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Unternehmenskredite sind derzeit ein Ladenhüter. Im dritten Quartal 2021 verhandelte nur eins von sechs Unternehmen mit seiner Bank über ein Darlehen. Die Frage ist: Fürchten sie schlechte Karten bei der Verhandlung oder benötigen sie schlicht kein Kapital?
Für ihr Krisenmanagement in den vergangenen zwei Jahren erhalten die Finanzentscheider landauf, landab viel Lob. „Working-Capital-Management hatte oberste Priorität. Im Zweifel ging Liquidität vor Ertrag.
Mit hoher Professionalität ist der deutsche Mittelstand die Corona-Krise von Beginn an angegangen“, sagt Christine Rademacher, Leiterin Financial Engineering der Commerzbank.
„Durch Kosteneinsparungen und andere Maßnahmen konnten sie Schlimmeres verhindern“, ergänzt Andreas Bley, Chefökonom des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Auch die noch intakten Wachstumstreiber und die technologische Spitzenposition vieler Unternehmen haben eine wesentliche Rolle gespielt, beobachtet Pia Jankowski, Direktorin Volkswirtschaft beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).
Mit Wohlwollen nehmen die Banken zur Kenntnis, wie schnell viele KMU Liquiditätspuffer und Finanzierungssicherheit geschaffen haben. So seien die Belastungen durch Corona zwar sichtbar, aber geringer ausgefallen als erwartet.
Schlechtere Bilanzen, aber keine Katastrophen
„Den Jahresabschlüssen unserer mittelständischen Firmenkunden zufolge hat sich die Bilanzqualität im Jahr 2021 zwar insgesamt merklich verschlechtert, eine Erosion ist aber ausgeblieben“, sagt Andreas Bley. „Hilfreich war, dass häufig nur kleinere Investitionen, etwa zur Einhaltung von Hygieneauflagen oder zur Schaffung von Homeoffice-Kapazitäten getätigt wurden, viele größere Projekte aber offensichtlich aufgeschoben werden konnten.“
Dass die Mehrheit der Unternehmen mit einem blauen Auge davongekommen ist, belegen auch Ergebnisse der Creditreform Wirtschaftsforschung. Die Analyse von mehr als 1.200 Unternehmen aus den Branchen Bau, Handel, Dienstleistungen und Verarbeitendes Gewerbe ergab nur bei knapp einem Viertel eine Eigenkapitalquote von weniger als zehn Prozent.
Die Zahl derer mit mehr als 30 Prozent Eigenkapital blieb nahezu stabil bei 33 Prozent. „Viele Mittelständler haben die Krise besser überstanden als zunächst befürchtet“, sagt Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Dabei haben sie – neben dem bewährten Instrument der Kurzarbeit – auch von erheblichen Staatshilfen profitiert, die es so in früheren Krisen nicht gab.“
Kaum Kredite nachgefragt
Staatliche Zuschüsse und garantierte Kredite, die über die Hausbanken vergeben wurden, haben offenbar gewirkt. Doch auch die Kehrseite bekommen die Banken nun zu spüren: Ihre Dienste sind derzeit kaum gefragt.
Laut der KfW-ifo-Kredithürde lag der Anteil der Unternehmen, die bei Banken ein Darlehen anfragten, im dritten Quartal 2021 bei weniger als 18 Prozent. Mit dem Auftreten von Omikron wurden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erneut gestört.
Die KfW rechnet daher mit erhöhter Volatilität des Kreditgeschäfts und sieht eine nachhaltige Erholung des Kreditmarkts erst in der zweiten Jahreshälfte. Auch die Deutsche Bank stellt sich auf wenig Kreditneugeschäft ein, „weil viele Unternehmen erst ihre gerade gewachsene Verschuldung reduzieren werden, bevor sie wieder expandieren und Kredite aufnehmen“, sagt Schneider.
Pia Jankowski zeichnet ein differenzierteres Bild. Von den mehr als 50 Milliarden Euro, die die Sparkassen im ersten Halbjahr 2021 als Firmenkredite zugesagt haben, gingen fast 19 Milliarden Euro an den gewerblichen Wohnungsbau. „Das dynamische Kreditwachstum in der Immobilienwirtschaft ist nicht unerwartet“, sagt Jankowski.
Doch die meisten Unternehmen sind zurückhaltend mit Investitionen – was auch in deutlich höheren Preisen für Material, Vorprodukte, Maschinen und Anlagen begründet ist.
Die Rahmenbedingungen erscheinen ungünstig, also warten sie auf den richtigen Zeitpunkt. „Ersatzinvestitionen im Maschinenpark werden vorgenommen, Erweiterungsinvestitionen in Deutschland dagegen nur selektiv“, beobachtet Christine Rademacher.
Viele Investitionsvorhaben liegen auf Eis
Schon 2020 hatte die Pandemie die Investitionslaune gedämpft. Laut KfW-Research haben noch nie so viele Unternehmen ihre Pläne nicht umgesetzt.
