Wie legen Unternehmen in Niedrigzinszeiten ihr Geld an? „Am besten gar nicht“, sagen zwei Firmenchefs, die aus der Not eine Tugend machen. Sie investieren in eine Währung und in IT-Equipment.
Die Nullzinspolitik der Notenbanken dauert nun schon einige Jahre an. Das verunsichert nicht nur Anleger und Sparer, die weder für festverzinsliche Wertpapiere noch auf Fest- und Tagesgeldkonten nennenswerte Renditen erzielen. Auch Unternehmer sind es leid, ihre Barreserven ungenutzt zu lassen oder sogar Guthabengebühren zahlen zu müssen.
„Von Geldanlage kann keine Rede sein. Im Euroraum gibt es nichts zum Anlegen“, bringt es Tilo Heinrich auf den Punkt. Der 51-Jährige ist Geschäftsführer der Anedis GmbH aus Berlin. Das Kürzel steht für Antennen und Netzkomponenten Distribution. Das international tätige Unternehmen versteht sich zudem als Spezialist für aktive und passive Komponenten sowie Messtechnik für die Breitbandkommunikation. „Anstatt unser Geld zum Nullzinstarif zur Bank zu bringen, investieren wir zur Absicherung langfristiger Geschäfte lieber in den US-Dollar“, erläutert Heinrich. Da er viele Wareneinkäufe auf Dollarbasis abwickelt, liegt dies für ihn nahe, um Kursschwankungen auszugleichen. Dabei setzt er freie Liquidität über Termingeschäfte ein, um eine sichere Kalkulationsbasis im Handelsgeschäft von Anedis sicherzustellen.
Sinnvoll investieren
„Früher haben wir über das Tagesgeldkonto zwei Prozent Zinsen erwirtschaftet, aber heute kostet uns das Parken von liquiden Mitteln sogar Geld“, berichtet der Geschäftsführer, dessen Unternehmen 25 Mitarbeiter beschäftigt. „Also investieren wir in eine zeitgemäße Ausstattung unserer Räumlichkeiten und bauen ein modernes Schulungszentrum für unsere Kunden. Alles um unseren hochqualifizierten Mitarbeitern langfristig einen attraktiven Arbeitsplatz zu sichern“, fasst Heinrich zusammen.
Ist sparen noch zeitgemäß?
„Geld anlegen bringt nichts“, sagt auch Ingo Lederer, Geschäftsführer der Stegerer GmbH im bayerischen Regenstauf. In dem Metallbaubetrieb sind knapp 40 Mitarbeiter beschäftigt. Früher hatte die Firma Barreserven als Festgeld angelegt. „Heute investieren wir unser Kapital in die Modernisierung, beispielsweise in Maschinen, Computer, 3D-Drucker und 3D-Laserscanner.“ Mit den Scannern etwa können seine Mitarbeiter Räume vermessen und aus den Daten am Computer ein präzises 3D-Modell als Basis für die Konstruktion von Metalltoren, Balkongeländern oder Treppenanlagen entstehen lassen. „Natürlich brauchen wir Liquidität. Aber warum sollte ich mehr als nötig sparen?“, sagt Lederer und stellt angesichts der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank infrage, ob Sparen überhaupt noch zeitgemäß sei.
