Auf Erbfälle, die nach dem 16. August 2015 eintreten, wird neben dem nationalen Erbrecht künftig auch die neue EU-Erbrechtsverordnung anwendbar sein. Besonders für Nachlässe mit Auslandsbezug wird es erhebliche Neuerungen geben. Doch wer im Ausland wohnt, arbeitet oder dort Immobilien besitzt, kann davon auch profitieren.
Die Neuerungen gelten für Deutsche mit Wohnsitz oder Immobilieneigentum im Ausland. Auch Gestaltungen für den Todesfall, also insbesondere Testamente und Erbverträge, sind im Hinblick auf die geänderte Rechtslage zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Die gute Nachricht: Durch das europäische Nachlasszeugnis, das in etwa einem Erbschein entspricht, wird die Abwicklung internationaler Nachlässe einfacher werden.
Die neue EU-Erbrechtsverordnung findet nicht nur für Erbfälle innerhalb der Europäischen Union Anwendung. Die EU-Mitgliedstaaten Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich sind keine Mitgliedstaaten im Sinne der Verordnung, dennoch beansprucht diese Geltung. Gegenüber dem Iran, der Türkei und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind dagegen einige vorrangige Abkommen zu beachten.
Neu ist für deutsche Staatsangehörige, dass nach der Verordnung nunmehr grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung findet, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ändert sich mit dem Umzug der gewöhnliche Aufenthalt, so ist dies auch der Fall für das anwendbare Erbrecht, ohne dass man hierzu etwas hinzutun müsste. Das kann Vorteile haben, zum Beispiel wenn man das deutsche Pflichtteilsrecht vermeiden möchte. Es kann aber auch Nachteile haben, sofern man sich in eine Rechtsordnung begibt, die man nicht kennt, oder die gesetzliche Regelungen vorsieht, die man für seinen Erbgang nicht möchte.
In den Fällen, in denen Deutsche im Ausland leben oder einen Umzug planen, ist daher dringender Beratungsbedarf gegeben.
Das gilt für den deutschen Rentner auf Mallorca genauso wie für den ins Ausland entsendeten Mitarbeiter.
Da der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in der Verordnung nicht klar definiert ist, empfiehlt sich in den Fällen, in denen darüber gestritten werden kann, die Aufnahme einer Klarstellung im Testament. Bei mangelndem Rückkehrwillen ist die Frage nach der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts jedenfalls zu bejahen.
Zu beachten ist außerdem, dass nach der Verordnung für die Rechtsnachfolge von Todes wegen der Erblasser nur das Recht seiner Staatsangehörigkeit wählen kann. Die Wahl des Rechts, das am gewöhnlichen Aufenthalt gilt, sowie eine Teilrechtswahl, beschränkt auf bestimmte Vermögensgegenstände, sind unzulässig.
Für Nachfolgegestaltungen mit einem internationalen Bezug, zum Beispiel zu Frankreich oder Spanien, besteht regelmäßig Handlungsbedarf. Das gilt gerade auch in Fällen, in denen in der Vergangenheit aktiv Testamente nach ausländischem Recht errichtet worden sind.
Vorgenommene Rechtswahl muss auch nach Stichtag wirksam sein
So ist zu berücksichtigen, dass nach der Übergangsregel der Verordnung eine vor dem Stichtag vorgenommene Rechtswahl nur wirksam ist, wenn sie es auch nach dem Stichtag wäre. Es sei denn, sie ist nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts in dem Staat wirksam, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder dessen Staatsangehörigkeit er besaß. Auch dann ist die vorgenommene Rechtswahl wirksam. Entsprechendes gilt zudem für vor dem Stichtag errichtete Verfügungen.
Nehmen wir zum Beispiel ein Ehepaar mit deutscher Staatsangehörigkeit: Im Jahr 2006, als sie noch in Deutschland lebten, errichteten sie ein gemeinschaftliches Testament ohne Rechtswahl. Dann geben sie ihren Wohnsitz in Deutschland auf und ziehen (ohne Rückkehrwillen) nach Spanien um. In diesem Fall hätte vor dem Stichtag deutsches Erbrecht Anwendung gefunden. Stirbt ein Ehegatte nun nach dem Stichtag, so ist spanisches Erbrecht anzuwenden. Das gemeinschaftliche Testament entfaltet keine Wirkung, da es nach spanischem Erbrecht unzulässig ist.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner bei DHPG, eines der führenden mittelständischen Beratungsunternehmen in Deutschland, das sich auf die Kernbereiche Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Rechtsberatung und Insolvenzverwaltung spezialisiert hat.