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Creditreform

Kurz vor Jahresende können Unternehmer noch gezielt Maßnahmen ergreifen, um strategisch Steuern zu sparen. Ausgewählte Praxistipps für den diesjährigen Endspurt. Text: Eva Neuthinger

Die Konjunktur läuft rund. Dem Mittelstand geht es gut. Die führenden Ökonomen der Forschungsinstitute gehen in ihrem Herbstgutachten von einem Wachstum von fast zwei Prozent aus. Nach den Prognosen des Ifo-Instituts in München hält Deutschland in diesem Jahr vermutlich weiter den Platz eins in puncto Export. Auch der private Verbrauch entwickelt sich positiv. Die Einzelhändler erzielen derzeit ein Fünf-Jahres-Hoch. „Das übertrifft leicht unsere bisherige Prognose“, sagt Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Deutschland (HDE). Da verwundert es nicht, dass sich die Unternehmen auch für das nächste Jahr recht optimistisch zeigen. „Vor allem Industriebetriebe wollen verstärkt investieren – so viel wie seit fast zehn Jahren nicht mehr“, beobachtet Almut Weinert, Bereichsleiterin Wirtschaft und Technologie der IHK Ostthüringen.

»Wer momentan gute Gewinne erzielt, sollte Sonderabschreibungen voll geltend machen.«
Lothar Herrmann, Steuerberaterkammer Hessen

Kurz vor Silvester wollen viele Unternehmer daher noch einmal alle Chancen nutzen, um ihren Gewinn gegenüber dem Fiskus möglichst klein zu rechnen und Steuern zu sparen. Einnahmen schieben, Ausgaben im Zweifel vorziehen – so lautet in diesem komplexen Umfeld die stategische Devise. Denn für 2017 stehen kaum Steuererleichterungen auf dem Programm. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble plant zwar insgesamt eine Entlastung der privaten Verbraucher von rund 15 Milliarden Euro. „Der Vorschlag weist in die richtige Richtung. Um den Anteil der Steuern an der Wirtschaftsleistung nur konstant zu halten, müsste die Entlastung aber bei 18 Milliarden Euro liegen“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Vor allem in fiskalischer Hinsicht wird es nicht wesentlich besser. So steigt der steuerfreie Grundfreibetrag gerade mal um 170 Euro auf 8.822 Euro und 2018 dann nochmals um 200 Euro. Und auch wenn die Tarifeckwerte verschoben werden, kommt unterm Strich kein dickes Plus heraus. Nach Berechnungen des Bunds der Steuerzahler zahlt ein Lediger mit einem zu versteuernden Einkommen von 50.000 Euro im nächsten Jahr nicht mehr wie bisher 12.636 Euro, sondern lediglich 12.562 Euro. Die Freude über etwas mehr als 70 Euro Steuerersparnis jährlich wird sich wohl in Grenzen halten. Etwas mehr profitieren Familien: Eltern erhalten einen um 100 Euro höheren Kinderfreibetrag und zwei Euro Kindergeld mehr im Monat. Für die beiden ersten Kids gibt es also künftig 192 Euro, für das dritte 198 Euro. Ab dem vierten Kind sind es dann 223 Euro. Das war es dann mehr oder weniger mit der finanziellen Entlastung, die den privaten Konsum ankurbeln könnte.

Jetzt noch die Bilanz auffrischen

Unterm Strich können Unternehmer also bei ihrem diesjährigen Steuerstrategie-Endspurt weitgehend mit den gegebenen Rahmenbedingungen kalkulieren. Hier einige ausgewählte Beispiele zum Steuern sparen für Kurzentschlossene:

Investitionsabzugsbetrag bilden

Das Finanzamt akzeptiert indirekt den Betriebsausgabenabzug für geplante Investitionen. Der Unternehmer kann bis zu 40 Prozent einer avisierten Anschaffung als sogenannten Investitionsabzugsbetrag, kurz IAB, vom Gewinn abziehen. Die Höchstgrenze liegt bei 200.000 Euro je Betrieb. Allerdings gilt es bestimmte Größenmerkmale bei Bilanzierenden zu erfüllen: Das Betriebsvermögen darf nicht mehr als 235.000 Euro betragen. Einnahmen-Überschuss-Rechner realisieren einen Gewinn von maximal 100.000 Euro.
Dazu ein Tipp: Den Abzugsbetrag sollten Firmenchefs aber nur für tatsächlich geplante Anschaffungen einsetzen. Denn wenn das Objekt nicht innerhalb von drei Jahren gekauft wird, muss der IAB wieder gewinnerhöhend rückgängig gemacht werden. In dem Jahr, in dem er gebildet wurde, ist die Steuernachzahlung mit sechs Prozent zu verzinsen.

