Mit künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Prozesse im Forderungsmanagement optimieren. Sie unterstützt zum Beispiel den Inkasso-Sachbearbeiter dabei, bessere Entscheidungen zu treffen und noch gezielter die individuelle Situation des Schuldners zu berücksichtigen.

© akindo/iStock
Siri stellt den Wecker am Abend, weckt uns am Morgen und liest tagsüber die Termine vor. Alexa schaltet das Licht ein und kümmert sich um Staumeldungen, damit wir unser Ziel schneller erreichen.
Und Nachrichten an Freunde, die unsere Sprache nicht beherrschen, übersetzen wir mit einem Klick auf Google. KI hat Einzug in unseren Alltag gefunden. Aber was ist eigentlich KI und was bedeutet sie für die Menschen?
In vielen Bereichen des Lebens ist KI inzwischen eine akzeptierte und selbstverständliche Erleichterung. Einige sehen in ihr jedoch auch eine Bedrohung, die eine düstere Zukunft erahnen lässt, in der Maschinen uns die Arbeit wegnehmen und Menschen gegen Maschinen kämpfen. Um KI besser erfassen zu können, hilft es zu verstehen, was Intelligenz im Allgemeinen ist.
Intelligenz – menschlich und künstlich
Eine allgemeingültige Definition für Intelligenz gibt es nicht. In der Psychologie ist Intelligenz ein Sammelbegriff für die kognitive Leistungsfähigkeit des Menschen.
Einzelne kognitive Fähigkeiten können jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein, sodass bis heute keine Einigkeit darüber herrscht, wie sie zu bestimmen oder zu unterscheiden sind. Ein Maßstab der menschlichen Intelligenz, der zur Bestimmung der Gesamtheit dieser kognitiven Fähigkeiten entwickelt wurde, ist der Intelligenzquotient.
Unter künstlicher Intelligenz versteht man wiederum ein Teilgebiet der Informatik, in dem versucht wird, menschliche Entscheidungsstrukturen nachzubilden. Eine Maschine wird so gebaut und programmiert, dass sie möglichst eigenständig Probleme bearbeiten kann. Auch eine nachgeahmte Intelligenz, die auf einfachen Algorithmen basiert und ein „intelligentes Verhalten“ simuliert – wie etwa bei Computerspielen –, wird als KI bezeichnet.
Maschinen haben den Vorteil, dass sie große Datenmengen schnell bearbeiten und unvoreingenommen Muster in den Daten – oft präziser als Menschen – erkennen können. Letztlich können sie aber nur diejenigen Daten verarbeiten, die sie als Input bekommen. Jedoch erst das synergistische Zusammenspiel zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz führt zu profitablen Ergebnissen.
Je mehr KI der menschlichen Intelligenz ähnelt, desto eher wird sie akzeptiert. So punkten beispielsweise Siri und Alexa mit Sprache, weil sie dem Menschen die Möglichkeit geben, auf natürliche Weise zu kommunizieren.
Akzeptanz für Roboter und vollständige Automatisierung hält sich in Grenzen
Andererseits hält sich die Akzeptanz für Roboter und vollständige Automatisierung in Grenzen, weil menschliche Intelligenz die Details nicht erkennen und Entscheidungen nicht nachvollziehen kann. Roboter sind in der Regel nicht dafür gebaut, ihr Handeln zu erklären.
Maschinen verarbeiten heute in kürzester Zeit riesige Datenmengen und erkennen Muster darin. Sie berücksichtigen auch Details, die dem menschlichen Blick verborgen bleiben, weil das Gehirn derartige Datenmengen nicht verarbeiten kann. Durch logische Datenauswertung vermeiden sie außerdem Fehler, die ein Mensch – durch seine subjektive Wahrnehmung – zwangsläufig machen würde.
Daten sind demnach notwendige Nahrung für KI und maschinelles Lernen. Doch das große Potenzial von KI ist nicht nur, in großen Datenmengen Zusammenhänge zu erkennen, sondern daraus auch weitere Erkenntnisse abzuleiten, die wiederum – mit Unterstützung des Menschen – in die Daten einfließen. So entwickelt sich künstliche Intelligenz immer weiter.
Zur rechtzeitigen Identifikation und Vermeidung systematischer Fehler muss die KI aber durch menschliche Intelligenz kontrolliert werden. Sie erkennt eben nicht den Kontext der Daten, sondern wertet nur Korrelationen aus.
