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Creditreform

Die Praxis fällt vielen Azubis im Handwerk leichter als die Theorie. Die niedersächsische Elektrotechnik-Firma Diekmann unterstützt ihre Auszubildenden daher mit einer Online-Lernplattform. Die E-Learning-Lösung, die das Unternehmen zusammen mit dem Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik eingerichtet hat, ergänzt den Berufsschulunterricht. Ende 2012 wurde das Modell mit dem „Preis für Innovative Ausbildung“ ausgezeichnet.

Im Mittelpunkt der Lernplattform stehen interaktive, multimediale Lernprogramme zum Thema Elektrotechnik, technische Mathematik und Steuerungstechnik. Unter anderem können mit einem Simulator Schaltungsprozesse geübt werden. In einem Online-Forum tauschen sich die Azubis aus – Moderatoren betreuen ihre Fragen und Diskussionen. Zudem können die Auszubildenden eigene Dokumente hochladen. Einloggen können sie sich zu jeder Zeit an jedem Ort, sowohl am PC als auch mit mobilen Geräten.

Junge Mitarbeiter wollen mobil lernen

Gerade diese Mobilität ermöglicht neue Methoden beim Lernen. „Mit Mobile Learning reagieren Unternehmen bzw. Bildungsanbieter vor allem auf die Vielfalt an Endgeräten, mit denen man es heute zu tun hat“, so E-Learning-Berater Joachim Robes. „Lerner wollen wissen, ob sie auch mobil auf Lernangebote und Lernressourcen zugreifen können. Und wenn nicht: Warum nicht?“ Jüngere Mitarbeiter sind gerade in dieser Welt zuhause: Sie besitzen auch privat eine Vielfalt an mobilen Geräten und können mit attraktiven Lernangeboten erreicht werden. „Hinzu kommen neue Lernszenarien, die mit Mobile Learning abgedeckt werden“, sagt Robes und nennt Beispiele: „Der Vertriebsmitarbeiter, der unterwegs die Zeit nutzen will, um sein Wissen aufzufrischen. Oder der Mechatroniker, der das iPad bei der Fehlerdiagnose nutzt.“ Kurze Wissensbausteine, die das „Lernen zwischendurch“ unterstützen, passen in den modernen Arbeitsalltag vieler Mitarbeiter. Inhaltlich bieten sich daher überschaubare Informationsbausteine an wie Checklisten oder Anleitungen. Kurze Videos oder Audiobeiträge seien häufig gewählte Formate, weiß Robes. Beliebt sind auch Aufgaben und kleine Tests, um sich auf eine Prüfung vorzubereiten.

Zum Austausch mit weiteren Lernenden bietet sich ein virtuelles Klassenzimmer an, empfiehlt Robes. Alle Teilnehmer wählen sich zu einem festen Zeitpunkt auf einer Lernplattform ein. „Die dahinter stehenden Technologien sind schon seit langer Zeit auf dem Markt und je nach Perspektive wird auch von Live-E-Learning, Webinaren oder Web-Conferencing gesprochen.“ Viele Unternehmen seien heute mit der Technologie vertraut, setzen sie aber noch selten zur Qualifizierung der Mitarbeiter ein, so Robes. „Dabei eignen sich virtuelle Klassenzimmer hervorragend, um neue Produkte oder Lösungen vorzustellen und zugleich Raum für Fragen und Diskussionen zu bieten.“ Der Einsatz von Kamera und Mikrofon ist hier schon fast Standard. Da die Lerneinheiten gespeichert werden können, entwickelt sich schnell ein Archiv. Wichtig: Auch virtuelle Klassenzimmer brauchen einen professionellen Moderator.

Ohne Betreuung geht es nicht

Diese Betreuung ist bei allen Formen technologiegestützter Bildungsangebote elementar, so Marianne Schefczik-Dippel, Gründerin der eBildung AG. „Wenn die Lernenden keinen Ansprechpartner haben, wenn sie keine Nachfragen stellen können, wird es nicht funktionieren.“ Speziell bei komplexen Zusammenhängen braucht es eine Betreuung, sagt die ehemalige Physik-Lehrerin. „Das muss nicht im Klassenzimmer sein“, so Schefczik-Dippel. „Es muss ein fachkompetenter Mensch sein, der schnell und gut antwortet.“ Und gute Betreuung kostet Geld, schiebt die E-Learning-Expertin hinterher. Lernende seien zu unterschiedlich, um sie sich selbst zu überlassen. „Natürlich gibt es die Mitarbeiter, die sich konventionell eine Datei herunterladen und dann allein für sich die Inhalte lernen und verstehen.“ Diesen „Einzelkämpfern“ stehen aber auch diejenigen gegenüber, die bei der Aus- und Weiterbildung Unterstützung erwarten, zum Erreichen der Ziele oder zum Erweitern des Wissensstandes über die angebotenen Inhalte hinaus. Genau diese Lerntypen zu identifizieren, sei die Hauptaufgabe, wenn Unternehmen nach technologiegestützten Modellen suchen. Der Betrieb muss mit Hilfe des Anbieters herausfinden: Welche Methode und welche Technologie passt zu meinem Unternehmen und meinen Zielen?