Die Summe der Neuinvestitionen im Mittelstand sank um 14 Milliarden auf 173 Milliarden Euro. Und der Trend wird anhalten, denn trotz sinkender Nachfrage steigen die Kreditbarrieren für KMU wieder an.
Zum einen schauen die Banken nach den Erfahrungen aus der Pandemie umso genauer auf Geschäftsmodelle. Sind sie noch intakt? Oder gibt es Problembereiche, die vielleicht weniger mit Corona zu tun haben, sondern struktureller Natur sind?
Zum anderen sorgen die Baseler Eigenkapitalvorschriften dafür, dass Banken immer mehr Geld selbst zurückhalten müssen, wenn sie einen Kredit vergeben – insbesondere an Unternehmen, die, wie der typische kleine Mittelständler, über kein externes Rating verfügen.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen
Dominik Lamminger, Mitglied der Geschäftsleitung des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) fordert deshalb, „Basel IV in der EU so umzusetzen, dass erhöhte Eigenkapitalanforderungen an Banken nicht zu einer Einschränkung des Kreditangebots an kleinere und mittlere Unternehmen führen.“
Schließlich komme es jetzt darauf an, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Unternehmen mit Wachstums- und Innovationsvorhaben in die Zukunft investieren.
Der Bedarf wird auf jeden Fall wieder wachsen. Eine aktuelle Mittelstandsbefragung der DZ Bank hat ergeben, dass 76 Prozent der Unternehmen in den kommenden Monaten investieren wollen, vor allem in die Digitalisierung, in Prozessautomatisierungen und in Nachhaltigkeit.
„Viele Unternehmen wollen den Grundstein für die Zeit nach der Pandemie legen. Das geht mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf einher. Dieser Trend wird sich aus unserer Sicht auch im Jahr 2022 fortsetzen“, ist sich Stephan Ortolf, Leiter Firmenkundenzentralbereich bei der DZ Bank, sicher.
„Bereiche für Investitionen gibt es auch weiterhin ausreichend“, fasst ING-Ökonom Carsten Brzeski zusammen, „ob das nun die Digitalisierung oder die grüne Transformation ist. Diese Investitionen werden nicht nur aus Eigenmitteln kommen, sondern auch aus Fremdkapital.“
Noch mehr Einschätzungen aus der Finanzbranche:
Die Feststellung, dass die Dienste der Geldhäuser und somit kaum Kredite nachgefragt werden, steht im Widerspruch eines Berichts im Handelsblatt vom 3. Januar. Demnach haben die Genossenschaftsbanken ihr Kreditgeschäft ausgebaut. Nicht nur im privaten Sektor, sondern noch stärker im Firmenkundenbereich. Zitat: „…Vor allem der Mittelstand hat sich in der Coronakrise als robust erwiesen sowie als Motor der einsetzenden wirtschaftlichen Erholungsphase …“ (Quelle: https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/bvr-genossenschaftsbanken-bauen-kredite-auch-im-zweiten-coronajahr-aus/27941316.html?ticket=ST-8518102-5qnfgF3sCtbtTEDetiTB-ap4). Vielleicht hat der BVR hier eine andere Sicht der Dinge.
Frau Fritzi Köhler-Geib von der KfW spricht demgegenüber von einem Schrumpfen beim Neugeschäft der Unternehmenskredite im dritten Quartal 2021 – eine Erholung wird erst im Laufe des Jahres 2022 erwartet. Auch die Begründungen von Deutsche Bank und von Pia Jankowski (DSGV) überzeugen nicht.
Der wahre Grund, warum bei den klassischen Kreditinstituten weniger Kredite nachgefragt werden, liegt im restriktiven Kreditvergabeverhalten der Banken und Sparkassen selbst begründet – sozusagen eine selbsterfüllende Prophezeiung. Der Bericht im Creditreform-Magazin vom 29.06.2021 führt hierzu transparent aus – siehe auch die Kommentierungen vom 24.01.2021 sowie 04.07.2021 (https://creditreform-magazin.de/mittelstandsbotschafter/kredithuerden-wachsen-unternehmen-muessen-sich-umstellen/).
Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen haben nach meinen Erfahrungen als Unternehmensberater auch in der Corona-Krise sehr wohl Finanzierungsbedarf. Nicht nur im gewerblichen Immobilienbereich oder für Ersatzinvestitionen, sondern auch für Wachstum. Die starken Zuwächse bei den alternativen Finanzierungsmöglichkeiten des Crowdfunding verdeutlichen dies eindrücklich, wie aus den Veröffentlichungen des Bundesverband Crowdfunding zu erfahren ist (https://www.bundesverband-crowdfunding.de/2021/04/pressemitteilung-marktdaten-2020/).
Herzlich, Ihr Holger Feick
Geschäftsführer HF Finanzconsulting GmbH
https://www2.hf-unternehmensfinanzierung.de/crowdfunding/