Möglichkeiten im Forderungsmanagement
Auch im Forderungsmanagement lässt sich KI heute schon einsetzen. Durch Auswertung von Daten kann etwa aufgezeigt werden, wann und warum es zu Zahlungsausfällen kommen wird, in welchem Stadium des Inkassoprozesses eine Zahlung wahrscheinlich ist oder wann ein Schuldner erneut auf eine ausstehende Zahlung angesprochen werden sollte. KI erkennt Korrelationen in den Daten und kann so deutlich mehr Informationen für eine bessere Entscheidung liefern.
„Wir sind überzeugt, dass der Einsatz von KI Inkassoprozesse optimieren, Aufwände reduzieren und in kürzerer Zeit eine höhere Erfolgsquote erzielen wird“, sagt Dr. Antje Nowack, Abteilungsleiterin Softwareentwicklung, Forschung & Grundlagen beim Verband der Vereine Creditreform.
Bereits zu Beginn des Inkassoprozesses, bei der Kommunikation mit dem Schuldner, kann KI wertvolle Dienste leisten. „KI und maschinelles Lernen ermöglichen es, im Inkassoprozess sehr stark auf die individuelle Situation eines Schuldners einzugehen und ihn zum richtigen Zeitpunkt gezielter anzusprechen“, erläutert Roland Wedding, Mitglied der Geschäftsleitung im Verband der Vereine Creditreform. Er ist überzeugt, dass Unternehmen mit weniger Aufwand – ohne ständiges Beobachten und Nachfassen – schneller an ihr Geld kommen, wenn sie im vorgerichtlichen Inkassoprozess KI einsetzen.
„Entscheidend ist, die Schuldner wertschätzend, angemessen und über den passenden Kanal anzusprechen. Dann ist die Chance groß, dass sie sich nicht aus Verärgerung über eine schroffe Zahlungsaufforderung abwenden, sondern weiter Kunden bleiben.“ Künstliche Intelligenz unterstützt die menschliche Intelligenz – hier den Inkasso-Sachbearbeiter – dabei, bessere Entscheidungen zu treffen und individueller auf den Schuldner zuzugehen.
„Niemand muss Sorge haben, dass Maschinen selbstständig den gesamten Inkassoprozess steuern und Entscheidungen treffen. Am Ende entscheidet immer noch der Mensch, welche Schlussfolgerungen aus den Daten gezogen werden. Aber die Methoden der KI stellen die Entscheidung auf eine viel breitere Grundlage“, betont Wedding.
KI und maschinelles Lernen integrieren
Auch der Verband der Vereine Creditreform will die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in die eigene Systemlandschaft integrieren, um seine starke Marktposition im Forderungsmanagement zu festigen. Nach der Klärung datenschutzrechtlicher Fragen und der erfolgreichen Realisierung eines Prototyps im Herbst 2018 hat der Verband zu Jahresbeginn 2019 einen Feldversuch gestartet.
Creditreform testet mit anonymisierten Daten in drei sehr unterschiedlichen Regionen, ob ein KI-basierter Inkassoprozess tatsächlich effektiver ist als das traditionelle Vorgehen: in einer Großstadt, in einem Ballungsgebiet sowie in einem ländlichen Raum.
Mit diesem ersten Versuch unterstreicht das Unternehmen nach Einschätzung von Wedding erneut seine Rolle als Innovationsführer. „Die große Menge hochwertiger Daten verschafft uns bei der Integration neuer Technologien einen deutlichen Wettbewerbsvorteil“, sagt er und ist überzeugt, dass KI in den nächsten Jahren in immer mehr Bereichen zum Einsatz kommen wird.
Dennoch hebt er die wichtigen Synergien zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz hervor. Auch im Forderungsmanagement verspricht die Integration von KI nicht nur mehr Erfolg, sondern vor allem bessere Entscheidungen der Menschen – und diese Synergie kommt schließlich sowohl Gläubigern als auch Schuldnern zugute.
Zur Autorin
Alexandra Zymla ist seit 2018 für IT-Kommunikation im Verband der Vereine Creditreform verantwortlich. Die Diplom-Kauffrau blickt auf fast 20 Jahre Kommunikations- und Marketingerfahrung in der ITK zurück.