© Guido Mieth/  DigitalVision/ Getty Images

© Guido Mieth/ DigitalVision/ Getty Images

Szenario I: Gute Geschäfte in den Jahren 2016 und 2017

Der Unternehmer hat in diesem Jahr gute Erträge erzielt. Für das nächste Jahr erwartet er keine deutliche Verbesserung, aber auch keine Verschlechterung der Auftragslage. Eine Maßnahme, die er jetzt noch ergreifen kann, um seine Steuerbelastung für das Jahr 2016 zu optimieren, ist: die Bildung von hohen Rückstellungen. Diese schmälern als Schuldposten den zu versteuernden Gewinn. Allerdings dürfen sie nur unter strengen Vorgaben gebildet werden. Eine noch ungewisse Schuld, für die eine Rückstellung im Jahresabschluss aufgenommen wird, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit auch entstehen. Beispiele sind Rückstellungen für Mängelrügen. Die Aufzeichnungen über den bisherigen Aufwand für die Gewährleistung geben den Wert für die Rückstellung. Sie dürfen auch für Resturlaub oder Urlaubsgeld gebildet werden. Wer also seinen Gewinn mindern will, braucht seine Mitarbeiter nicht zu drängen, in den letzten Tagen des Jahres noch möglichst viel Urlaub abzubauen. Viele Unternehmer sind nicht zur Bilanzierung verpflichtet. Personengesellschaften mit bis zu 600.000 Euro Umsatz und maximal 60.000 Euro Gewinn im Jahr können auch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellen. Sie ist einfacher und kostengünstiger, bietet aber keine Möglichkeit, Rückstellungen zu bilden. Es macht Sinn, frühzeitig mit dem Steuerberater zu klären, welche Variante für den Unternehmer am Ende günstiger ist.

Sonderabschreibungen nutzen

Noch kurz vor Silvester die neue Computeranlage oder Maschinen zu kaufen, macht eigentlich wenig Sinn. Denn das Wirtschaftsgut wird beim Kauf im Dezember nur noch für einen Monat abgeschrieben. Die Anschaffung lohnt sich aber möglicherweise noch, wenn der Firmenchef die Sonderabschreibung von 20 Prozent nutzen kann. Voraussetzung ist, dass Einnahmne-Überschuss-Rechner wieder nur 100.000 Euro Gewinn erzielen oder bei Bilanzierenden das Betriebsvermögen nur höchstens 235.000 Euro beträgt.

Wichtig: Die Sonderabschreibung kann über insgesamt fünf Jahre gestreckt werden. „Da momentan die Unternehmen aber recht gute Gewinne erzielen, sollten diese Kosten noch voll geltend gemacht werden“, sagt Lothar Herrmann, Steuerberater und Präsident der Steuerberaterkammer Hessen. Zuvor sollte der Unternehmer aber ausrechnen, ob sich die Sonderabschreibung lohnt. Wird das Wirtschaftsgut erst im Januar angeschafft, können im alten Jahr alternativ 40 Prozent der geplanten Anschaffungskosten als IAB abgeschrieben werden.

Geringwertige Güter anschaffen

Bürostuhl, Schreibtisch, Handy oder Drucker: Bei Anschaffungskosten von bis zu 410 Euro netto lassen sich die Aufwendungen direkt voll und ganz als Betriebsausgaben geltend machen. Wer noch vor dem neuen Jahr bestellt und bezahlt, kann seine Ausgaben im Jahr 2016 absetzen. Wirtschaftsgüter, die netto bis zu 1.000 Euro kosten, können Firmenchefs gesammelt buchen und jeweils mit 20 Prozent über fünf Jahre abschreiben. Das lohnt sich, falls die Abschreibungsfrist regulär länger wäre.

Geschäftsabschlüsse feiern

Kurz vor den Feiertagen besprechen Unternehmer mit Kunden oder Lieferanten die Projekte für das kommende Jahr – häufig im Rahmen einer Einladung zum Essen in einem schönen Restaurant. Die Bewirtungskosten können sie bis zu 70 Prozent absetzen. Die Umsatzsteuer erhalten sie voll zurück. Eine Rechnung mit Namen aller Gäste, Anlass, Ort, Tag und Kosten der Bewirtung ist Voraussetzung für den Abzug. Das Finanzamt will aber genau wissen, um welche Projektplanungen es beim Essen ging und wer daran teilgenommen hat.

