, so Michel Schneider. Denn bei jedem Unternehmen spielen nicht nur steuerliche Fragen eine strategische Rolle. „Wir entscheiden immer danach, wie wir die weitere Entwicklung der Firma positiv beeinflussen können. Die Belange des Unternehmens kommen zuerst. Auf dieser Grundlage realisieren wir steuerlich dann die optimale Lösung“, erklärt der Juniorchef.
Mittelfristige Fortführung gewünscht
In puncto Steueroptimierung sieht die neue Gesetzeslage grundsätzlich zwei Szenarien vor. Nummer eins: Der Nachfolger führt die Gesellschaft mindestens fünf Jahre weiter. In diesem Fall profitiert er von der sogenannten Regel- oder 85-Prozent-Verschonung. Soll heißen: Es bleiben 85 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens steuerfrei. Oder Szenario Nummer zwei tritt ein: Der Junior behält das Unternehmen mindestens sieben Jahre und es greift die Options- oder 100-Prozent-Verschonung. Hier fällt keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer an.
Doch mit der zeitlichen Vorgabe sind noch nicht alle Bedingungen des Fiskus erfüllt. Darüber hinaus müssen die Juniorchefs weiterhin die sogenannte Lohnsummenregel einhalten: So darf während der oben genannten Jahresfristen die Lohnsumme einen bestimmten Wert nicht unterschreiten. Damit will der Gesetzgeber sichergehen, dass die Arbeitsplätze auch unter der neuen Regie erhalten bleiben. Diese Regelung gab es auch schon vor der Reform. Die Finanzämter fassen sie jetzt aber strenger: Betroffen sind nämlich nun Betriebe mit mehr als fünf Arbeitnehmern (vor der Erbschaftsteuerreform: mehr als 20 Mitarbeiter).
Zudem wurden die erforderlichen Lohnsummen gestaffelt: Wer zwischen sechs und zehn Mitarbeitern beschäftigt, muss nach fünf Jahren insgesamt eine Lohnsumme von 250 Prozent des Anfangsbestands nachweisen, um in den Genuss der Regelverschonung zu kommen. Bei elf bis 15 Mitarbeitern beträgt die Quote 300 Prozent und darüber hinaus 400 Prozent. Wird die Optionsverschonung für einen Betrieb mit sechs bis zehn Arbeitnehmern gewählt, sieht die Lohnsummenregel über einen Zeitraum von sieben Jahren eine Quote von 500 Prozent vor. Bei elf bis 15 Mitarbeitern sind es insgesamt 565 Prozent, bei mehr Beschäftigten sogar 700 Prozent.
Verkaufen nicht erlaubt
Darüber hinaus gilt, dass der Übernehmer nicht einmal Teilbereiche des Unternehmens verkaufen darf. Als Ausnahme akzeptiert das Finanzamt nur, wenn der Erlös aus dem Verkauf wieder reinvestiert wird. Zudem darf der neue Firmenchef nur eine begrenzte Summe entnehmen oder ausschütten: exakt die während der Fristen erwirtschafteten Gewinne plus 150.000 Euro. Eine weitere Hürde: Das sogenannte Verwaltungsvermögen darf nicht zu hoch sein. Darunter fallen etwa Bankguthaben und Wertpapiere oder Oldtimer des Chefs. „Auf solche Werte greift der Fiskus grundsätzlich erst einmal zu, sie unterliegen der Erbschaft- und Schenkungsteuer“, sagt Fachanwältin Volland. Maximal zehn Prozent Netto-Verwaltungsvermögen akzeptiert das Finanzamt. Alle Werte, die darüber hinausgehen, unterliegen der vollen Versteuerung. Doch Achtung: Junges Verwaltungsvermögen, das dem Betrieb vor der Nachfolgeregelung nur für zwei Jahre oder sogar weniger zur Verfügung stand, darf grundsätzlich nicht zu diesen zehn Prozent gezählt werden. „Altunternehmer sollen nicht auf die Idee kommen, vor der Firmenübergabe privates Vermögen zu übertragen, um später steuerfrei zu bleiben“, erläutert Rüdiger Hitz, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht bei Brandi Rechtsanwälte, diesen Kniff im neuen Gesetz.