Tatsächlich investieren Unternehmen immer mehr Kapital in Anlage- und Umlaufvermögen, anstatt es anzulegen. Das geht aus einer aktuellen Studie der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld und der Commerzbank hervor. Gegenwärtig verfügen demnach nur noch 58 Prozent der Unternehmen über Festgelder und Termineinlagen. Vor zwei Jahren waren es noch 76 Prozent. Weiterhin nehmen Mittelständler im Zuge der niedrigen Zinsen Geld in die Hand, für strategische Beteiligungen und Übernahmen. „Während kurzfristige und verzinsliche Anlageformen weiter an Bedeutung verlieren, werden vor allem innovative Investmentlösungen gesucht“, sagt Volker Wittberg, Professor für Mittelstandsmanagement und Prorektor der FHM, der die Studie wissenschaftlich betreute. Mittelständische Unternehmen seien bereit, für eine höhere Rendite Kursschwankungen in Kauf zu nehmen. Viele Firmen haben der Studie zufolge Sachinvestitionen wie Immobilien und Grundstückskäufe getätigt oder schlicht auch Liquidität aus den Unternehmen in Form von Gewinnausschüttungen abgezogen. Damit sollen zum Teil auch Negativzinsen bei Banken verhindert werden. Die Mittelstandsexperten der Commerzbank empfehlen drei Investmentmöglichkeiten: Offene Immobilienfonds, Multi-Asset-Fonds und Währungsanlagen. Offene Immobilienfonds seien zwar weniger flexibel als kurzfristige Anlagen. Mit ihnen seien jedoch höhere Renditen möglich – bei geringen Wertschwankungen. Multi-Asset-Fonds können den Experten zufolge durch flexible Gewichtung von unterschiedlichen Anlageklassen in verschiedenen Marktphasen profitieren. Und für auslandsorientierte Unternehmen gebe es die Option, mit Fremdwährungstermingeldern auch bei kurzen Laufzeiten hohe Renditen zu erzielen.
“Früher haben wir über das Tagesgeldkonto zwei Prozent Zinsen erwirtschaftet, aber heute kostet uns das Parken von liquiden Mitteln sogar Geld.“ Tilo Heinrich, Anedis GmbH
„Die Nullzinspolitik der EZB verfehlt ihr Ziel, denn die meisten Unternehmen investieren deswegen nicht häufiger“, sagt der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven. Kleinen und mittleren Unternehmen mit guter wirtschaftlicher Perspektive rät er, in Wachstum zu investieren. Wenn von Unternehmen Guthabengebühren erhoben werden, sei ein Wechsel der Bank sinnvoll. Zudem sei es auch möglich, mehrere Geschäftskonten bei unterschiedlichen Instituten zu unterhalten und so unterhalb der Schwelle für den Negativzins zu bleiben. „Ferner ist es ratsam, die täglich verfügbaren Mittel auf ein Minimum zu reduzieren. Alternative Geldanlagen mit flexiblen Laufzeiten, wie Festgeld, Pfandbriefe, Schuldverschreibungen und Anleihen, stehen in großer Zahl zur Verfügung“, erläutert er.
Andererseits können Unternehmen auch den Spieß umdrehen und das niedrige Zinsniveau nutzen, um sich kostengünstig Geld zu leihen und damit die Liquidität zu stärken. Dadurch wird es beispielsweise möglich, Finanzierungskosten zu senken. Zinsgünstige Darlehen kann man aber auch in die Expansion investieren. Etwa in Maschinen und IT-Equipment, ganz so wie es Ingo Lederer in seinem Metallbauunternehmen aus Bayern macht.
Was tun, Was Nicht?
Empfehlungen:
✪ Firmen sollten größere Summen aktuell möglichst nicht auf Konten parken, die keine nennenswerten Zinsen abwerfen oder für die sogar Guthabengebühren anfallen.
✪ Es empfiehlt sich für die mittel- bis langfristige Finanzplanung, die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu beobachten. Womöglich gibt sie Hinweise auf eine künftige Anhebung des Leitzinses.
✪ Nach Anlagealternativen suchen: Wenn ohnehin Investitionen anstehen, lohnt es sich, Kapital in Maschinen und Ausstattung zu stecken.
Warnungen:
✪ Vorsicht bei unsicheren Investments oder Klumpenrisiken, wie etwa ausschließlich Aktieninvestments.
✪ Die Liquidität muss gesichert sein. Daher sollte man nicht den Großteil des Kapitals in illiquide Anlageklassen wie Immobilien investieren.
✪ Unternehmen sollten sich nicht auf ihre Hausbank fokussieren. Der Vergleich mit anderen Geldinstituten kann sich auszahlen.