Das Beispiel der Insolvenz von Air Berlin zeigt: Wehren lohnt sich – sowohl für Gläubiger als auch für Anfechtungsgegner.
Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter hatten keine Kosten gescheut. Angesichts der Vielzahl der Betroffenen hatten sie für die erste Gläubigerversammlung der Air Berlin einen der größten Säle Berlins angemietet sowie umfangreiche IT-Ausstattung zur Stimmauszählung installiert, um dem erwarteten Andrang mehrerer Tausend Gläubiger Herr zu werden. Doch die gähnende Leere bei der Auftaktversammlung war ein deutlicher Beleg dafür, dass Gläubiger in Insolvenzverfahren nach wie vor ihre Rechte nicht wahrnehmen. Geschätzt 150 Teilnehmer verloren sich in den vorderen Stuhlreihen. Gekommen waren ganz überwiegend die Großgläubiger von Air Berlin, die sehr zum Verdruss der wenigen anwesenden und damit überstimmten Kleingläubiger die Plätze im Gläubigerausschuss unter sich aufteilten. In diesem Ausschuss wurden und werden die maßgeblichen Entscheidungen für den Fortgang des Verfahrens getroffen.
Dem Bericht des Insolvenzverwalters war schließlich fast erwartungsgemäß zu entnehmen, dass die Kleingläubiger wahrscheinlich leer ausgehen werden. Die bislang aus der Verwertung des Unternehmens erzielten Erlöse reichen noch nicht einmal aus, um den von der öffentlichen Hand über die KfW gewährten Massekredit von 150 Millionen Euro für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs in der vorläufigen Insolvenz zurückzuführen. Maßgebliche Zuflüsse erwartet der Insolvenzverwalter lediglich aus der Inanspruchnahme des Großaktionärs Etihad aufgrund einer Patronatserklärung sowie aus der Insolvenzanfechtung.
Post vom Insolvenzverwalter
Lieferanten und Geschäftspartner von Air Berlin müssen daher in naher Zukunft damit rechnen, Anfechtungsschreiben des Insolvenzverwalters Flöther zu erhalten. Hier kommt nun die zum 5. April 2017 in Kraft getretene Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts zum Tragen. Dass es um Air Berlin wirtschaftlich nicht zum Besten steht, war ja seit Jahren kein Geheimnis mehr. Für den Insolvenzverwalter ist es daher ein Leichtes, darauf sowie auf schleppende Zahlungen gestützt, zunächst einmal Anfechtungsansprüche geltend zu machen. Gläubiger sollten aber wissen, dass dies für eine erfolgversprechende Anfechtung nach der Reform nicht ausreichen wird. Gerade die auf § 133 Insolvenzordnung gestützte Vorsatzanfechtung ist durch die Reform weitgehend entschärft worden: So wurde der Anfechtungszeitraum für Deckungshandlungen (Bezahlung von erbrachten Lieferungen und Leistungen) von zehn auf vier Jahre reduziert. In diesen Fällen wird hinsichtlich der Kenntnis nicht mehr an die „drohende“, sondern an die „eingetretene“ Zahlungsunfähigkeit angeknüpft, wenn eine sogenannte kongruente Deckung vorlag. Hat der Gläubiger dem Schuldner Zahlungserleichterungen gewährt, wird vermutet, dass er eine etwaige Zahlungsunfähigkeit nicht kannte – der Insolvenzverwalter muss in diesen Fällen den (Gegen-)Beweis führen, dass der Gläubiger doch hiervon Kenntnis hatte. Und schließlich sind sogenannte Bargeschäfte, bei denen zwischen Leistung und Gegenleistung ein kurzer Zeitraum liegt, nur noch anfechtbar, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass sein Schuldner unlauter gehandelt hat.
Zusammenfassend zeigt der Fall Air Berlin, dass Gläubiger, egal wie groß oder klein, gut beraten sind, ihre Rechte wahrzunehmen und zur Gläubigerversammlung zu gehen oder Vertreter zu entsenden. Weiter gilt, dass es sich – ganz besonders nach der Reform – immer lohnt, sich zu wehren, wenn ein Insolvenzverwalter Anfechtungsansprüche geltend macht.
Zur Person
Michael Schmidt ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Paschen Rechtsanwälte. Er ist Leiter der Praxisgruppe Insolvenzrecht und befasst sich intensiv mit der erfolgreichen Vertretung von Gläubigern in Insolvenzverfahren.