Zweimal im Jahr beteiligt sich der Fiskus auch an einer Betriebsfeier. Beispielsweise wenn das Unternehmen ein Sommerfest veranstaltet oder zu Weihnachten einlädt. In diesen Fällen darf die Veranstaltung 110 Euro je Teilnehmer inklusive Umsatzsteuer kosten. Dann fallen weder Lohnsteuer noch Sozialabgaben für die Mitarbeiter an. Doch Achtung: Die Aufwendungen für eingeladene Angehörige lastet der Fiskus immer dem jeweiligen Mitarbeiter an. Außerdem zu beachten: Seit 2015 handelt es sich bei den genannten 110 Euro um einen Freibetrag. Das ist gut, „denn wer als Unternehmer mehr ausgibt, braucht seitdem nur den übersteigenden Teil mit Lohnsteuer zu belegen“, so Steuerberater Herrmann.

© PeopleImages/ DigitalVision/ Getty Images

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Szenario II: Ein durchwachsenes Jahr 2016, aber rosige Aussichten für 2017

In diesem Jahr realisierte der Unternehmer nur wenig Gewinn. Er geht von einer deutlichen Gewinnsteigerung im kommenden Jahr aus. Seine Planung für 2017 zeigt eine deutliche Besserung der Situation. Seine Handlungsoptionen sind:
Notwendige Ersatzanschaffungen werden möglichst auf das nächste Jahr verschoben, kleinere Aufträge noch bis Silvester realisiert. Zudem kann er seine Entnahmen anpassen. Prinzipiell kann sich zwar jeder Einzel- oder Personenunternehmer aus der Firma nehmen, was und so viel er will. Gehört ja schließlich alles ihm. Kritisch wird es allerdings, wenn die Gewinnsituation in diesem Jahr hohe private Entnahmen nicht zulässt. Der Firmenchef sollte nicht mehr aus dem Betrieb nehmen, als er an Jahresüberschuss erzielt. Das Finanzamt rechnet Zinsen auf die Privatentnahmen, die den Gewinn übersteigen, diesem hinzu.

Steuerfreie Extras verteilen

Sogenannte Sachbezüge an Mitarbeiter bleiben steuer- und sozialabgabenfrei, wenn ihr Wert maximal 44 Euro im Monat beträgt. Dabei handelt es sich nicht um eine Freigrenze. Sobald der Betrag also höher liegt, unterliegt die gesamte Zuwendung dem Zugriff des Fiskus und der Sozialversicherung. „Benzingutscheine oder Belohnungsessen fallen beispielsweise unter die Kategorie der Sachleistungen“, nennt Ines Wollweber, Steuerberaterin bei Ecovis in Niesky als Beispiel.

Jeder Mitarbeiter findet es gut, wenn ihm der Chef Getränke oder Obst während der Arbeitszeit anbietet. Das zählt als kleine Aufmerksamkeit, solange sie im Wert nicht über 60 Euro im Monat liegt. Gleiches gilt für Geschenke zu Weihnachten oder zum Geburtstag. Unternehmer Oliver Knedlich, der in Remscheid das Gebäudereinigungsunternehmen Paul Schulten führt, bietet seinen Mitarbeitern zudem Extras wie einen Zuschuss für das Fitness-Studio oder Massagen an: „Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut. Deswegen sollen sie sich bei uns wohl und an unser Unternehmen gebunden fühlen“, so Knedlich. Insgesamt investiert der Unternehmer für die Motivation des Teams von 2.700 Mitarbeitern rund 360.000 Euro.

»Nutzen Sie den Jahresendspurt dazu, die Firma klar zu strukturieren.«
Nobert Lang, Unternehmensberater

