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Creditreform

Seit Langem plante die Bundesregierung die deutsche Gruppenbesteuerung zu reformieren. So hatte bereits eine Arbeitsgruppe des BMF in 2011 drei verschiedene Gruppenbesteuerungsmodelle erarbeitet, die letztlich aber verworfen wurden. Mit dem nun verabschiedeten Gesetz hat man nur eine „kleinen Organschaftsreform“ umgesetzt, deren Inhalt nachfolgend dargestellt wird

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Internationalisierung der ertragsteuerlichen Organschaft

Einige der gesetzlichen Änderungen beziehen sich insbesondere auf Sachverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug. So ist vorgesehen den sogenannten doppelten Inlandsbezug bei Organgesellschaften aufzugeben. Die Neuerung lässt nun in §§ 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 17 Satz 1 KStG n. F. zu, dass nur noch die Geschäftsleitung der Organgesellschaft im Inland sein muss. Der Sitz der Gesellschaft hingegen kann auch in einem EU/EWR-Staat belegen sein.
Hintergrund dieser Rechtsänderung ist ein von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren, das sich gegen den doppelten Inlandsbezug der Organgesellschaft richtete. Diese Neuerung dürfte für die Praxis jedoch von untergeordneter Bedeutung sein, da nach wie vor ein Gewinnabführungsvertrag (GAV) zur Begründung eines Organschaftsverhältnisses notwendig ist. Einen wirksamen GAV grenzüberschreitend zu schließen, wird sich in der Praxis aber als schwierig erweisen. Die Regelung ist für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anzuwenden.

Aufgrund der Rechtsprechung des BFH sah sich der Gesetzgeber auch gezwungen, eine Änderung bezüglich ausländischer Organträger vorzunehmen. Der BFH hatte in seinem Urteil vom 09.02.2011 (I R 54, 55/10) entschieden, dass ein britisches Unternehmen unter Umständen als Organträger anzuerkennen ist, was in dem konkreten Fall zu einem Verlust von inländischem Besteuerungssubstrat geführt hat. Die bisher geltende Regelung des § 18 KStG wurde daher ersatzlos gestrichen. Die Möglichkeit von ausländischen Gesellschaften als Organträger zur agieren, ist nun ausschließlich in § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG n. F. geregelt. Entscheidend ist zukünftig insbesondere, dass der Organträger über eine inländische Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO verfügt und die Beteiligung an der Organgesellschaft während der gesamten Dauer der Organschaft der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die Einkünfte der Organgesellschaft werden dann der inländischen Betriebsstätte des Organträgers zugerechnet. Eine inländische Betriebsstätte i. S. d. Vorschrift liegt nur vor, wenn das Besteuerungsrecht der Betriebsstätteneinkünfte von Deutschland nicht beschränkt wird (zum Beispiel durch ein DBA). Die Regelung ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2012 anzuwenden.

Einen besonderen Streitpunkt im Gesetzgebungsverfahren stellt die Änderung der sogenannten „Dual Consolidated Loss Rule“ des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG dar. Solche Regelungen sollen vermeiden, dass bei doppelansässigen Gesellschaften eine Verlustnutzung in mehreren Staaten im Rahmen von Gruppenbesteuerungssystemen möglich ist. Eine Überarbeitung der deutschen Vorschrift wurde nötig, da zukünftig auch ausländische Organgesellschaften zulässig sind und sich die bisherige Regelung nur auf den Organträger erstreckte. Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung in der Rs. Phillips Electronics (C-18/11) wollte der Finanzausschuss eine europarechtsfeste deutsche Dual Consolidated Loss Rule durchsetzen, die von einer Beschränkung der Verlustverrechnung innerhalb der EU/EWR absieht. Im Vermittlungsausschuss hat man sich jedoch auf eine weitergehende Regelung verständigt, die eine Berücksichtigung von negativen Einkünften sowohl des Organträger als auch der Organgesellschaft im Rahmen der inländischen Besteuerung generell untersagt, soweit die negativen Einkünfte in einem ausländischem Staat berücksichtigt werden. Die Regelung ist für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle anzuwenden.

Durchführung des Gewinnabführungsvertrags

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG n. F. soll die für die Organschaft notwendige Durchführung des vorgeschriebenen GAV auch als erfüllt gelten, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, sofern

  • der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist,
  • die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen und
  • ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz korrigiert ist.

Die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses hätte unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG n. F. immer dann nicht erkannt werden müssen, wenn entweder

  • ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nach § 322 Abs. 3 HGB zum Jahresabschluss, zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist, oder über die freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses oder

Für den letztgenannten Fall ist eine Bescheinigung über die Erstellung des Jahresabschlusses mit umfassenden Beurteilungen entsprechend den Grundsätzen zur Erstellung von Jahresabschlüssen gemäß IDW S 7 beziehungsweise der entsprechenden Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer notwendig. Laut Gesetzesbegründung ist eine Bescheinigung einer prüferischen Durchsicht aufgrund des eingeschränkten Umfangs im Regelfall als Nachweis nicht geeignet. Ein eingeschränktes Testat reicht wohl ebenfalls nicht aus.