Oft sind es Mischformen, die den größten Lernerfolg versprechen. Bei diesen „Blended Learnings“ ergänzen sich Trainings am Computer mit Präsenzveranstaltungen. Diese können sowohl klassisch in einem Schulungsraum stattfinden – aber natürlich auch online in einem virtuellen Klassenzimmer. Bei den E-Learning-Phasen bearbeiten die Lernenden die Inhalte unabhängig von Zeit und Ort für sich selbst, in der Präsenzphase besteht dann die Möglichkeit zum Austausch und zum Nachfragen.

Hier zeigt sich: Für erfolgreiches Lernen sind mehrere Faktoren ausschlaggebend. „Neben der inneren Einstellung und dem Interesse, das dem Lerngegenstand entgegengebracht wird, sind das eben auch die äußeren Faktoren, wie der soziale Kontext und die Anwesenheit einer Lehrkraft“, so Dr. Axel Knaack. Der promovierte Physiker hat das „Kompetenzzentrum eLearning Niedersachsen“ mit aufgebaut und ist seit einigen Jahren Leiter des Dezernats E-Learning an der Polizeiakademie Niedersachsen. Seine Erfahrung zeigt: „Beim E-Learning scheint es tatsächlich so zu sein, dass es dann besonders wirksam ist, wenn es als Blended Learning angeboten wird.“ So habe man es beispielsweise bei der Polizei oft mit Themen zu tun, die eine praktische Ausführung verlangen: Wie muss sich ein Polizist in einer bestimmten Situation verhalten? „Diese kann am einfachsten im Präsenztraining erlernt und verfestigt werden“, sagt Knaack. Das gilt natürlich für nahezu alle Berufszweige.

Social Media, um Wissen zu archivieren

Im virtuellen Klassenraum kann dieses Wissen dann gebündelt werden. Oft bieten sich dafür Social-Media-Lösungen an wie Wikis, Blogs oder Communitys. Diese Werkzeuge seien eine gute Ergänzung beim Lernen, sagt Axel Wolpert, Senior Sales Consultant beim E-Learning-Dienstleister Time4you. „Sinn macht es bei einem länger andauernden Lehrgang. Auch zu Dokumentationszwecken haben sich Wikis oder Blogs bewährt.“ Die Mitarbeiter tragen wie beim Vorbild Wikipedia Wissen zusammen und können Inhalte jederzeit ändern und ergänzen. Aber auch hier gilt: Es braucht dafür „Motoren“ im Unternehmen. „In den meisten Fällen kommt der nachhaltige Erfolg erst, wenn es einige Treiber gibt, die regelmäßig posten und kommentieren“, so Wolpert. Das sind in den wenigsten Fällen Vorgesetzte, sondern eher fachlich interessierte und engagierte Mitarbeiter, die Erfahrung im Umgang von Social Media mitbringen. „Das Prinzip lässt sich auch gut bei Wikipedia beobachten, wo ja nur ein sehr kleiner Teil der Nutzer aktive Autoren sind.“ Vielfach werde Social Media bereits im Rahmen von Employer Branding in den Unternehmen genutzt, erzählt Wolpert. „Dann ist der Schritt, Tools auch für Lernund Wissensmanagement zu nutzen kleiner, zumal wichtige Sicherheitsfragen im Unternehmen in diesem Fall meist schon geklärt sind.“ Zu bedenken sei auch, dass jüngere Mitarbeiter, die Social Media privat nutzen, Angebote nach dem Facebook-Prinzip auch bei ihrem Arbeitgeber erwarten.

Michael Schlösser

Weitere Infos finden Sie in unserer Linkliste unter www. creditreform-magazin.de/elearning

– Informieren Sie sich über die verschiedenen E-Learning-Modelle: Man kann grob unterscheiden zwischen klassischer Lernsoftware auf CD oder DVD, Online-Kursen (Webinare), Mobile Learning mit Smartphone und Tablet, Computer-Lernspielen, Social Media-Werkzeugen wie Wikis und Blogs und Mischformen (Blended Learning)

– Identifizieren Sie die unterschiedlichen Lerntypen in Ihrem Unternehmen und entscheiden Sie nach diesem Kriterium, welche E-Learning-Methode den größten Erfolg verspricht

– Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern den Zugriff mit mobilen Geräten: Gerade junge Mitarbeiter sind in diesen Technologien zuhause

– Bestimmen Sie Betreuer und Tutoren, die die Lernenden begleiten und ihnen jederzeit für Fragen zur Verfügung stehen – das müssen nicht unbedingt Führungskräfte sein

– Installieren Sie eine Plattform, auf der das zusammengetragene (Unternehmens-) Wissen archiviert und von allen Mitarbeitern abgerufen werden kann