Speziell beim Fitness-Studio ist aber Vorsicht geboten. Denn grundsätzlich darf der Firmenchef die Kosten übernehmen, wenn Mitarbeiter sich für ihre Gesundheit engagieren. Der Fiskus gewährt dafür jährlich pro Mitarbeiter einen Freibetrag in Höhe von 500 Euro. Dieser kann aber nur für spezielle Kurse im Sportverein, in der Volkshochschule, bei einem Physiotherapeuten oder Ähnlichem eingesetzt werden. Entscheidend ist, dass die Kurse den Anforderungen der Krankenkassen-Prävention entsprechen. Die Mitgliedsbeiträge für Sportvereine oder eben das Fitness-Center fallen aber nicht darunter. „Hier gilt wieder die Freigrenze von 44 Euro im Monat“, so Wollweber. Insgesamt kommt dann doch einiges an steuerfreien Extras zusammen. Die Aufwendungen zählen zu den Betriebsausgaben, sie mindern also den Gewinn. Allerdings nur, wenn Unternehmer die strengen Vorgaben des Bundesfinanzhofs erfüllen. Das oberste Finanzgericht hat in einem Urteil strenge Regeln aufgestellt, was die steuerfreien Gehaltsextras angeht (VI R 53/11, VI R 55/11): Der Unternehmer kann nicht einfach das Gehalt in einem neuen Arbeitsvertrag heruntersetzen und den „Verlust“ mit den zusätzlichen Zuwendungen kompensieren. Und Barlohn darf nie umgewandelt werden. Auch der Zuschuss zur Gesundheitsförderung ist zusätzlich zum vertraglich vereinbarten Arbeitslohn des Mitarbeiters zu gewähren.

© Michael Diehl/ Getty Images

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Szenario III: Der Firmenverkauf steht an

Vor allem Kleinunternehmer, die ihren Betrieb übergeben wollen, profitieren von einem Freibetrag. Wer seine Firma verkaufen will, hat das Ziel, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen. Dies ist auch aus steuerlicher Sicht sinnvoll: Der Veräußerungsgewinn kann günstiger besteuert sein als der laufende Gewinn. Deshalb ist es immer besser, zu Jahresanfang sein Unternehmen zu verkaufen. Ist der Seniorchef über 55 Jahre alt, steht ihm sogar ein Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro zu. Der verbleibende Gewinn wird dann mit einem ermäßigten Steuersatz versteuert. „Eine Berechnung sollte auf jeden Fall vorab mit einem Steuerberater besprochen werden“, rät Lothar Herrmann. Allerdings: Der Freibetrag verringert sich, sobald der Veräußerungsgewinn 136.000 Euro übersteigt. Er steht Steuerpflichtigen auch nur einmal im Leben zu und ist nur nutzbar, wenn der Betrieb als Ganzes veräußert wird. Eine Aufteilung des Freibetrags auf mehrere Verkäufe ist nicht möglich.

Weniger auf Gewinnminimierung, denn auf -maximierung sind dagegen Unternehmer aus, die sich momentan auf eine Firmenübergabe vorbereiten. Aber auch sie können vor Jahresende möglicherweise noch gezielt Maßnahmen einleiten, um ihre Bilanz zu verbessern. Spielräume bestehen etwa bei der Bewertung des Vorratsvermögens oder bei den Rückstellungen.

Wenn die Firma verkauft wird

Es gilt jedoch die Devise: nicht übertreiben: „Der Unternehmer sollte den Jahresendspurt vor allem dazu nutzen, die Firma klar zu strukturieren und auf Vordermann zu bringen“, sagt Norbert Lang, Unternehmensberater der Gesellschaft K.E.R.N – Die Nachfolgespezialisten. Er rät davon ab, kurz vor einem Verkauf kreativ „die Braut zu sehr aufzuhübschen“. „Manipulationen an der Bilanz werfen im Dialog mit potenziellen Interessenten am Ende nur unnötig Fragen und Diskussionspunkte auf. Jeder Interessent checkt die Unternehmensentwicklung mehrerer vergangener Jahre“, warnt Lang. Sinnvoll können dagegen Bilanzbereinigungen sein. Beispielsweise, wenn im Betriebsvermögen teure Wohnimmobilien gehalten werden, die nicht mitverkauft werden sollen. „Allerdings wirft eine solche Maßnahme meist sehr komplexe steuerliche Fragen auf. Deshalb empfehlen wir immer, frühzeitig die Planung mit einem erfahrenen Steuerberater zu besprechen“, so Lang. Den Weg wählte auch Einzelhandelsunternehmer Heinz-Jürgen Koch. Der 64-Jährige aus Ditzingen entschied sich Ende 2015, seine Firma Koch Küchen e. K. zu verkaufen. Er beriet sich frühzeitig mit seinem Steuerberater. Zum Jahresanfang 2017 wird es dann so weit sein. „Wir haben bewusst diesen Termin als Übernahmetermin gewählt“, erläutert Koch. Der Generationswechsel zum Jahresanfang sei sinnvoll, weil sich zum Beispiel Boni von den Lieferanten schlecht unterjährig verrechnen lassen. Der langgediente Küchenplaner und -bauer verabschiedet sich dann in den Ruhestand. „Mit dem Erlös aus dem Verkauf kann ich meine Altersversorgung verbessern“, sagt Koch.