Im Hinblick auf den Anwendungsbereich der neuen Vorschrift, stellt sich für die Praxis die Fragen, wann „fehlerhafte Bilanzansätze“ vorliegen. Entsprechend der Gesetzesbegründung soll die Regelung an dem subjektiven Fehlerbegriff anknüpfen. Damit ist bei Bilanzierungsfragen, die gesetzlich nicht geregelt sind und auch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, jede Bilanzierung und Bewertung, die nach den Maßstäben eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war, möglich und führt zu einer handelsrechtlich richtigen Bilanz. Dies gilt auch dann, wenn sich später herausstellt, dass zugrunde gelegte Sachverhalte und Annahmen des Kaufmanns nicht zutreffend waren (vgl. Dötsch/Pung, DB 2013, S. 309). Entsprechend der Gesetzesbegründung soll ein fehlerhafter Bilanzansatz auch vorliegen, wenn ein Jahresabschluss ohne vorherigen Ausgleich vororganschaftlicher Verluste abgeführt wird.

Die Vorschrift ist rückwirkend auf alle noch offenen Fälle anzuwenden. Der Gesetzgeber sieht in dieser Rückwirkung keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da es sich um eine Verfahrenserleichterung handeln soll, die ausschließlich begünstigend wirkt.

Formelle Neuerungen beim GAV

Die gesetzlichen Änderungen sehen auch eine Klarstellung der formalen Erfordernisse bezüglich des notwendigen Verweises auf § 302 AktG im GAV vor. Diese gesetzliche Klarstellung ist aufgrund zeitweiser unterschiedlicher Auslegungen der Norm durch Verwaltung und Rechtsprechung erforderlich geworden. Konkret wird § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG n. F. nun wie folgt gefasst: „…eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschrift des § 302 des Aktiengesetzes in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart wird.“

Mit dem vorgeschriebenen dynamischen Verweis auf die Verlustübernahmeregelung des § 302 AktG will der Gesetzgeber bestehende Rechtsunsicherheiten, die durch die bislang geltende Norm des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG a. F. entstanden sind, beseitigen. Die in R 66 Abs. 3 Satz 3 KStR enthaltene Aussage, dass der Vertragstext entsprechend dem Inhalt des § 302 AktG gestaltet werden kann, ist damit hinfällig.

§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG n. F. ist erstmals auf Gewinnabführungsverträge anzuwenden, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes (am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt) neu abgeschlossen oder geändert werden. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich und dem daraus resultierenden Änderungsbedarf von bereits bestehenden GAV müssen drei Fälle unterschieden werden:

  • Für bestehende GAV, die keinen nach der derzeitigen Rechtslage gültigen Verweis auf § 302 AktG enthalten, gilt Folgendes: Diese GAV können für Veranlagungszeiträume, die vor dem 31.12.2014 enden (bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr also VZ 2013), beibehalten werden ohne dass die Organschaft gefährdet ist, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Formulierung entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG n. F. bis zum 31.12.2014 in den GAV aufgenommen wird. Endet die Organschaft vor dem 01.01.2015, ist keine Anpassung des GAV notwendig.
  • Für bestehende GAV, die zwar im Einklang mit der bisher geltenden Rechtslage auf § 302 AktG verweisen, aber keinen dynamischen Verweis i. S. d. § 17 Satz 1 Nr. 2 KStG n. F. vorsehen, gilt Folgendes: Diese GAV müssen nicht angepasst werden, allerdings verweist der Finanzausschuss des Bundestages darauf, dass eine Fortführung der statischen Klausel auf eigenes Risiko der Unternehmen erfolgt. Aus diesem Grund empfiehlt sich u. E. auch in diesen Fällen die Aufnahme eines dynamischen Verweises in den GAV.
  • Für bestehende GAV, die bereits einen dynamischen Verweis auf § 302 AktG i. S. d. § 17 Satz 1 Nr. 2 KStG n. F. enthalten („in der jeweils geltenden Fassung“), besteht vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung kein Handlungsbedarf.

Im Rahmen der Gesetzesänderung wird klargestellt, dass eine Anpassung des GAV bezüglich des dynamischen Verweises auf § 302 AktG nicht als Neuabschluss zu werten ist und damit die fünfjährige Mindestdauer des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG nicht berührt wird.

Verfahrensrechtliche Neuerungen

§ 14 KStG n. F. wird um einen Absatz 5 ergänzt, der eine verfahrensrechtliche Neuerung vorsieht. Danach wird das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt. Die Feststellungen sind für die Besteuerung des Organträgers und der Organgesellschaft bindend. Für die einheitliche und gesonderte Feststellung ist das Finanzamt der Organgesellschaft zuständig. Die Erklärung zu den gesonderten und einheitlichen Feststellungen soll mit der Körperschaftsteuererklärung der Organgesellschaft verbunden werden. Die Regelung kommt erstmals für Feststellungszeiträume, die nach dem 31.12.2013 beginnen, zur Anwendung.