Vor einem Problem stehen auch Firmenchefs, die vermietete Grundstücke besitzen. Diese werden bei der Aufstellung des Verwaltungsvermögens sehr wohl berücksichtigt – womit der Zehn-Prozent-Anteil sehr schnell überschritten wird. Es liegt also nahe, vor einer Nachfolgeregelung den Mietvertrag zu kündigen und das Objekt betrieblich selbst zu nutzen. Doch diesen Trick kennt auch der Fiskus. „Die Umwidmung sollte mindestens zwei Jahre vor der eigentlichen Staffelübergabe passieren. Kritische Nachfragen sind sonst programmiert“, warnt Volland.
Klares Fazit: Mit der Planung der Nachfolge sollte mehrere Jahre vor der avisierten Staffelübergabe begonnen werden. Und zwar unabhängig davon, ob der Betrieb verschenkt oder verkauft werden soll. Denn auch bei einem Verkauf können Steuervorteile genutzt werden. Der Gewinn unterliegt zwar der Ertrag- beziehungsweise der Einkommensteuer. Unternehmer, die 55 Jahre oder älter sind, profitieren aber von einem Freibetrag von 45.000 Euro. Dieser reduziert sich, falls das Plus mehr als 136.000 Euro ausmacht. Ein Beispiel: Bei einem steuerpflichtigen Erlös – die Kosten für den Verkauf sind hier abgezogen – von 150.000 Euro schmälert sich der Freibetrag um die übersteigenden 14.000 Euro. Es bleibt also nur noch ein Freibetrag in Höhe von 31.000 Euro. „Der Altunternehmer zahlt darüber hinaus einen geringeren Steuersatz für seine außerordentlichen Einkünfte, wenn sein Veräußerungsgewinn unter fünf Millionen Euro bleibt“, so Volland.
Solche Details muss man wissen. Auch bei Schneider Bau wurden die Fallstricke vorab diskutiert und alle möglichen Lösungen gecheckt. „Es war ein langwieriger Prozess, bis wir die adäquate Lösung gefunden haben“, so Michel Schneider.
Nicht vergessen!
Experten raten: Mindestens zwei Jahre, bevor der Senior sich zur Ruhe setzen will, sollten erste Schritte eingeleitet werden. Über die folgenden Punkte sollte er sich vorab mit seinem Steuerberater besprechen:
Status quo. Es greift eins ins andere. Der Unternehmer sollte bei seiner steuerlichen Planung immer die Interessen aller Familienmitglieder im Blick haben. Bevor die Nachfolgeregelung beschlossen wird, trifft sich der Clan und bespricht die Situation. Ziel ist es, Streit unter Angehörigen im Nachhinein zu vermeiden.
Planung. Es sollte frühzeitig klar sein, ob und wie lange der Nachfolger den Betrieb weiter halten will. Sollte er sich später gegen den Betrieb entscheiden, kann es sich steuerlich anbieten, einen Verkauf anzustreben. Gleiches gilt, falls Mitarbeiter ausscheiden sollen.
Verwaltungsvermögen. Der Steuerberater wird anraten, dieses in der Regel gar nicht erst zu bilden. Denn die steuerbegünstigte Grenze von zehn Prozent ist schnell erreicht. Der Unternehmer sollte deshalb stets zuerst den Steuerberater fragen, wenn er Vermögenswerte einbringen oder diese aus der betrieblichen Sphäre herausnehmen will.
Bürde Erbschaftsteuer
Ohne eine Verschonung des Betriebsvermögens bei der Nachfolgeregelung schätzen …
… 66 Prozent der Familienunternehmer, dass sie ihre
Investitionen senken müssen.
… 52 Prozent der Familienunternehmer, dass sie Arbeitsplätze abbauen müssen.
Quelle: Stiftung Familienunternehmen